Ein Tag zum Schämen
Heute Mittag gingen neben den Neuigkeiten zur Anti-Terror-Operation in Slowjansk, die bereits im Morgengrauen begann, auch Meldungen zu gewaltsamen Ausschreitungen in Odessa ein. Natürlich sitze ich hier nicht an der Quelle und war somit auf Meldungen aus dem Internet angewiesen. Fans und Ultras der Fußballvereine Metalist Charkiw und Tschornomorets Odessa hatten sich vor dem Fußballspiel für einen gemeinsamen Auftritt für die Einigkeit der Ukraine verabredet. Interessant ist dies deswegen, weil beide Vereine in der Vergangenheit eine tiefe Feindschaft verbunden hat. Die Fans von Metalist Charkiw waren zudem schon früher mit Beistandsbekundungen aufgefallen. Den Marsch verstärkten neben der Stadtjugend und dem Rechten Sektor auch einige Journalisten, Stadtratsabgeordnete und ältere Leute. Auf der Hrezka wulycja, wurde der Marsch dann auch bereits von Provokateuren abgefangen. Die Leute dort waren mit Schlagstöcken, Schleudern und Ketten bewaffnet, trugen Helme und Schilde. Im Grunde unterschieden sie sich äußerlich nicht stark von den damaligen Streitern des Maidan, wären da nicht Details, wie etwa Russlandfahnen, Georgsbänder, Pistolen und Schnellfeuergewehre. Und die Tatsache, dass sie auf unbewaffnete Demonstranten losgingen.
Bei den ersten Gefechten flogen also Fäuste, Schlagstöcke, Ketten und Steine, eine Straßenschlacht entbrannte und die Polizei schaffte es nicht, beide Gruppen zu trennen. Bald errichtete man Barrikaden und pro-russische Demonstranten bewegten sich auffällig frei zwischen Polizisten. Und hier muss noch ein Detail der Äußerlichkeiten genannt werden. Sowohl Provokateure, als auch Polizisten trogen rote Markierungen an ihren Ärmeln. Wofür genau diese gedacht waren, ist nicht eindeutig geklärt, aber sie weisten die untereinander wohlgesinnten aus. Es flogen erste Molotow-Cocktails und die Polizei zog sich sogar gänzlich zurück, als erste Schüsse mit scharfer Munition fielen. Bewaffnet mit einem, Ironie des Schicksals, Feuerwehrwagen durchbrachen die Fußballfans samt Anhänger die Hauptbarrikade der separatistisch eingestellten Bewegung. Explosionen und Schüsse waren zu hören und von den Dächern umliegender Häuser schossen grüne Männchen. Später musste einer sogar von der Polizei vor der wütenden Menge geschützt werden. Auch für diese Schützen auf dem Dach können die bereits angesprochenen Markierungen gewesen sein. Nachdem es also zu zahlreichen Verletzten und sogar ein paar Toten unter den anfangs friedlichen Demonstranten gekommen war, war für mich die Situation eindeutig. Separatisten und bezahlte Banditen überfielen eine friedliche Demonstration, verletzen und töten Menschen und die Polizei schaute wie bereits in Charkiw, Luhansk und Donezk untätig zu. Der einzige Hoffnungsschimmer war, dass diese jungen Menschen sich nicht einschüchtern ließen und für die Freiheit und Einigkeit der Ukraine kämpften, und ihr leben ließen.
Doch beim zweiten Gefecht sollte alles anders kommen. Nachdem die Barrikade durchbrochen war zogen sich die Provokateure zum Gewerkschaftsgebäude zurück. Auf dem Platz davor hatten sie Zelte aufgebaut und seit Wochen ausgeharrt, wie die Menschen in Kyiv. Ein kleiner, trauriger Abklatsch. Die Angegriffenen ihrerseits nahmen nun die Verfolgung auf, und es muss einer dieser Momente gewesen sein, der aus Menschen Tiere macht. Die Zelte vor dem Gebäude wurde niedergebrannt und bald schon schlugen unter Jubel die erste Cocktails in die Scheiben des Gebäudes ein. Ersten Berichten zufolge hatten die Separatisten selbst Feuer gelegt, doch wie so oft sind die ersten Meldungen nur wage Beschreibungen dessen was passiert ist. Die Polizei griff abermals nicht ein und ließ nun die pro-ukrainischen Demonstranten gewähren. Bald stand das Haus in Flammen und die Separatisten waren Gefangen. Bis zum Eintreffen der Einsatzhundertschaften und der Feuerwehr war also das schlimmste schon passiert.
Viele der pro-russischen Kräfte flohen durch die Fenster und wurden vor dem Gebäude medizinisch versorgt. Bislang unbestätigten Berichten zufolge gerieten sie dabei in die Schusslinie der eigenen Leute. Die wütende Meute hatte scheinbar ihre Menschlichkeit wiedergefunden. Nachdem die Feuerwehr eintraf wurden sofort Leitern aufgestellt und Leute von den Simsen befreit, doch für viele kam jegliche Hilfe zu spät. Einige sprangen vor Panik in den Tod, andere erstickten qualvoll, andere verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Über all das können die erste Hilfe, die Blutspenden und die jetzt einsetzende Fassungslosigkeit aber nicht mehr hinwegtäuschen. Wenn Russland einen Grund für einen Einmarsch gebraucht hat, so wurde er heute geliefert. Ich bin eindeutig demokratisch und antiseparatistisch, aber dem Jubel um die nun sogenannte Heldenstadt Odessa kann und will ich mich nicht anschließen. Was heute geschah war Barberei auf drei Seiten. Die Provokateure, die meist für Geld ihr Land verraten und den Tod von Unschuldigen in Kauf nehmen, die revanchistische Meute der zuvor friedlichen Demonstranten, die sich besinnungslos der Gewalt hingab und die Polizei, die impotente Staatsmacht, die es weder schafft friedlich demonstrierende zu schützen, noch eine Lynchjustiz zu verhindern. Heute sind die Menschen nicht für etwas gestorben, sie sind wegen etwas gestorben. Wegen der Rückgratlosigkeit der Polizei. Schande über alle, die jubeln, statt zu Trauern! Es sind keine Feinde getötet und keine Helden geschaffen worden, allein Moskau hat wieder einen Sieg errungen.
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