Zitat:
04.04.2008
Umstrittene Osterweiterung: Putin protestiert auf Nato-Gipfel - Russland fühlt sich "direkt bedroht"
Scharfe Worte des russischen Präsidenten: Wladimir Putin hat die Nato vor ihrer geplanten Osterweiterung um die Ukraine und Georgien gewarnt. Ein solcher Schritt würde von Russland als "direkte Bedrohung der Sicherheit" verstanden, sagte er - und forderte: "Lasst uns doch Freunde sein!"
Bukarest - Seine Miene wie eingefroren, seine Worte scharf und wenig freundlich: Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Nato davor gewarnt, immer näher an Russland heranzurücken. "Das Entstehen eines mächtigen Militärblocks an unseren Grenzen würde in Russland als direkte Bedrohung der Sicherheit unseres Landes betrachtet werden", sagte er in Bukarest ohne direkte Erwähnung der Beitrittswünsche Georgiens und der Ukraine.
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23.11.2009
ZEITGESCHICHTE
Absurde Vorstellung
Von Klußmann, Uwe; Schepp, Matthias; Wiegrefe, Klaus
Russlands Präsident Medwedew wirft dem Westen Wortbruch vor. Die Nato-Osterweiterung verstoße gegen Zusagen, die 1990 in den Verhandlungen zur deutschen Einheit gegeben worden seien. Dokumente aus westlichen Archiven stützen den russischen Verdacht.
Niemand in Russland kann seiner Wut über die Erweiterung der Nato nach Osten vor Millionenpublikum so ungestüm freien Lauf lassen wie Wiktor Baranez. Der Starkommentator der Boulevardzeitung "Komsomolskaja prawda" ("Wahrheit der Komsomolzen") wettert gern gegen das "heimtückische und draufgängerische" westliche Militärbündnis. Russland müsse endlich aufhören, die Nato als Partner zu sehen.
Warum über gemeinsame Manöver nachdenken, wenn man betrogen worden sei? Die Nato "hat sich mit ihren Kanonen bis an unsere Staatsgrenzen vorgebohrt", schreibt der Oberst a. D., der unter Boris Jelzin Sprecher des Verteidigungsministers war. Und zwar entgegen allen Versprechungen, die im Prozess der deutschen Einigung gemacht worden seien.
In Moskau herrscht quer durch alle politischen Lager, von den Nationalpatrioten über die Kommunisten bis zur Putin-Partei "Einiges Russland", ein politischer Konsens: Der Westen habe sein Wort gebrochen und Russland, als es schwach war, über den Tisch gezogen.
Als Präsident Dmitrij Medwedew den SPIEGEL Anfang November in seiner Residenz vor den Toren Moskaus empfing, klagte er darüber, dass es nach dem Fall der Mauer nicht gelungen sei, "Russlands Platz in Europa neu zu definieren". Was habe Russland erhalten? "Nichts von dem, was uns zugesichert worden ist: dass die Nato nicht endlos nach Osten erweitert wird und unsere Interessen stets berücksichtigt werden".
Über die Frage, was Moskau 1990 tatsächlich versprochen wurde, tobt ein historischer Streit mit tiefgreifenden Konsequenzen für das künftige Verhältnis Russlands zum Westen. Aber was ist die Wahrheit?
Die Versionen der Akteure laufen quer durch alle Lager. Natürlich habe es eine Zusage gegeben, die Nato "keinen Daumen breit Richtung Osten auszuweiten", sagt heute in Moskau Michail Gorbatschow, der damalige sowjetische Staatschef. Sein früherer Außenminister Eduard Schewardnadse im georgischen Tiflis hingegen erzählt, man habe vom Westen nichts Derartiges bekommen. Schon eine Auflösung des Warschauer Paktes, des östlichen Militärbündnisses, "lag außerhalb unserer Vorstellungswelt".
James Baker, Schewardnadses US-Kollege von 1990, bestreitet schon seit Jahren eine Absprache; der damalige US-Botschafter in Moskau, Jack Matlock, hingegen sagt, Moskau habe eine "eindeutige Zusage" bekommen. Hans-Dietrich Genscher wiederum, 1990 Chef im Bonner Auswärtigen Amt, verneint genau das.
Der SPIEGEL hat mit zahlreichen Beteiligten gesprochen und vor allem britische und deutsche Dokumente gesichtet. Danach kann es keinen Zweifel geben, dass der Westen alles getan hat, den Sowjets den Eindruck zu vermitteln, eine Nato-Mitgliedschaft von Ländern wie Polen, Ungarn oder der CSSR sei ausgeschlossen.
So sprach Genscher am 10. Februar 1990 zwischen 16 und 18.30 Uhr mit Schewardnadse, und der bis vor kurzem geheim gehaltene deutsche Vermerk hält fest:
"BM (Bundesminister): Uns sei bewusst, dass die Zugehörigkeit eines vereinten Deutschlands zur Nato komplizierte Fragen aufwerfe. Für uns stehe aber fest: Die Nato werde sich nicht nach Osten ausdehnen." Und da es in dem Gespräch vor allem um die DDR ging, fügte Genscher ausdrücklich hinzu: "Was im Übrigen die Nichtausdehnung der Nato anbetreffe, so gelte dieses ganz generell."
Unumstritten ist, was der US-Außenminister am 9. Februar 1990 im prachtvollen Katharinensaal des Kreml erklärte. Das Bündnis werde seinen Einflussbereich "nicht einen Inch weiter nach Osten ausdehnen", falls die Sowjets der Nato-Mitgliedschaft eines geeinten Deutschland zustimmten.