NZZ / 22.04.2022
Chronologie der Maidan-Revolution
Die Revolution in der Ukraine 2013/14 führte über
mehrere Eskalationsstufen bis zum Krieg in der Ostukraine. Anbei eine
Chronologie der
wichtigsten Ereignisse.
2013
21. November: Unter russischem Druck
verweigert der ukrainische Präsident
Wiktor Janukowitsch die Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen mit der EU. Vor allem Studenten gehen in Kiew dagegen auf die Strasse.
30. November: Die Polizei verprügelt die Demonstranten auf dem Platz der Unabhängigkeit (Maidan Nesaleschnosti). Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte weckt den Widerstand in der breiten Bevölkerung. In den folgenden Wochen finden in der Hauptstadt regelmässige Demonstrationen mit bis zu 800 000 Teilnehmern statt. Sie besetzen dabei auch mehrere Verwaltungsgebäude und fordern den Rücktritt des Präsidenten. Gegen Jahresende flauen die Proteste allerdings ab.
2014
16. Januar: Das ukrainische Parlament schränkt mit einem drakonischen Gesetz die Versammlungs- und Meinungsfreiheit ein. Daraufhin flammen erneut Demonstrationen auf – und schlagen um in Gewalt. Um eine Räumung des Maidan zu verhindern, werden Barrikaden mit brennenden Autoreifen errichtet.
18. bis 20. Februar: Die Sicherheitskräfte schiessen mit scharfer Munition auf die Demonstranten. Rund 100 Personen werden getötet, knapp 1000 verletzt.
21. Februar: Unter polnischer, französischer und deutscher Vermittlung einigt sich Janukowitsch mit Vertretern der Opposition auf einen Kompromiss: Rückkehr zur parlamentarischen Verfassung von 2004, ein Amnestiegesetz und vorgezogene Präsidentschaftswahlen in zehn Monaten. Die Demonstranten auf dem Maidan aber lehnen das Abkommen ab und fordern Janukowitschs sofortigen Rücktritt.
22. Februar: Janukowitsch verliert den Rückhalt in den eigenen Reihen und vonseiten der Sicherheitskräfte. Er flieht in der Nacht in die Ostukraine und später mit russischer Hilfe von der Schwarzmeerhalbinsel Krim nach Russland. Das Parlament in Kiew wählt derweil eine Regierung und einen Übergangspräsidenten.
27. Februar: Bewaffnete Männer umstellen das Regionalparlament auf der Krim. In einer irregulären Abstimmung wählen die Abgeordneten eine neue Regierung und beschliessen ein Unabhängigkeitsreferendum. Der Kreml setzt russische Soldaten ohne Hoheitsabzeichen ein, um die Halbinsel zu annektieren.
3. März: Der russische Uno-Botschafter präsentiert im
Sicherheitsrat einen Brief von
Janukowitsch an den russischen Präsidenten
Wladimir Putin. Darin fordert er den Kremlchef auf, seine Armee einzusetzen, um in der Ukraine wieder für
«Gesetz und Ordnung» zu sorgen. Bereits am
1. März hatte der russische Föderationsrat einen
Truppeneinsatz in der
Ukraine genehmigt. Russland hatte an der Ostgrenze der Ukraine bereits rund 40 000 Soldaten konzentriert und führte Manöver durch.
April: Von Moskau aus koordiniert, stürmen prorussische Demonstranten im Süden und Osten der Ukraine die regionalen Verwaltungen. Dabei werden auch junge, kräftige Männer in Bussen aus Russland über die Grenze zu den Protesten gefahren. Am 12. April besetzt ein aus der Krim eingesickertes Kommando unter Führung von Igor Girkin, einem Reserveoberst des russischen Geheimdienstes, die Stadt Slowjansk im Donbass. Es ist der Beginn des Krieges in der Ostukraine.
17. Juli: Prorussische Separatisten schiessen über der Ostukraine ein ziviles Flugzeug ab. Alle 298 Passagiere an Bord der MH17 kommen ums Leben. Die Eskalation führt zu einer heftigen internationalen Reaktion. Die USA und Europa verschärften ihre als Folge der Krim-Annexion
verhängten Sanktionen gegen Russland, und die Konfliktparteien unterzeichneten in der Hauptstadt von Weissrussland am 5. September das erste
Minsk-Protokoll.
12. Februar: Das zweite Minsker Abkommen wird unterzeichnet. Es bleibt mehrheitlich toter Buchstabe: Weder ziehen die Konfliktparteien ihre schweren Waffen aus dem Konfliktgebiet ab, noch kommen politische Lösungsansätze wie Dezentralisierung und eine Autonomieregelung für die Ostukraine vom Fleck. Auch die zahlreichen Waffenstillstände seit 2014 werden stets nur teilweise eingehalten.
25. November: Bei der Meerenge von Kertsch im Schwarzen Meer kommt es erstmals zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine. Russische Küstenboote beschiessen dabei ukrainische Kriegsschiffe, welche versuchten, ins Asowsche Meer zu gelangen. 24 ukrainische Marineangehörige befinden sich seither in Russland in Haft.
2019 bis 2021
Wiederholte Versuche, mit Friedensgesprächen und dem Minsker Abkommen einen Waffenstillstand zu erreichen, scheitern immer wieder. Fast tägliche Gefechte und Scharmützel im Donbass setzen sich fort. Dabei sind zwischen 2014 und 2021 über 11 000 Kämpfer und 4000 Zivilisten ums Leben gekommen. Die Kampfzonen in der Ostukraine mit kriegszerstörten Dörfern und Städten, die annektierte Halbinsel Krim, immer neue Gräber auf den Friedhöfen und zweieinhalb Millionen Binnenflüchtlinge sind Zeugnisse des Zerwürfnisses zwischen Russland und der Ukraine.
Bis
2014 waren die
Befürworter eines
Beitritts der
Ukraine zur
Nato klar in der
Minderheit. Seither nimmt ihr Anteil stetig zu. Die politische und militärische Einmischung Russlands führt dazu, dass die ukrainische Bevölkerung sich weiter dem Westen zuwendet.
2022
23. Februar: Wladimir Putin erklärt der Ukraine den Krieg. In der Nacht auf den 24. Februar überqueren erste Verbände einer in den Vormonaten in die Region verlegten riesigen russischen Streitmacht von geschätzt 190.000 Militärangehörigen die Grenze zur Ukraine. Eine grossangelegte Invasion des Nachbarlandes beginnt. In den Wochen und Monaten davor hatte Putin immer wieder von der Nato
uneingelöste Sicherheitsgarantien
verlangt und der Ukraine die staatliche Souveränität
abgesprochen.
https://www.nzz.ch/international/ukr...ion-ld.1290571