[Links nur für registrierte Nutzer]Baruch de Spinoza (hebräisch ברוך שפינוזה, portugiesisch Bento de Espinosa, latinisiert Benedictus de Spinoza; geboren am 24. November 1632 in Amsterdam; gestorben am 21. Februar 1677 in Den Haag) war ein niederländischer Philosoph und Sohn portugiesischer Immigranten sephardischer Herkunft und Portugiesisch als Muttersprache.[1] Er wird dem Rationalismus zugeordnet und gilt als einer der Begründer der modernen Bibelkritik.
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Leben 1.1 Herkunft und Jugend
1.2 Verbannung aus der jüdischen Gemeinde
1.3 Erste Publikationen und Beschäftigung mit Optik
1.4 Tod
2 Philosophie 2.1 Gott als singuläre Substanz (Metaphysik) 2.1.1 Logische Folgerungen aus Spinozas Substanzbegriff
2.1.2 Rückgriff auf ontologische Beweise
2.1.3 Pantheismus, Geist versus Materie, und Willensfreiheit
2.2 Ethik
2.3 Politische Philosophie
2.4 Erkenntnistheorie
3 Nachwirkung
4 Werk
5 Ausgaben
6 Siehe auch
7 Literatur
8 Belletristik
9 Ausstellungen
10 Weblinks
11 Einzelnachweise
Leben[Bearbeiten]
Herkunft und Jugend[Bearbeiten]
Leprozengracht mit der Mozes en Aäronkerk Wo seit 1840 die Kirche steht, auf dem ehemaligen Houtgracht, ist Spinoza aufgewachsen und mit größter Wahrscheinlichkeit auch geboren.[2]
Die Familie Spinoza (auch Despinosa oder d’Espinosa geschrieben) stammte von iberischen Juden (Sephardim) ab, die aus Vidigueira in Portugal, via Nantes und Rotterdam, eingewandert waren.[3] Wahrscheinlich sind Spinozas Vater und Onkel zwischen 1615 und 1623 nach Amsterdam gezogen.[4]
Spinoza wurde am 24. November 1632 als Bento de Espinosa in einem Haus im Amsterdamer Judenviertel, heute Waterlooplein und Umgebung, geboren. Acht Tage später wurde er in der jüdischen Gemeinde als Baruch eingeführt. Sein Vater war Miguel oder Michael de Spinoza (gestorben 1654), auch als Gabriel Alvares d’Espinosa bekannt, erste Ehefrau war seine Nichte Rachel de Spinoza (gestorben 1627). Seine zweite Frau und Baruch de Spinozas Mutter war die Hanna Debora Senior (gestorben 1638).[5] Michael de Spinosa war mehrere Male einer der Parnassim, Aufseher der Sefardischen Gemeinde und beschäftigte sich mit der Zusammenfügung der drei Schulen und Gründung der (alten) Sefardischen Synagoge am Houtgracht (1639). Esther de Spinoza (ca. 1601–1652) war die dritte Ehefrau von Michael de Spinoza. Das Ehepaar hatte 1641 geheiratet.[6]
Von den Geschwistern und Halbgeschwistern Spinozas entstammten der ersten Ehe seines Vaters vielleicht Rebbeca und Isaac de Spinoza, aus der zweiten Ehe stammten Miriam, Baruch und Gabriel de Spinoza; die dritte Ehe mit Esther blieb wahrscheinlich kinderlos.
Über Spinozas Jugend ist zuverlässig nur bekannt, dass er im Alter von fünf Jahren mit dem Vater, seinem älteren Bruder Isaak (gestorben 1649) und dem jüngeren Bruder Gabriel in das Mitgliederverzeichnis des Fördervereins Ets Haim eingeschrieben wurde, der zur Vergabe von Stipendien an die Schüler der Schule Talmud Tora gegründet wurde. In dieser Schule wurden die meisten männlichen Gemeindemitglieder in vier ca. jeweils ein Jahr dauernden Klassen in die religiöse Kultur der Gemeinde eingewiesen, bevor einige die Klassen 5–7 durchliefen, um zu Gemeindevorstehern, vor allem aber zu Rabbinern ausgebildet zu werden.[3]
Da Spinoza als 18- oder 19-Jähriger in einer Mitgliederliste der Klassen 5–7 aus dem Jahre 1651 nicht vorkommt, hat er diese höheren Klassen wahrscheinlich nicht besucht. In den Gemeindebüchern kommt er erst wieder nach dem Tode seines Vaters (März 1654) vor, und zwar in dem Spendenbuch, dem zufolge er im Monat nach dem Tod des Vaters und als dessen Nachfolger (ältester noch lebender Sohn) mehrere Zahlungen leistete. Spinoza betrieb als Nachfolger seines Vaters dessen Handelsunternehmen. Es ist nicht sicher, ob er seine Studien abbrechen musste, weil er im väterlichen Unternehmen helfen musste, oder wegen seines Widerspruchsgeistes.
Als er im Frühjahr des folgenden Jahres, als er nur noch ein sehr geringes Opfergeld zahlte, die Verschuldung des vom Vater übernommenen Geschäfts erkannte, ließ er sich als 23-Jähriger und damit nach geltendem Recht noch minderjährig als Vollwaise einen Vormund bestellen. Dieser machte für ihn die nachträgliche Nichtannahme der Erbschaft geltend, obwohl Spinoza bereits einige Gläubiger seines Vaters befriedigt hatte. Mit dieser Handlung vor einem Amsterdamer Gericht entledigte er sich aller finanziellen Verbindlichkeiten gegenüber nahen und fernen Geschäftspartnern seines Vaters. Das Unternehmen wurde unter gleichbleibender Firma bis 1664 fortgeführt. In diesem Jahr bevollmächtigte sein Bruder Gabriel als Alleininhaber vor der Auswanderung nach Barbados zwei andere Kaufleute zur Wahrnehmung der Unternehmensgeschäfte. Gabriel wanderte nach Jamaika aus, wohin alte Geschäftsbeziehungen bestanden.
Verbannung aus der jüdischen Gemeinde[Bearbeiten]
Wohl in der ersten Hälfte der 1650er Jahre kam Spinoza in Kontakt mit Mennoniten. In der Lateinschule des Ex-Jesuiten Franciscus van den Enden (1602–1674) lernte er Latein. Er konnte hier seinen Gesichtskreis erweitern und wurde unter anderem mit dem Gedankengut von Descartes und der Spätscholastik bekannt. Die jüdischen Rationalisten wie Maimonides oder Gersonides waren ihm vermutlich schon zuvor vertraut.
Spinozas Bann, Portugees-Israëlitische Gemeente, Amsterdam
1656 äußerte Spinoza zusammen mit dem erst 1655 aus Portugal über Hamburg in die Gemeinde zugewanderten Arzt und Freidenker Juan de Prado und mit Manuel Ribeira starke Zweifel an verschiedenen für die Gemeinde zentralen Glaubenslehren. Am 27. Juli 1656 wurde er dann wegen seiner angeblich schlechten Meinungen und Handlungen und nachdem die eingesetzten Mittel und Versprechungen nichts genutzt hatten, in der Amsterdamer portugiesischen Synagoge von der Gemeinde ausgeschlossen. Zusätzlich zum Ausschluss, dem Bann (Cherem), verboten die Rabbiner jeden schriftlichen oder mündlichen Kontakt mit ihm. Spinoza war zu diesem Zeitpunkt erst 23 Jahre alt und hatte noch nichts veröffentlicht. Nach dem Bann verfasste Spinoza vermutlich eine umfangreiche Verteidigungsschrift, in der er seine bibel- und religionskritischen Ansichten entwickelte, die er später in den theologisch-politischen Traktat aufnahm.
Spinozas Bann (aus dem Portugiesischen von Paulo Bitencourt):
„Notiz des Banns, der am 6. April vom Altar aus gegen Baruch Espinoza veröffentlicht wurde:
Die Herren des Aufsichtsrates geben euch bekannt: Da sie seit Tagen von den bösen Ansichten und Werken des Baruch de Espinoza Nachrichten bekommen, versuchten sie, durch verschiedene Wege und Zusicherungen, ihn von seinen bösen Wegen zu entfernen, da es ihnen aber nicht gelang, ihn zu heilen, ganz im Gegenteil, da sie jeden Tag größere Nachrichten seiner horrenden Ketzereien, die er beging und lehrte, und der enormen Werke, die er durchführte, bekamen, von denen es viele glaubwürdige Zeugen gibt, die in Anwesenheit des besagten Espinoza ausgesagt und bezeugt haben und von denen sie überzeugt sind, alles in Anwesenheit der Rabbiner untersucht, mit ihrem Ratschluss beschlossen sie, dass der besagte Espinoza mit folgendem Bann aus der Nation Israel verbannt und entfernt wird:




Mit Zitat antworten



