Nach dem vermutlichen Abschuss der malaysischen Passagiermaschine mit der Flugnummer MH17 hat die ukrainische Regierung am Samstag schwere Vorwürfe erhoben: Die prorussischen Separatisten sollen Beweismaterial vom Absturzort weggeschafft und zerstört haben. Mit Hilfe Russlands wollen die Rebellen Beweise für „internationale Verbrechen“ vernichten, erklärte die Regierung in Kiew.
So hätten die Rebellen etwa 38 Leichen nach Donezk geschafft, um offenbar selbst Autopsien vorzunehmen. Noch kurz zuvor hatten die ukrainischen Sicherheitsbehörden erklärt, sich mit Russland, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und den prorussischen Separatisten auf eine Sicherheitszone am Absturzort geeinigt zu haben. So solle die Identifizierung der Opfer ermöglicht werden.
Das Flugzeug wurde am Donnerstag vermutlich abgeschossen. Alle 298 Insassen kamen ums Leben. Die genauen Hintergründe sind unklar. Internationale Experten sollen die Absturzstelle unweit der ukrainisch-russischen Grenze unabhängig untersuchen. Dazu soll eine 20 Quadratkilometer große Sicherheitszone eingerichtet werden, doch Gespräche darüber haben nach Angaben der Rebellen bisher keine Einigung gebracht. „Es gibt keine Sicherheitszone“, sagte Sergej Kawtaradse, ein hochrangiger Vertreter der prorussischen Separatisten in Donezk. „Das ist ein Gebiet in der Nähe der Front. Dort gibt es militärische Aktivität.“
Der britische „Guardian“ berichtete am Samstag, eine „Einheit schwer bewaffneter Rebellen“ hätte ein 30-köpfiges OSZE-Team daran gehindert, sich an der Absturzstelle frei zu bewegen. Ein großer Teil davon sei „abgesperrt“ worden. Schließlich seien die Inspektoren nach einem „stundenlangen Patt“ wieder abgezogen. Ein Kommandant der Separatisten habe Warnschüsse abgefeuert.
Zuvor hatten diese nicht nur versichert, dass sie einer Untersuchung des Absturzortes nicht im Wege stehen würden, sondern auch eine Feuerpause angekündigt, damit Spezialisten das Wrack untersuchen und die Toten bergen könnten. An den Leichen habe bereits die Verwesung eingesetzt, sagte OSZE-Sprecher Michael Bociurkiw. „Es braucht unbedingt ein Expertenteam. Es gibt in kurzer Zeit sehr viel zu tun.“ Es werde angesichts der Lage in dem Gebiet und der über Kilometer verteilten Trümmer des Flugzeuges ohnehin schwierig, die etwaige Absturzursache festzustellen.
Unterdessen schickte Großbritannien Spezialisten für Flugzeugabstürze in die Ostukraine, um bei der Untersuchung der Wrackteile der malaysischen Passagiermaschine zu helfen. Das sechsköpfige Team solle am Samstag in Kiew eintreffen, teilte die Regierung mit. Das Außenministerium entsandte zusätzliches Konsulatspersonal in die Ukraine, außerdem sollen britische Polizisten bei der Bergung, Identifizierung und dem Heimtransport der getöteten Passagiere helfen.
Laut einem weiteren Bericht des „Guardian“ würden die Separatisten derzeit außerdem „hastig“ daran arbeiten, alle Verbindungen zu der Luftabwehrbatterie vom Typ Buk M1, mit dem die Boeing 777 der Malaysia Airlines laut US-Geheimdiensterkenntnissen abgeschossen worden sein soll, „zu verschleiern“. Das sei auch das Motiv, weshalb sie der OSZE den Zugang zum Flugzeugwrack verwehrt hätten.
Unmittelbar nach dem Absturz des Passagierjets an Bord hätten die Rebellen noch damit geprahlt, einen - so die falsche Annahme - ukrainischen Militärtransporter vom Typ Antonov abgeschossen zu haben. Entsprechende Kommentare im Internet seien inzwischen allerdings verschwunden.
Ukrainische Rettungskräfte haben nach dem Absturz der malaysischen Passagiermaschine bisher 186 Leichen entdeckt. Ein Großteil der rund 25 Quadratkilometer großen Absturzfläche sei bereits abgesucht worden, teilte ein Sprecher des Katastrophenschutzministeriums in Kiew am Samstag mit. Die prorussischen Rebellen hätten den Rettungskräften erlaubt, nach den Opfern zu suchen. „Aber sie haben nicht gestattet, dass irgendetwas aus dem Gebiet weggebracht wurde“, sagte der Sprecher. „Die Rebellen haben alles weggebracht, was sie gefunden haben.“
Aus dem Innenministerium in Kiew hieß es, dass die sterblichen Überreste der Passagiere nach Charkow gebracht werden sollen. In der etwa 300 Kilometer von der Absturzstelle entfernten Stadt werde ein Labor zur Identifizierung eingerichtet.