Athen brennt nicht
Wassilis Aswestopoulos 07.12.2009
Eine Chronik medialer Fehltritte und übertriebener Berichterstattung
Wenn etwas jedes Jahr zum gleichen Zeitpunkt wiederholt wird, dann spricht man von einer Tradition. Ein traditioneller Anlass wiederum liefert Journalisten ein leichteres Einkommen. Schließlich kann die gesamte Recherchearbeit gespart werden. In den Bericht des Vorjahres werden lediglich die neuen Daten eingetragen. Ein paar Sätze werden notdürftig umgestellt und fertig ist der Artikel. Wenn es sich sogar um Wochenendarbeit handelt, dann ist die Messlatte für den Einsatz der eigenen Arbeitskraft offenbar besonders niedrig.
So oder ähnlich muss es in einigen Redaktionsstuben an diesem Sonntag zugegangen sein, denn anders lässt sich die Berichterstattung über im berichteten Maß nicht stattgefundene Ausschreitungen in Athen nicht erklären.
Tradition und erwartete Ausschreitungen
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Hellenische Tradition stand auf dem Programm. Die für ihre Demonstrationsbereitschaft bekannten hitzköpfigen Griechen sollten an diesem Tag dem erschossenen Alexis Grigoropoulos gedenken. Alexis war vor genau einem Jahr von einem Polizisten erschossen worden . Der fünfzehnjährige Schüler wurde Opfer von Schüssen aus der Dienstwaffe eines Wachmanns, als er mit einer kleinen Gruppe von Freunden im Athener Stadtviertel Echarchia unterwegs war. Dort sollte, so wurde erwartet, aus Anlass des ersten Todestages ein Aufstand stattfinden.
Spiegel Online bemerkt in einem heutigen Artikel dazu: "Der 15-jährige Schüler hatte am 6. Dezember 2008 mit Zehntausenden anderen Jugendlichen gegen die Regierung und die Perspektivlosigkeit demonstriert."
Der Spiegel Autor mit dem Kürzel "sam" beschreibt weiter, dass Besucher am Grab des ermordeten Jungen defiliert seien und belegt dies mit einem Foto. Dumm, dass die Aufnahme von der Stelle der Ermordung des Jungen stammt. Den gleichen Fauxpas begeht der Kollege in der Beschreibung eines weiteren Bilds der Fotostrecke. Hier wird das Blumenbeet, an dem der Junge stand, als er erschossen wurde, kurzerhand zum Grab erklärt.