Atommuellreport / 22.11.2022 von Ursula Schönberger
Rosatom (Föderale Agentur für Atomenergie Russlands) ist eine
Staatskooperation, die
direkt der
russischen Regierung untersteht. Sie leitet sowohl den
zivilen als auch den
militärischen Atomsektor Russlands.
Rosatom unterstehen mehr als
300 Unternehmen und Organisationen mit mehr als
250.000 Mitarbeiter.
Die
Atomindustrie Russlands ist
eng mit der Atomindustrie
Rest-Europas verbunden.
Innerhalb Rosatoms bündelt die
Atomenergoprom-Gruppe die zivilen kommerziellen Aktivitäten. Zu den Töchtern der
Atomenergoprom gehören die beiden Uranbergbaufirmen
AMRZ und
Uranium One, die Urankonversions- und Anreicherungsfirma sowie Brennelementherstellerin
TVEL, der Brennstoffhändler
TENEX, der Maschinenbauer
Atomenergomash sowie der Betreiber R
osenergoatom. [2]
Die
ASE Gruppe bündelt die
Engineering Unternehmen von Rosatom. Dazu gehören die
JSC Atomstroyexport, das
United Design Institute JSC Atomenergoprojekt und
JSC Atomprojekt. [2]
Rosatom bietet
Leistungen über die
gesamte Lieferkette vom
Uranabbau und -
weiterverarbeitung, über
Brennelementherstellung, Atomtransporte, Bau, Betrieb und
Rückbau von
Atomkraftwerken bis hin zur
Lagerung radioaktiver Abfälle an.
Dazu kommen medizinische Produkte, Forschung und Entwicklung und seit einiger Zeit auch Projekte regenerativer Energienutzung. [1] Rosatom ist in mehr als
50 Ländern auf der ganzen Welt tätig und ist laut Eigenauskunft weltweit
Nummer 2 bei den
Uranreserven und der
Uranproduktion,
Nummer 1 bei der Urananreicherung und
Nummer 3 bei der Brennelementherstellung. [1]
Uranförderung
In Russland wurden 2020 2.846 Tonnen Uran gefördert, was rund sechs Prozent der weltweiten Uranproduktion ausmacht. [3] Das zuständige Unternehmen ist die
ARMZ (Atomredmetzoloto Uranium Holding Co.), eine Tochter der Atomenergprom.
Außerhalb Russlands ist der
russische Staatskonzern an
Minen in
Kanada sowie an Projekten in
Tansania und
Namibia beteiligt. [4]
Die
kanadische Bergbaugesellschaft
Uranium One einen der
weltweit führenden Unternehmen für den
Uranabbau, ist zu
100% in
russischem Besitz. 94,4% der Anteile hält Rosatom, den Rest das russische Finanzministerium.
In
Kasachstan, dem Land mit der seit Jahren
weltgrößten Uranförderung, ist Rosatom zudem über
Uranium One und seine Tochtergesellschaft
UrAsia an weiteren Uranminen und Vorkommen beteiligt. [3]
Im
Dezember 2021 verkaufte
Uranium One seine US-Amerikanische Tochter Uranium One Americas Inc. an die US-Firma Uranium Energy Corp. Damit zog sich der russische Urankonzern aus den USA zurück und besitzt keine Anteile mehr an der Uranförderung in den USA. [5] Nach Angaben der europäischen Atomgemeinschaft EURATOM importierte die Europäische Union
20,2% seines Uranbedarfs aus Russland. Zudem kamen
19,1% des Rohstoffs aus Kasachstan und
18,4% aus Kanada, an denen Rosatom zum Teil
mitverdiente. [3]
Urankonversion und Urananreicherung
2020 wurden rund
24% der Uran-Konversionsdienstleistungen und
26% der Urananreicherung für die Europäische Union von der
russischen TVEL geleistet. Die Konversionsanlage
Siberian Chemical Combine in der Region Tomsk ist die
drittgrößte weltweit. Am selben Standort befindet sich eine Urananreicherungsanlage, weitere in den Regionen Sverdlovsk, Krasnoyarks und Irkutsk. [2] Laut
TVEL nutzt weltweit jeder sechste Reaktor derzeit Brennstoff der von TVEL hergestellt worden ist. [6]
Russland beliefert auch die Brennelementfertigungsanlage in
Lingen. Laut zuständigem Bundesamt wurden allein für den Zeitraum von 2021 bis 2023 Lieferungen von insgesamt
111.744 kg Uranpellets von Russland nach
Lingen genehmigt und bereits zu 25% ausgeführt. Ebenfalls genehmigt ist die Einfuhr von 269.500 kg Uranhexafluorid bis Ende 2022 von denen ca. 15% bereits geliefert wurden. [7]
Dank der
Beobachtungen von
Atomkraftgegner wurde bekannt, dass der russische Frachter Mikhail Dudin am 28.09.2022 in Rotterdam angelegt hat, um einige Stunden später nach
Dünkirchen weiterzufahren. Es ist unklar, ob der Frachter angereichertes Uran für die Brennelementefabrik in Lingen gebracht hat oder Uran aus Lingen und Frankreich zugeladen hat, um anschließend zurück nach Russland zu fahren.
„Die Laka-Stiftung in Amsterdam hat zudem recherchiert, dass die niederländische Atomaufsicht am 19. September Rosatom und Framatome Lingen zum zweiten Mal in nur zwei Monaten eine Transitgenehmigung für angereichertes Uran aus Russland für die Brennelementfertigung in Lingen erteilt hat.“
Die Initiative Sofa Münster weist darauf hin, dass
Transit-Genehmigungen in den Niederlanden
nur erteilt werden können, wenn die
deutsche Bundesregierung zuvor den
Import zur Brennelementefabrik Lingen
genehmigt hat – die Bundesregierung ist also aktiv in den neuen Urangeschäften mit Russland. [8]
Brennelementfertigung
Im Februar 2021 wurde durch eine Mitteilung des Bundeskartellamtes öffentlich bekannt, dass die
TVEL einen 25%-Anteil an dem französischen Unternehmen
Advanced Nucelar Fuels (ANF) erwerben und damit in die Brennelementfertigung in Lingen einsteigen wollte. Die Europäische Union und das Bundeskartellamt hatten dem Kauf bereits zugestimmt, die Bundesregierung verweigerte jegliche Auskunft zu dem Vorgang und verwies auf den Geheimschutz. [9] Ende Februar 2022 zog Rosatom seinen Antrag für dieses Joint Venture zurück. [10]
Neben
Russland betreiben
elf weitere Staaten
WWER-Reaktoren russischer Bauart:
Armenien (Mezamor 2), Belarus (Belarus 1), Bulgarien (Kosloduj 5 und 6), China (Tianwan 2 und 3), Finnland (Lovisa 1 und 2), Indien (Kudankulam 1 und 2), Iran (Buschehr 1), Slowakei (Bohunice 1 und 2, Mochovce 1 und 2), Tschechien (Dukovany 1-4, Temelin 1 und 2), Ukraine (Riwne 1-4, Süd-Ukraine 1-3, Saporischja 1-6) und Ungarn (Paks 1-4). [11]
Sie werden mit
sechseckigen Brennstoffkassetten betrieben, die fast alle aus der Produktion von
TVEL stammen.
Derzeit bietet nur Westinghouse Brennelemente für WWER-Reaktoren an. Westinghouse hat sich dabei vor allem auf die Zusammenarbeit mit der Ukraine und auf die Produktion von Brennelementen für den Typ WWER-1000 konzentriert. Westinghouse versorgt die Reaktoren Süd-Ukraine 2 und 3 und vier der Reaktoren in Saporischja. [12]
Im Juni 2021 unterzeichneten Westinghouse und die ukrainische Energoatom einen Vertrag für die Lizenzierung von Brennelementen für die älteren Reaktoren in der Ukraine des Typs WWER-440. [13] Hergestellt werden die Brennelemente in der Brennelementfabrik von Westinghouse im
schwedischen Vasteras. Auch Bulgarien und Tschechien wollen nach Auslaufen ihrer Verträge mit TVEL 2023 und 2025 auf Brennelemente von Westinghouse umsteigen. [12]
Unklar ist, welche Fertigungskapazitäten bei Westinghouse für die Produktion von Brennelementen für die
WWEER-Reaktoren vorhanden sind. Außerdem wird die
Entwicklung, Erprobung und
Lizenzierung der WWER-440 Brennelemente geschätzt 6 bis 10 Jahre dauern. [2]
Aufgrund der Abhängigkeit von russischen Brennelementen durfte am 1. März 2022 trotz eines Flugverbots für russische Maschinen im Luftraum der EU eine russische Transportmaschine mit einer Sondergenehmigung in der Slowakei landen, um die beiden slowakischen Atomkraftwerke mit neuen Brennelementen zu versorgen. [7]
Neubau von Atomkraftwerken durch Rosatom
Rosatom baut derzeit neue Reaktoren in Ägypten (El-Dabaa 1 bis 4), in Bangaldesh (Ruppur 1 und 2) und in China (Tianwan 7 und 8, Xudapu 3 und 4). Auch in Europa gibt es Neubauprojekte, 1 Reaktor in Belarus, 2 in Ungarn und 4 in der Türkei.
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