Planet Wissen / 16.03.2021
Inseltausch: Sansibar gegen Helgoland?
Tauschten die Deutschen im Jahr 1890 wirklich die
Insel Sansibar gegen die damals
britische Insel Helgoland ein? Im Jahr 1890 wird der deutsche Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck gezwungen, seine Ämter niederzulegen. Sein Nachfolger General Leo Graf von Caprivi distanziert sich von der konservativ-vorsichtigen Politik seines Vorgängers.
Caprivi will das Nationalbewusstsein stärken und für das Deutsche Reich den Status einer Weltmacht erlangen. Dazu gehört auch der Ausbau der Kolonialgebiete in Übersee – schließlich hinkt das Deutsche Reich in diesem Punkt der größten Kolonialmacht Großbritannien entscheidend hinterher.
Am
1. Juli 1890 schließen
Deutschland und
Großbritannien einen Vertrag ab, der im Volksmund
"Helgoland-Sansibar-Vertrag" genannt wird, in Wirklichkeit aber
"Vertrag über Kolonien und Helgoland" heißt. Darin sollen
Kolonialstreitigkeiten der beiden Länder
bereinigt und die Grenzen der deutschen und britischen Kolonien in
Afrika festgelegt werden.
So
überlassen die
Deutschen den
Engländern ihre
Kolonie Wituland (im heutigen Kenia), verzichten auf Erwerbungen in
Uganda, im
Betschuanaland (heute Botswana) und an der
Somaliküste.
Im Gegenzug erhält das Deutsche Reich einen Zugang von
Deutsch-Südwestafrika zum
Fluss Sambesi, den sogenannten
"Caprivizipfel". Außerdem werden die provisorischen Grenzen zwischen
Deutsch-Ostafrika und den
britischen Gebieten anerkannt.
Reichskanzler Caprivi erwarb Helgoland 1890 zurück
In dem Abkommen wird weiterhin festgelegt, dass die seit 1807 britische Insel Helgoland an Deutschland zurückgeht. Sie wird aber
nicht gegen
Sansibar eingetauscht, denn
Sansibar ist zu diesem Zeitpunkt ein
freies Sultanat und war
niemals deutsche Kolonie. Die Deutschen hatten lediglich einen schmalen Küstenstreifen am Festland gegenüber der Insel
gepachtet und sich selbst als Schutzmacht Sansibars betrachtet.
Weil
England das
selbständige Sansibar jedoch für sich vereinnahmen will, treten die Deutschen im Vertrag von 1890 ihre inoffizielle Schutzherrschaft an Großbritannien ab beziehungsweise verpflichten sich, die geplante
Schutzherrschaft Englands über
Sansibar anzuerkennen.
Schon wenige Tage nach dem Vertrag entsteht die Legende vom angeblichen Tausch der beiden Inseln. Bismarck, der 1884 selbst vergeblich versucht hatte, Helgoland zu erwerben, kritisiert den Handel und den Verzicht auf Sansibar öffentlich als Verlust für Deutschland, um seinen Nachfolger zu diskreditieren.
Damit trägt Bismarck maßgeblich dazu bei, dass in den Zeitungen und an den Stammtischen noch lange Zeit behauptet wird, Deutschland habe bei dem vermeintlichen Tauschgeschäft "einen nagelneuen Anzug gegen einen alten Hosenknopf weggegeben".
(Erstveröffentlichung 2006)
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