Wissenschaft.de / 26. Juni 2014
Drei Weltreligionen und die Bibel
Die Sonderausstellung
„Kinder Abrahams – Die Bibel in Judentum, Christentum und Islam“ im
Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek setzt sich mit der Rezeption der Bibel in diesen drei Weltreligionen auseinander.
Mehr als
90 Exponate aus mehreren Jahrhunderten der Antike und des Mittelalters veranschaulichen die lange Zeit ihrer Textgestaltung, Überlieferung und vielfältigen Wirkungsgeschichte. Fragmente der ältesten bekannten biblischen Handschriften sind dabei ebenso zu sehen wie illuminierte hebräische Codices, frühe Korantexte und zahlreiche weitere einzigartige Objekte, von denen viele das erste Mal öffentlich gezeigt werden. Ein besonders spannender Zeuge für kulturelle und religiöse Vielfalt ist ein als Fragment erhaltenes Messbuch aus dem 13. Jahrhundert:
Es wurde in
griechischer, koptischer und
arabischer Sprache verfasst.
Wenige Werke haben die Menschheitsgeschichte so sehr geprägt wie die Bibel. Sie ist eine der am weitesten verbreiteten und am häufigsten publizierten Schriften der Welt. Für
zwei Weltreligionen und mehr als
zwei Milliarden Juden und Christen ist sie die
Grundlage des Glaubens. Auch der Islam betrachtet sie als heiligen Text. Die Ausstellung im Papyrusmuseum begibt sich an die Wiege der Bibel und beleuchtet die spannende Geschichte ihrer
Überlieferung anhand von einmaligen Originalen aus den wertvollen Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek.
Die
Anfänge der
Bibel liegen im ersten
vorchristlichen Jahrtausend. Damals enstand im Judentum des Vorderen Orients die Idee einer abgeschlossenen Sammlung heiliger Schriften von höchster Autorität, die heute als
Tanach bezeichnet wird. Diese
Hebräische Bibel wurde
mit Erweiterungen vom
frühen Christentum als
Erstes oder
Altes Testament übernommen. Die Erzählungen, die darin überliefert sind, haben aber eine noch längere Tradition und lassen sich bis in die Zeit
Mesopotamiens, der Heimat
Abrahams, zurückverfolgen. So kann man über die Sintflut bereits um das
3. Jahrtausend v. Chr. im Gilgamesch-Epos lesen und Tontafeln berichten von einer Vertreibung aus dem Paradies.
Solche Inhalte möglichst
ohne Schreibfehler, Auslassungen oder Hinzufügungen zu überliefern, war zu einer Zeit, in der es noch keinen Buchdruck gab und Texte nur durch Abschriften vervielfältigt werden konnten,
eine Herausforderung.
Das zeigen die ersten Übersetzungen der
Hebräischen Bibel ins
Griechische, der sogenannten
Septuaginta, die ab dem
3. Jahrhundert v. Chr. angefertigt wurden. Sie sind oftmals durchsetzt mit
„Hebraismen“, die den Satzbau und Wortgebrauch der hebräischen Textvorlage nachahmen. Die Schau im Papyrusmuseum illustriert dies an zwei Exponaten, die zu den weltweit ältesten Textzeugen der Septuaginta gehören: ein Fragment der Bücher Jesaja, das aus dem 3. Jahrhundert stammt, sowie ein Bruchstück der Psalmen aus dem 5. Jahrhundert.
Durch
schlichte Abschreibefehler ebenso wie durch
interpretierende Ergänzungen und
Bearbeitungen kam es zu einer großen Vielfalt
verschiedener Bibeltexte um die Zeitenwende.
Erst am
Ende des
1. Jahrhunderts entsteht mit der Bildung des Kanons der
Hebräischen Bibel auch ein Standardtext, der von einer Gruppe jüdischer Schriftgelehrter, den
Masoreten, festgelegt wurde, und noch heute in
Judentum und
Christentum verwendet wird. Dieser
masoretische Text hat sich nur in
mittelalterlichen Handschriften erhalten. Die Ausstellung zeigt eine besonders eindrucksvolle Seite einer Hebräischen Bibel aus dem Mittelalter, an deren Rändern sich auch Kommentare mehrerer Schreiber finden.
Während die Schriften der Bibel über Jahrhunderte als
kollektive Literaturen zusammengetragen wurden, entstand der
Koran in relativ kurzer Zeit:
Mohammed empfing seine erste Offenbarung im Alter von 40 Jahren, mit seinem Tod im Jahre 632 wurden die Inhalte des Korans als komplett angesehen. Die Ausstellung präsentiert einige sehr frühe Koranhandschriften, darunter ein Fragment aus dem 8. Jahrhundert, das auch die engen Beziehungen von jüdischen, christlichen und islamischen Texten illustriert: So heißt es dort in Sure 10, in Anspielung auf Jesus Christus, dass Gott sich keinen Sohn genommen habe.
Der
Koran steht aber
nicht im Gegensatz zu den
Evangelien oder dem
Tanach, er betrachtet sich vielmehr als
Endpunkt einer
Folge von Botschaften Gottes an Propheten, von denen
Jesus einer,
Mohammed ein anderer war.
An
etlichen Stellen gibt es Bezugspunkte zu den
jüdischen und
christlichen Schriften. Juden und Christen werden als Verbündete für den Glauben an einen einzigen Gott gesehen, Motive und Bilder der Bibel werden aufgegriffen oder bezeugen die
gemeinsame Gedankenwelt der drei Religionen:
So zeigt das
Doppelblatt einer
arabischen Handschrift aus dem
9./10. Jahrhundert eine kunstvolle, mehrfarbig illustrierte
Darstellung des
Paradieses als Garten – eine im
gesamten Nahen Osten verbreitete und auch in der
Bibel ausgedrückte Vorstellung.
Quelle: Österreichische Nationalbibliothek
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