28. Mai 2020, 10:44 Uhr
Sars-CoV-2:Wenn Virologen mit dem Feuer spielen
 
Vor fünf Jahren legten Versuche bereits nahe, dass eine weitere Sars-Pandemie aus Fledermaus-Coronaviren entstehen könnte.
 (Foto: AP)
Könnte  das Virus aus einem Labor stammen? Unfug, sagen viele Forscher. Doch  unmöglich ist es offenbar nicht. Das zeigen umstrittene Experimente der  vergangenen Jahre.
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Wenn  ein Virus scheinbar aus dem Nichts auftaucht, kann man fast schon  sicher damit rechnen, dass über eine Herkunft aus dem Labor spekuliert  wird. Seit Monaten ist das nun auch bei Sars-CoV-2 der Fall.  Zuallererst, weil sich in der chinesischen Stadt Wuhan, in der das Virus  zuerst viele Menschen infizierte, ein Hochsicherheitslabor befindet.  Später, weil die US-Regierung unter Präsident Donald Trump angeblich  Belege dafür haben wollte, dass das Virus aus diesem Labor entkommen  sei. Beides sind keine guten Gründe, um der Theorie Glauben zu schenken.
Doch  obwohl auch viele Wissenschaftler mit dem Kopf schütteln, wenn es um  die Laborhypothese geht: Streng genommen gibt es wohl einen Weg, um dem  Virus jene Eigenschaften zu verleihen, die es für den Menschen nun so  gefährlich machen. Es geht dabei um Gain-of-function-Experimente, kurz  GoF genannt. Diese Art der Erregermanipulation hat in der Vergangenheit  bereits zu Debatten über Biosicherheit geführt, weil es im Kern darum  geht, neue Erreger zu erschaffen, um sich auf künftige Übergriffe aus  der Natur vorzubereiten. Rigoros wurde das mit Grippeerregern versucht,  in den Niederlanden etwa 2011 im Labor von Ron Fouchier am Erasmus  Medical Center in Rotterdam. Das Vogelgrippevirus H5N1 entwickelte in  den Experimenten derart aggressive Eigenschaften, dass man wenig später  ein Moratorium über diese Art von Forschung verhängte - zumindest für  einige Zeit, um sich über das Verhältnis von Nutzen und Risiko klar zu  werden. Die Debatte ist bis heute nicht abgeschlossen und könnte nun  neuen Auftrieb erhalten, denn mithilfe von GoF-Versuchen wird schon  lange wieder geforscht. Und das tatsächlich auch an Erregern  wie Sars-CoV.
Rigorose Experimente an Grippeviren führten zu extrem aggressiven Erregern
So erschien vor fünf Jahren eine Arbeit in 
Nature Medicine,  die unter Leitung amerikanischer Forscher die Herstellung eines  chimären Sars-Virus aus einem Fledermausvirus und einem künstlich ins  Erbgut des Erregers eingeschobenen Gens beschreibt. Der neue Erreger  löste laut Bericht schwere Erkrankungen in Versuchstieren aus und befiel  auch menschliche Lungenzellen. Zu den Autoren zählten damals auch  Forscher des Wuhan Institute of Virology. Dem Papier zufolge zeigten die  Versuche, dass eine weitere Sars-Pandemie aus Fledermauscoronaviren  nahelag. Und so sollte es ja wenige Jahre später auch kommen -  wenngleich mit einem doch etwas anders gebauten Virus, als dem damals  künstlich hergestellten.
    
 
 
Ob sich auf die gleiche Weise aber auch das aktuelle 
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bio R xiv berichteten, funktioniert Vergleichbares auch mit Sars-CoV-2.
Das  Team um Yusen Zhou vom Biosicherheitslabor am Pekinger Institut für  Mikrobiologie und Epidemiologie konnte das für Menschen gefährliche neue  Coronavirus binnen sechs Passagen so an Labormäuse anpassen, dass die  Tiere zuverlässig infiziert und krank wurden. Die Forscher berichten von  einer entscheidenden Mutation, die dabei auftrat, und wollen ihr  Tiermodell nun für die Suche nach einem Impfstoff verwenden. Der Versuch  belegt jedoch zugleich, wie stark sich die Evolution von Viren im Labor  beschleunigen lässt. Es sind deshalb wohl auch Wege denkbar, um aus  einem anderen, natürlich auftretenden Fledermausvirus über hinreichende  Vervielfältigung im Labor einen Erreger zu gewinnen, der am Ende so  aussieht wie jener, mit dem es die Welt nun zu tun hat. Einem Bericht  von 
Newsweek zufolge sollten in Wuhan von vergangenem Jahr an  eigentlich auch Gain-of-function-Versuche an Fledermauscoronaviren  stattfinden, pikanterweise finanziert durch die Nationalen  Gesundheitsinstitute der USA. Das Projekt wurde jetzt  kurzerhand gestrichen.
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