RP-Online / 24.08.2006
Für Geiseln eine Überlebensstrategie
Stichwort Stockholm-Syndrom
Wien · In Fällen von langer
Entführung oder
Geiselhaft stellt sich bei Opfern häufig das so genannte
Stockholm-Syndrom ein. Dabei
identifizieren sich die
Opfer mit ihren
Peinigern. Psychologen sehen darin eine
Strategie zum
Überleben.
Das Phänomen wurde erstmals vor gut 30 Jahren am Beispiel eines Banküberfalls in der schwedischen Hauptstadt beschrieben. Sein Entdecker, der
US-Psychiater Frank Ochberg, erklärt es als
Rückfall in den
Zustand eines
hilflosen Kindes, das in
jeder Hinsicht von der
Mutter abhängig ist - als "Strategie zum Überleben".
Ochberg untersuchte den Überfall auf eine Bankfiliale am 23. August 1973, der die schwedische Öffentlichkeit sechs Tage lang in Atem hielt. Der Kidnapper, ein 32-jähriger Mann, nahm vier Angestellte als Geiseln, um Geld und die Freilassung eines Häftlings zu erpressen.
Zwischen ihm und einigen Opfern entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung, eine Geisel verliebte sich sogar in ihn. Zwar heiratete sie den Kidnapper nicht, wie die Legende überliefert, doch blieb sie später eng mit ihm befreundet.
Ein Stockholm-Syndrom liegt vor, wenn die Geisel sich völlig
paradox verhält, also Hass gegenüber Polizei und Behörden empfindet, ihrem
Peiniger hingegen
Zuneigung entgegenbringt, die dieser
erwidert.
"Das Opfer ist zunächst schockiert und überfordert und besinnt sich dann auf seine grundlegenden, primitiven Instinkte", erklärt der Psychiater das Phänomen. Um das
eigene Leben zu
retten, aktiviere die Geisel zu ihrem Geiselnehmer
unbewusst Bindungssysteme wie zur Mutter.
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