Der Spiegel / 16.01.2024
Waffenhilfe für den Krieg gegen Hamas
Bundesregierung prüft Lieferung von Panzermunition an Israel
Die Ampelregierung bereitet einen brisanten Rüstungsexport vor. Nach SPIEGEL-Informationen ist man sich im Grundsatz einig, eine Lieferung von Präzisionsmunition für Panzer zu genehmigen. Einige Details sind aber noch ungeklärt.
Die Bundesregierung will Israel mit der Lieferung von Panzermunition beim Kampf gegen die Terrororganisation Hamas unterstützen. Nach SPIEGEL-Informationen haben sich die beteiligten Ressorts hinter den Kulissen bereits grundsätzlich darauf
geeinigt, eine entsprechende
Bitte der israelischen Regierung zu erfüllen.
Das Ersuchen, Nachschub für die israelischen Panzer zu liefern, war bereits im November eingegangen. Seitdem beraten Kanzleramt, Wehrressort, Außenamt und das Wirtschaftsministerium unter strenger Geheimhaltung über die Anfrage.
Israel hatte nach SPIEGEL-Informationen im November darum gebeten, dass Deutschland die Lieferung von rund
10.000 Schuss
120-Millimeter Präzisionsmunition genehmigt, die von
Rheinmetall hergestellt wird.
Israel hatte damals auch andere Partner um Hilfe gebeten, da bei der Offensive im Gazastreifen viel Munition verschossen worden war. Präsident Joe Biden hatte daraufhin Anfang Dezember unter Umgehung des Kongresses eine Lieferung von 14.000 Schuss Panzermunition für knapp 106 Millionen Dollar genehmigt. Washington sprach damals von einer Notlage Israels.
Offiziell wollte die Bundesregierung am Dienstag nicht bestätigen, dass man Israel letale Munition für Panzer liefern will. Auch die israelische Botschaft reagierte auf Fragen des SPIEGEL zur angefragten Waffenhilfe nur allgemein. »Deutschland hat sich seit dem 7. Oktober unverkennbar an die Seite Israels gestellt und seine uneingeschränkte Unterstützung bekundet«, sagte Botschafter Ron Prosor dem SPIEGEL. »Dafür dankt Israel Deutschland unter Führung von Bundeskanzler Scholz.«
Die Bundesregierung hatte nach dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober stets betont, dass die
Sicherheit Israels zur
deutschen Staatsräson gehöre.
Kanzler Scholz unterstrich, dass auch Waffenlieferungen möglich seien.
Bisher allerdings hatte Deutschland Israel vor allem Sanitätsmaterial und Schutzausrüstung geliefert. Über die Bitte, auch letale Waffen zu schicken, haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart, da Israel keine Rückschlüsse auf seine militärischen Fähigkeiten zulassen will. Nach der grundsätzlichen Einigung für eine Lieferung wird nun an der Umsetzung gearbeitet. Da die Industrie die gewünschte Präzisionsmunition offenbar nicht sofort liefern kann, wird die Option erwogen, dass die Bundeswehr zunächst Munition aus den Beständen abgibt. So könnte man der Bitte Israels zeitnah nachkommen. Die Depots der Bundeswehr könnten durch die Industrie innerhalb von sechs bis acht Monaten wieder aufgefüllt werden. Eine Einigung über den Preis für die Waffenhilfe allerdings steht offenbar noch aus.
Israel will die Lieferungen von Waffen
bezahlen. :haha:
Derzeit laufen nach SPIEGEL-Informationen aber noch Gespräche über die Vertragsdetails für die Munition aus Deutschland.
Waffenhilfe für die Ukraine soll nicht gefährdet werden
Nach der Anfrage hatte sich die Bundesregierung auf weitere Leitlinien für eine mögliche Genehmigung geeinigt. So soll sichergestellt werden, dass die Lieferung nach Israel die Waffenhilfe für die Ukraine nicht gefährdet. Zudem haben die Planer im Verteidigungsministerium stets im Blick, dass die knappen Munitionsbestände der Bundeswehr nicht zu stark ausgehöhlt werden – selbst wenn diese später aufgefüllt werden können.
Für die Bundesregierung ist schon die Prüfung politisch brisant. Zwar betonen alle Kabinettsmitglieder regelmäßig die Solidarität mit Israel und unterstreichen auch das Recht zur Selbstverteidigung gegen die Bedrohung durch die Hamas.
Gleichsam mahnte Berlin ähnlich wie die US-Regierung zuletzt immer deutlicher, Israel solle bei seiner Offensive im Gazastreifen sorgsamer agieren, zivile Opfer so gut es geht vermeiden und mehr humanitäre Hilfe für die Not leidende Bevölkerung in das abgeriegelte Gebiet lassen.
Außenministerin Annalena Baerbock und ihr Ministerkollege Robert Habeck äußerten in den vergangenen Wochen sogar leise Zweifel, ob die israelische Kriegsführung gegen die Hamas angemessen sei. »Die israelische Armee muss mehr tun, um ZivilistInnen und Zivilisten in Gaza zu schützen«, sagte Baerbock vergangene Woche bei einem Besuch in Israel. Das Land müsse Wege finden, die zivile Bevölkerung besser zu schützen, dazu brauche es eine »weniger intensive Operationsführung«, so Baerbock.
Schwieriger Spagat für die Bundesregierung
Wirtschaftsminister Habeck ließ sich bei seiner Nahostreise ähnlich ein. Bei seinen Gesprächen versuchte er, die Israelis zu überzeugen, Gaza nicht mit Bombardements aus der Luft noch weiter zu zerstören. Habeck betonte das Recht Israels, sich zu verteidigen. Danach aber mahnte er vorsichtig. »Mit der Art, wie Sie Krieg führen, entscheiden Sie, wie der Krieg endet«, sagte er bei einem Termin mit seinem israelischen Amtskollegen.
Trotz der vorsichtigen Kritik will Berlin keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass man Israel mit
allen Mitteln unterstützt. Bereits Anfang November hatte das zuständige Wirtschaftsressort mitgeteilt, dass die Genehmigungen für Rüstungsexporte seit dem Überfall der Hamas stark zugenommen hätten. Nach dem Terrorangriff würden Bitten auf Ausfuhr von deutschen Rüstungsgütern nach Israel »prioritär bearbeitet und beschieden«, von knapp 200 Anträgen war damals die Rede.
Gleichwohl würde eine Genehmigung für die Lieferung von Panzermunition eine neue Qualität markieren. Bisher hatte Berlin vor allem Anträge für sogenanntes Rüstungsmaterial positiv beschieden, darunter fallen
gepanzerte Fahrzeuge oder Schutzausrüstung für die Soldaten. Solche Lieferungen machten im Jahr 2023 den größten Anteil unter den genehmigten Lieferungen für Israel aus. Für Kriegswaffen wie die Panzermunition indes wurden nur Anträge für einen zweistelligen Millionenbetrag genehmigt, hieß es.
https://www.spiegel.de/politik/deuts...b-9bd3a5692eeb