Zitat:
Die Macht der Israel-Lobby
Eine Studie, die die Nahost-Politik der USA kritisiert, sorgt für Aufruhr
Eine altbekannte Debatte schlägt in den USA derzeit hohe Wellen: Es geht um die Kritik an der Israel-freundlichen Außenpolitik der USA, den Einfluss der jüdischen Lobby und den Vorwurf des Antisemitismus. Stein des Anstoßes ist ein Internet-Artikel zweier Professoren, Stephen Walt aus Harvard und John Mearsheimer aus Chicago, die eine heftig umstrittene Studie verfasst haben. In "Die Israel-Lobby und die US-Außenpolitik" vertreten die Wissenschaftler die These, eine israelische Lobby bestimme die amerikanische Nahost-Politik.
Die Autoren gerieten seit der Veröffentlichung so unter Beschuss, dass sie zur Zeit keine Interviews geben. Pikant ist zudem, dass der härteste Kritiker der beiden ausgerechnet aus Harvard kommt: Alan Dershowitz, Star-Anwalt, der einst O.J. Simpson verteidigte, verzichtete auf die feine Form der Diplomatie. Er sagt über die Studie: "Das ist wiederaufgewärmter Müll. Es kommt von den Hass-Seiten der Neo-Nazis, des Ku-Klux-Klans und von Hamas. Das einzig Neue, was die Autoren liefern, ist ihr Prestige. Es heißt nun: 'Der Harvard-Report', 'Der Chicago-Report' statt 'Der Neo Nazi-, Ku-Klux-Klan- oder Hamas-Report'. Das verleiht alten, unseriösen Thesen Glaubwürdigkeit."
Vorwurf des Antisemitismus
Tatsache ist: Judenhasser wie Ex-Ku-Klux-Klan-Chef David Duke zitieren seither genüsslich aus der Studie. Tatsache ist aber auch: Viele der angeführten Fakten sind unumstritten: Mit Neo-Cons wie Paul Wolfowitz oder Richard Perle gehört die Israel-Lobby mit ihrer Organisation Aipac zu den einflussreichsten Gruppen in Washington. Israel erhält jährlich 20 Prozent der US-Entwicklungshilfe, einen Wert von etwa 500 Dollar pro Einwohner, ohne die sonst üblichen Auflagen. Kein Land hat seit dem Zweiten Weltkrieg mehr Finanz- und Militärhilfe von den USA bekommen als Israel. Doch inwiefern, fragen Walt und Mearsheimer in ihrer Studie, dient die enge Verbindung zu Israel dem nationalen Interesse der USA? Diese Frage stellte auch kürzlich eine ganzseitige Anzeige in der "New York Times", geschaltet von Kritikern der amerikanischen Nahost-Politik. Hier wundert sich keiner darüber, dass sich die Autoren der Studie der Killer-Strategie gegen alle Israel-Kritiker ausgesetzt sehen: dem Vorwurf des Antisemitismus.
Karriere mit der Studie zerstört
"Keiner möchte als Antisemit beschimpft werden, das ist ein schlimmer Vorwurf ", sagt Edward Peck, Ex-US-Botschafter im Irak. "Man benutzt das deshalb als Knüppel, um Leute zum Schweigen zu bringen. Das ist alles, was man tun muss. Das kennzeichnet dich als jemanden, der Vorurteile hat und ein Fanatiker und Judenhasser ist. Diese Waffe benutzen sie ständig. Und es gibt nur wenige, die sich diesem Vorwurf aussetzen und die Konfrontation wagen. Das ist schwer, peinlich und fordert einen hohen Zoll." Und Eugene Bird vom Council for the National Interest, erklärt: "Das erste, was ich nach Lektüre der Studie gesagt habe, war: 'Ich hoffe, die haben eine Professur.' Natürlich haben sie die. Deshalb können sie nicht gefeuert werden. Aber Mearsheimer hat etwas Wichtiges gesagt: 'Ich kann nun völlig vergessen, jemals Mitglied einer Regierung zu werden, oder an der Universität weiter Karriere zu machen.'" Ist es nur Zufall, dass Außenpolitik-Koryphäen wie Walt und Mearsheimer ihre Studie nicht in den USA veröffentlichen konnten? In der London "Review of Books" landete sie dagegen auf der Titelseite.
Bestimmte Tabus dürfen nicht verletzt werden
London bot auch das bessere Umfeld für eine Israel-kritische Theaterproduktion, die in New York gerade für einen Skandal sorgte, weil sie kurzfristig aus dem Programm gestrichen wurde. Und das ausgerechnet vom "New York Theater Workshop", einer der politisch engagiertesten Bühnen des Landes. Das Stück "I am Rachel Corrie" beruht auf Aufzeichnungen einer jungen Amerikanerin, die nach Palästina ging, um als "menschlicher Schild" gegen die Zerstörung palästinensischer Häuser zu helfen. Bei einer Aktion wurde sie von einem israelischen Bagger überrollt. Seither ist Corrie das internationale Postergirl der Israel-Kritik. Doch in den USA ist sie weitgehend unbekannt. Dass sie für das New Yorker Theater derzeit zu heiß ist, empört Künstler wie Jason Grote. Der Dramatiker, selbst jüdisch, startete eine Petition gegen die Selbstzensur: "Ich glaube nicht, dass es direkte Drohungen gab, doch die sind gar nicht nötig. Jeder weiß, was passiert, wenn bestimmte Tabus verletzt werden. New York ist eigentlich progressiv. Man kann bei Themen wie Sex, Rasse oder Klasse fast alles sagen. Doch es gibt Tabus, da weiß jeder: Wenn du das Falsche sagst, landest du auf der Titelseite der 'New York Post' - und bekommst eine Menge Drohbriefe."
Der Hinweis auf eine erfolgreiche Israel-Lobby sorgt in den USA wohl vor allem deshalb für Furore, weil er mit einer Kritik an Israel gleichgesetzt wird: "Warum werden an den Unis immer nur die Palästinenser unterstützt?", fragt etwa der Harvard-Professor Alan Dershowitz. "Warum sehen die Europäer in Israel eine größere Gefahr für den Frieden als in Iran oder Nordkorea? Das ist Quatsch und hat damit zu tun, dass Israel der Jude unter den Nationen ist. Und die Welt kann sich einfach nicht abfinden mit dem Erfolg von Juden und dem Staate Israel."
Doch ist die umstrittene Studie anti-jüdisch? Die Israel-Lobby hat bei allem Kampfgetöse die entscheidende Frage der Autoren nicht beantwortet: Welchen Vorteil hat die USA von ihrer engen Verbindung zu Israel?