Reservistenverband / 07.04.2025 von Julius Vellenzer
Sicherheitspolitische Arbeit
Moldaus Weg in die EU und Russlands Gegenstrategie
Der
25. Juni 2024 stellt ein historisches Datum für Moldau dar: An diesem Tag starteten offiziell die
Beitrittsverhandlungen mit der
Europäischen Union. Ausschlaggebend für das Beitrittsgesuch war Russlands Überfall auf die Ukraine. Doch Moldau steht vor großen Herausforderungen. Zum einen sind die Parteien und Bevölkerung zwischen
pro-westlichen und
pro-russischen Kräften gespalten, wie das EU-Referendum am 20. Oktober 2024 unterstrichen hat. Zudem hat die Regierung
keine Kontrolle über die abtrünnige
Provinz Transnistrien. Die im Februar 2025 begonnenen Gesprächen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Machthaber Wladimir Putin über einen möglichen „Ukraine-Deal“ zugunsten Moskaus heizen die Verunsicherung weiter an. Wird Moldau das nächste Ziel Russlands?
Unwesentlich
kleiner als Nordrhein-Westfalen, aber eine Bevölkerung von nur etwa
3 Millionen: Die zwischen
Rumänien und der
Ukraine gelegene
Republik Moldau stellt trotz ihrer geringen Einwohnerzahl einen Vielvölkerstaat dar.
Rumänischsprachige Moldauer bilden zwar die deutliche Mehrheit (72 Prozent), es gibt aber noch bedeutsame Minderheiten wie
Ukrainer (14 Prozent),
Russen (9 Prozent) und
turksprachige Gagausen (4 Prozent). Die meisten
Ukrainer und
Russen leben in der Provinz Transnistrien.
Hierbei handelt es sich um einen
langen, schmalen Landstreifen im
Nordosten an der Grenze zur
Ukraine.
Die russische Sprache ist landesweit in den Medien und in der Öffentlichkeit verbreitet und große Teile der Bevölkerung – auch die rumänischsprachige – gelten aufgrund der Sowjethistorie als kremlfreundlich. Dies wird insbesondere in
Transnistrien ersichtlich, über das die moldauische Regierung mit Sitz in der Hauptstadt Chișinău keine Kontrolle hat.
Unabhängigkeit mit Hindernissen
Moldau war von 1940 bis 1991 eine Republik der Sowjetunion. Bereits 1990 fanden die ersten demokratischen Wahlen statt und das Land erklärte seine staatliche Souveränität. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Loslösung von der Sowjetunion nahmen die ethnischen Spannungen zu. Sowohl in der Region Transnistrien als auch unter Gagausen waren pro-sowjetische und nationalistische Separatisten stark vertreten. Beide Gebiete proklamierten sich 1990 zu eigenen Republiken. Im August 1991, wenige Monate vor der offiziellen Auflösung der Sowjetunion, erklärte Moldau seine Unabhängigkeit. Das Land wurde eine parlamentarische Republik mit instabilen politischen Verhältnissen und hoher Korruptionsrate.
Während Gagausien mithilfe von Autonomierechten Jahre später wieder eingegliedert werden konnte, brach in Transnistrien 1992 ein Krieg aus. Dank militärischer Unterstützung Russlands erlangte die Region nach einem Waffenstillstand de facto ihre Unabhängigkeit. Allerdings wird die staatliche Souveränität Transnistriens von keinem UN-Mitgliedsstaat anerkannt. International gilt die Region weiterhin als Teil Moldaus. Die Bevölkerung von rund 480.000 setzt sich vor allem aus Russen (29 Prozent), rumänischsprachigen Moldauern (29 Prozent) und Ukrainern (23 Prozent) zusammen. Mit den ebenfalls durch tatkräftige Unterstützung Russlands abtrünnigen Gebieten
Abchasien und
Südossetien in
Georgien wird Transnistrien zu den
post-sowjetischen „eingefrorenen“ Konflikten gezählt.
Transnistrien verfügt über eine eigene Regierung, Polizei und Verwaltung und stellt eigene Pässe aus. Weite Teile der Bevölkerung verfügen neben der moldauischen Staatsbürgerschaft auch über russische, ukrainische oder rumänische Pässe. Des Weiteren besitzt die Provinz eigene Streitkräfte, davon 5.000 aktive Soldaten und 16.000 Reservisten. Hinzu kommt eine russische Militärpräsenz von geschätzt 1.500 Soldaten. Die transnistrische Bevölkerung gilt als ausgesprochen kremlfreundlich und votierte 2006 mit über 97 Prozent für den Anschluss an Russland. Auf ganz Moldau bezogen ist die Bevölkerung tief gespalten zwischen „Ost“ und „West“. Dies wird vor allem anhand der Ergebnisse der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen seit der Unabhängigkeit ersichtlich.
Gefangen zwischen „Ost“ und „West“
Im Zuge der Unabhängigkeit machte sich die „Moldauische Volksfront“ für eine Vereinigung mit Rumänien stark. Hintergrund ist die gemeinsame Sprache und Geschichte beider Länder. Da bei den Wahlen 1994 jedoch pro-russische Parteien siegten, war diese Vereinigung politisch nicht umsetzbar. Vor allem Sozialisten und Kommunisten propagierten eine eigene „moldauische Identität“ und distanzierten sich von Rumänien. In der Verfassung 1994 legte Moldau schließlich politisch seine „permanente Neutralität“ fest. Folglich trat es weder der NATO noch einem Russland geführten Militärbündnis bei. Dennoch wurde 1997 eine Militärkooperation mit dem Kreml unterzeichnet, um eine Lösung im Transnistrien-Konflikt zu erreichen.
Auf den Wahlsieg
pro-westlicher Parteien 1997 folgte ein Jahr später ein
Partnerschafts- und
Kooperationsabkommen mit der EU. Doch der Wandel Moldaus zu einer Marktwirtschaft gestaltete sich äußerst schwierig. Die schwache Wirtschaftsentwicklung und hohe Arbeitslosigkeit förderten die Abwanderung. Trotz der westlichen Ausrichtung der Regierung kam es 1999 im Rahmen eines Wirtschaftsabkommens zu einer weiteren Annäherung an Russland. Hierbei versprach der Kreml innerhalb von drei Jahren alle Truppen aus Transnistrien abzuziehen. Dazu ist es jedoch nie gekommen, obwohl seit 2001 mit den Kommunisten wieder russlandfreundliche Kräfte an der Macht waren. Nachdem ein russischer Vorschlag zur Lösung des Transnistrien-Konflikts von Moldau abgelehnt wurde, folgte aus Rache 2006 ein Importstopp moldauischer Weine nach Russland. Dies traf die Wirtschaft des kleinen Landes hart.
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„Go West“ mit Handbremse?
Der Ukraine-Krieg hat dem
europäisch orientierten Lager in Moldau
Auftrieb gegeben. Die Drohungen und Desinformationen Moskaus gegen das Land haben die Debatte über das Ende der
„permanenten Neutralität“ weiter vorangetrieben. Höhepunkte der russischen Einflussnahme waren die Aufdeckung der Putschpläne 2023 und die Manipulation des EU-Referendums 2024. Trotz der widrigen Umstände und des sehr knappen Wahlausgangs wurde der Kurs in Richtung Europa bestätigt.
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