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Die Murabitun und die „Weltverschwörung des Kapitals"
Anfang der achtziger Jahre gründete der 1963 zum Islam konvertierte Schotte lan Dallas (geb. 1930) die „Murabitun World Da'wa Organisation" und nannte sich fortan Scheich Abdalqadir Murabit as-Sufi. Der Scheich steht in derTradition des Darqawi-Sufi Ordens, einer kleinen spiritualistischen Gruppe aus Marokko. Die Anhängerzahl der Murabitun ist unbekannt. Aktivitätsschwerpunkte der Bewegung sind Südafrika, Schottland, Mexiko und das spanische Granada. Hier wirkt Umar Ibrahim Vadillo, auch er wie Rieger ein Konvertit. „Amir" Vadillo ist Autor esoterischer Werke, in denen er die ökonomischen Lehren der Murabitun verbreitet. Der Scheich zog 2002 nach Kapstadt und baute dort die „Jumu'a Moschee" sowie 2004 das „Dallas College" auf. Hier unterweist er seine Anhänger gemäß den Lehren der strengen malikitischen Rechtsschule und organisiert Jahrestagungen und Konferenzen der Murabitun, an denen auch Rieger regelmäßig teilnimmt.
Der Name Murabitun kommt aus dem Arabischen. „AI-Murabitun" wird gemeinhin mit „Leute des Klosters" („rabit") oder auch mit „Grenzwächter, Turmwächter" übersetzt. Murabitun nannte man im 11.712. Jahrhundert Angehörige des Berberstammes der Al-moraviden, die nach der Eroberung Nordafrikas ins muslimische Spanien (AI-Andalus)einfielen und mit brutaler Gewalt und Sittenstrenge dem bis heute als Musterbeispiel für „Toleranz", Hochkultur und friedliches Zusammenleben von Muslimen, Christen und Juden gepriesenen „Al-Andalus" (vom 8. bis zum 11. Jahrhundert) ein jähes Ende bereiteten.10 Schon der historische Hintergrund dieser Namensgeber lässt erahnen, wesGeistes Kind der Scheich Abdalqadir Murabit a^Sufi und seine Jünger sind. Hierzu*lande ist die „Politsekte" kaum bekannt." Aber sie ist publizistisch in der Islamischen Zeitung präsent und natürlich durch die rastlose Tätigkeit des „Amir" der Bewegung in Deutschland, Abu Bakr Rieger.
In zahlreichen Büchern und Artikeln offenbart Scheich Abdalqadir Murabit as-Sufi unverblümt seine verschwörungstheoretisch-antidemokratischen Ansichten. Das für Fundamentalisten und Islamisten typische dichotomische Weltbild durchzieht sein Denken: hier die „Kufr"-Welt des „Unglaubens", dort die „wahren Gläubigen" geeint in der „umma", die einzige Hoffnung für eine Welt, die von der „Achse des Bösen", d. h. dem (jüdischen) Finanzkapital, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds beherrscht und ins Verderben geführt wird. Das Grundübel der Welt sei der Atheismus, und dieser werde letztlich von der Gesinnung des „Wuchers" hervorgerufen. Wucher aber wohne dem „monetaristischen System" inne, das der Scheich triumphierend am Boden liegen sieht. Die Demokratie charakterisiert er in einer Formel von These, Anti*these und Synthese als „Massenmord, Enteignung und Massensklaverei".12Dagegen soll eine neue Gesellschaft aufgebaut werden: „Jenseits von Arabismus, Wa-habismus und Terrorismus gehen die Murabitun einer neuen Generation von Muslimen mit gutem Beispiel voran, die entschlossen sind, eine neue Gesellschaft nach modernen Begriffen zu bauen, gegründet auf der gesellschaftlichen Sunna von Nobilität und ge*sellschaftlicher Wohlfahrt, deren Vorbild und Führung Medina ist."11 Damit hat der Scheich schon den ideologischen Kern seiner politischen Zukunftsvision bezeichnet: Medina. Sein Islam und der seiner Anhänger ist der Islam der frühen Zeit, mit der Einheit von „Staat" und Religion, mit einem religiösen Führer an der Spitze, der, in treuer Nachahmung des „Vorbilds" des Propheten, zugleich das politische Herrscher*amt (Kalifat) ausübt. Dieser Islam ist ein „ganzheitlicher", ein „totaler"; er umfasst alle Bereiche menschlicher Existenz: Individuum, Staat, Politik, Gesellschaft, Moral, Recht. Im Zentrum dieses Zukunftsgebildes steht die Moschee als spiritueller Mittelpunkt zur „Rechtleitung" der Gläubigen nach der Scharia. Daneben soll der freie „Markt" blühen, das Zentrum „sozialer Wohlfahrt". Der globale „Turbokapitalismus" wird mittels „Dschi-had gegen das wucherische Bankensystem" besiegt, das islamische Wucherverbot („riba") strikt umgesetzt, die „Zakat" (religiöse Pflichtabgabe) konsequent eingefordert und eine auf den islamischen Gold-Dinar und Silber-Dirham gegründete Währung eingeführt, die das Papiergeld entbehrlich machen und jede Finanzspekulation ausschließen soll. Man könnte über diese naive Vision einer zinsfreien Wirtschaft ä la Silvio Gesell rasch hinwegsehen, wenn dahinter nicht eine klar antipluralistische und antidemokratische Gesellschaftskonzeption aufschiene. Ausdrücklich unterstreicht einer der führenden Murabitun-Aktivisten, Abdalhaqq Bewley (auch ein Konvertit), in einem devoten Beitrag zur Glorifizierung des Scheichs, dass dieser das wahre Wesen der parlamentarischen De*mokratie als einer technokratischen und bürokratischen „Maschine" entlarvt habe und die Muslime über den wahren Charakter der „falschen Doktrin der Menschenrecht»" aufklären wolle. Denn diese Doktrin sei identisch mit der Herrschaft der Ungläubigen.14 Auch an mehr oder weniger deutlichen antisemitischen Äußerungen fehlt es beim Scheich nicht. Das Bild von dem die Welt im Würgegriff haltenden großen (Finanz-) Kapital hat ja häufig auch antisemitische Konnotationen.
So beklagt sich der Scheich über den vermeintlichen Einfluss einer „kleinen, aber stark einflussreichen Gruppe aus dem jüdischen Establishment" beim Bau der Londoner Zentralmoschee im St. Regent's Park. Bei den Bauarbeiten sei an der Qibla-Mauer (der Gebetsrichtung nach Mekka) ein riesiger Davidsstern sichtbar geworden, der, wenn auch
inzwischen entfernt, bei bestimmten Lichtverhältnissen immer noch wahrgenommen werden könne. Der Scheich kommentiert: ....
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