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Kopftuch ist Herzenssache
Mariam Haidar aus Bremen ist Ärztin im St. Josef-Stift in Delmenhorst – und trägt ein Kopftuch als Zeichen des islamischen Glaubens. Anders als bei einem evangelischen Krankenhaus in Bochum ist das in Delmenhorst kein Problem. Von Jens Gehrke
DELMENHORST. Ein Rechtsstreit zwischen einer muslimischen Krankenschwester und einem evangelischen Krankenhaus in Bochum hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Das Urteil: Die Einrichtung darf das Tragen des Kopftuches verbieten (siehe Meldung unten).
In Delmenhorst ist die Situation anders: Sowohl das städtische Klinikum als auch das katholische St. Josef-Stift erlauben das Tragen von Kopftüchern. Eine der Mitarbeiterinnen, die das Recht in Anspruch nimmt, ist die 27-jährige Assistenzärztin Mariam Haidar, die in der Gynäkologie (Frauenheilkunde) am St. Josef-Stift tätig ist. Die gebürtige Libanesin Haidar ist am 1. Oktober genau ein Jahr im St. Josef-Stift tätig und das Kopftuch ist für Kollegen und Patienten längst Alltag. „Manche Patienten gucken vielleicht erst einmal, weil es etwas anderes ist, als man kennt“, sagt die 27-jährige Haidar. Einige würden auch interessiert fragen.
Schlechte Erfahrungen habe sie im St. Josef-Stift bislang noch nicht gemacht. Ihre anfängliche Sorge, das Kopftuch könnte Vorurteile auslösen, bestätigte sich nicht. Sowohl innerhalb des Kollegenkreises als auch bei den Patienten sei die Unterstützung groß. Sie sei mit Menschen aller Kulturen und Glaubensrichtungen in Kontakt, habe inzwischen schon zahlreiche Geburten begleitet. Natürlich kennt auch sie die Vorurteile: Dass sich beispielsweise Patienten eingeschüchtert fühlen. „Es gibt viele Vorurteile, ich selber kann sie aber nicht nachvollziehen“, so Haidar.
Thomas Breidenbach, Geschäftsführer des St. Josef-Stifts, verweist auf das interne Leitbild der Einrichtung. Dort ist festgelegt, dass bei der Behandlung von Patienten die Religion keine Rolle spielt. „Wir haben uns Gedanken gemacht und sind zu dem Schluss gekommen, dass dieser Grundsatz auch für alle Menschen gelten soll, die bei uns arbeiten“, sagt Breidenbach. Das Krankenhaus sei weltoffen, es gebe Kollegen unter anderem aus China, USA und Polen.
Auch Mandy Lange, Sprecherin des städtischen Klinikums in Delmenhorst, betont, dass die Qualifikation und nicht die religiöse Ausrichtung entscheidend sei. Auch dort arbeiteten Ärztinnen mit Kopftüchern.
Wer als Arbeitgeber das Tragen des Kopftuches ablehne, verpasse eine Chance auf gut qualifizierte Bewerber, findet auch Mariam Haidar.
Die Assistenzärztin trägt seit sechs Jahren ein Kopftuch. Sie entschied sich während des Studiums an der Medizinischen Hochschule Hannover dafür. Ihr praktisches Jahr, der letzte Abschnitt im Medizinstudium, absolvierte die Bremerin bereits mit Kopftuch an einem christlichen Krankenhaus. Dort machte sie gute Erfahrungen. Nach dem Studium bewarb sie sich direkt initiativ beim St. Josef-Stift. Sie weiß, dass ein Kopftuch auch in anderen Berufen zu Konflikten führen kann.
Eine Freundin darf zwar als Referendarin an einer Bremerhavener Schule ein Kopftuch tragen. Doch auch dieses Recht besteht erst seit einem Urteil im Jahr 2008. Ähnlich kontrovers ist es bei der Schwester, die als Friseurin arbeitet. Für Mariam Haidar steht aber auch fest, dass sie ihren Prinzipien treu bleibt. Eine Arbeit ohne Kopftuch käme nicht infrage.