Abstimmung eines deutschen Atomwaffeneinsatzes im Rahmen der nuklearen Teilhabe
Im rheinland-pfälzischen Büchel lagern laut der Einschätzung von Fachleuten etwa 20 US-amerikanische Atombomben. Diese sollen im Kriegsfall von deutschen Piloten ins Ziel geflogen werden. Doch wie sähe die
Befehlskette hierzu konkret aus und welches
Mitspracherecht hat die
Bundesregierung im Rahmen der
nuklearen Teilhabe? Welche Einflussmöglichkeiten hat der Bundeskanzler darauf? Die folgenden Ausführungen geben Aufschluss über diese
zentralen Aspekte im Hinblick auf die Abstimmung eines Atombombeneinsatzes aus
Deutschland.
1. Eine Analyse von Oberst a.D. Wolfgang Richter Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP)
NATO, US-Präsident und
Bundesregierung in der nuklearen Teilhabe
Verbände der
Bundeswehr können im
Verteidigungsfall multinationalen NATO-Hauptquartieren für die operative Führung
unterstellt werden. Aufgaben, potenzielle Einsatzräume und Einsatzbeschränkungen
(caveats, rules of engagement) alliierter Truppen werden
vorab geplant.
Es handelt es sich um bündnisgemeinsame Operationen, denen Deutschland im Vorfeld
zugestimmt hat und an denen deutsche Verantwortliche
mitwirken. In den multinationalen NATO-Stäben arbeiten auch deutsche Offiziere.
Truppendienstlich bleiben deutsche Verbände nationalen deutschen Kommandobehörden
unterstellt.
Im Rahmen der nuklearen Teilhabe könnten deutsche Tornado-Kampfflugzeuge für einen alliierten Einsatz von US-Kernwaffen verwendet werden, wenn der
NATO-Rat (North Atlantic Council, NAC) einen
Atomwaffeneinsatz durch Alliierte im Konsens
gefordert bzw.
gebilligt hat und wenn der
Präsident der
USA Atomwaffen für diesen Zweck
freigibt.
Der deutsche Vertreter kann im NAC ein Veto einlegen. Doch wäre es unrealistisch anzunehmen, dass der US-Präsident Atomwaffen für deutsche Verbände freigeben würde, ohne dass vorher intensive bilaterale Konsultationen stattgefunden hätten.
Die Rolle des Kanzlers bei einer deutschen Beteiligung an Atomwaffeneinsätzen
Da es sich um eine
existentielle Entscheidung handelt, würde ein
nationaler Abstimmungsprozess vorausgehen. Deutschen militärischen Führungsstäben, dem Generalinspekteur, dem Bundessicherheitsrat und der
Kanzler, die im
Verteidigungsfall die
Inhaber der
Befehls- und
Kommandogewalt über
alle Verbände der Bundeswehr ist, käme eine
entscheidende Bedeutung zu.
Sie kann ihren Einfluss nicht nur über den deutschen Vertreter im NAC geltend machen, sondern ggf. auch unmittelbar auf deutsche Verbände zugreifen, die ihr truppendienstlich unterstellt sind. So könnte sie beispielsweise die NATO-Unterstellung
beenden oder mit Auflagen
beschweren.
Letzteres trifft auf eine deutsche Beteiligung an Atomeinsätzen in besonderem Maße zu. Der Präsident der USA hat
kein Durchgriffsrecht auf deutsche Verbände. Für nationale US-Entscheidungen wäre er allerdings nicht auf sie angewiesen.
Überlegungen zu
Verfahrensfragen für den Fall alliierter Atomwaffeneinsätze sollten nicht den Blick dafür verstellen, dass es sich hierbei
weniger um
operative Fragen handelt als um die
Glaubwürdigkeit eines
politischen Konzepts, das der
Abschreckung und somit der
Kriegsverhinderung dient.
Die
nukleare Teilhabe soll demonstrieren, dass die Alliierten
bereit sind, Lasten und Risiken der Abschreckung zu teilen.
2. Moritz Kütt Institut für Friedenforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) zu Vetomöglichkeiten Deutschlands beim Einsatz von Atomwaffen
Ein Einsatz der in Deutschland stationierten Kernwaffen mit deutschen Flugzeugen kann nur bei
beidseitiger Zustimmung der USA und Deutschlands erfolgen. Das
System zur
Kontrolle des
Waffeneinsatzes wird oft als
„Zweischlüsselsystem“ oder „Zwei-
Schlüsselvereinbarung“ bezeichnet. Diese
Bezeichnung ist jedoch
irreführend – es gibt dabei
keine physischen Sicherungssysteme, auf die beide Staaten Zugriff hätten. Weiterhin haben auch beide Staaten unterschiedliche Handlungsspielräume.
Bis zu einem
Einsatz befinden sich die Waffen unter
US Kontrolle. Für einen
Einsatz müssen die Waffen durch den US Präsidenten
freigegeben werden, dieser Befehl wird über entsprechende
Kommandostrukturen bis nach Büchel
weitergegeben.
Die Waffen selbst besitzen darüber hinaus noch die
„Permissive Action Links“, die einen
unbefugten Zugriff durch
technische Mittel sicherstellen sollen.
Nach
amerikanischer Freigabe werden die Waffen mit den Trägersystemen zusammengebracht. Deutsche Piloten im Einsatz unterstehen immer dem Bundeskanzler als Oberbefehlshaber, durch den ein entsprechender
Abwurfbefehl ergehen müsste. Deutschland hat damit
prinzipiell die Möglichkeit, einen
Einsatz der Waffen zu
verhindern – etwa indem
kein Startbefehl erteilt wird.
Deutschland hat
keine Möglichkeit zur
eigenen Initiative für einen Einsatz, hier ist immer die
Zustimmung der USA erforderlich. Dagegen könnten die USA die in Büchel stationierten Waffen auch mit eigenen Flugzeugen
„abholen“ und
völlig unabhängig von deutscher Beteiligung
einsetzen.
Deutschland könnte dies nur über eine
Verweigerung von Starts und Landungen amerikanischer Kräfte in Büchel verhindern.
(Aus: „Kernwaffen in Deutschland“. Studie im Auftrag von Greenpeace Deutschland 2020 Hervorhebungen im Text durch Greenpeace)
3. Befehlskette – Einsatz von US-Atombomben durch deutsche Piloten und Flugzeuge
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Über den
Einsatz von
US-Atomwaffen entscheidet letztendlich der
US-Präsident. In längerer Krise wird wahrscheinlich der
Nordatlantikrat über den
Einsatz taktischer Kernwaffen entscheiden. Bei Planungen, welche den
Einsatz von
US-Bomben in
Europa (in Deutschland: Büchel) betreffen, konsultiert der
US-Präsident die
Alliierten.
https://greenwire.greenpeace.de/syst...91_Frieden.pdf