Ein Kommentar des russischen Politologen und Journalistn Waleri Pjakin. Vielleicht hilfreich dabei die russische Sichtweise zu verstehen.
Lipp: „Putin hat vor ein paar Tagen gesagt: «Wir haben noch nicht einmal angefangen. Was wir bisher getan haben, war noch gar nichts.» Warum handelt man denn nicht schneller, um den Donbass zu schützen?“
Pyakin: „[…] Das, was jetzt in der Ukraine geschieht, ist ein Krieg, den der kollektive Westen gegen Russland auf dem Territorium der Ukraine, einem Teil Russlands führt, indem er sich der Ukrainer bedient. Zu diesem Zweck wurde in der Ukraine ein spezielles Terroristen-Regime geschaffen. Und als Putin sagte, dass «wir noch gar nicht richtig angefangen haben», hatte er absolut Recht, weil es jetzt [lediglich] um lokale Kampfhandlungen geht.
Nach dem Plan des Westens sollten diese Aktionen so ablaufen: Auf einem schmalen Streifen ukrainischen Landes im Donbass, wo sie in acht Jahren viele Befestigungsanlagen errichtet haben, sollten wir die Verteidigung frontal durchbrechen, und dann zurückgeschlagen werden. Es geht um sehr viel Blut, um sehr hohe Verluste, um sehr große Zerstörung. Und dementsprechend haben wir verstanden, in welche Art von Falle wir gelockt werden sollen.
Wie Putin sagte: «Wenn man kapiert, dass der Kampf unvermeidlich ist, muss man zuerst zuschlagen.» Und wir haben zuerst zugeschlagen, und zwar mit einer sehr begrenzten Anzahl von Truppen. Aktuell sind nicht mehr als 18 % der Armee an der Spezialoperation beteiligt. Das ist kein Krieg, das ist eine Spezialoperation.
[…] Die Aufgabe des Westens ist es, uns mit allen Mitteln dort hineinzuziehen, damit wir die Bandera-Zuchtstation nicht ausräumen [können] […]
Die Quintessenz ist folgende: Warum haben wir noch nicht richtig angefangen? Weil im Moment nur eine lokale Spezialoperation im Gange ist, und unsere Armee ist so verteilt, dass es keinen plötzlichen Angriff auf uns geben kann. Schauen Sie sich doch die mächtige Gruppierung im Baltikum an, die beiden mächtigen Gruppen polnischer Truppen, die gegen Weißrussland zusammengezogen wurden – das sind Angriffe, die sie da planen.
Sie müssen uns so weit wie möglich in den Krieg in der Ukraine hineinziehen, gerade um hier unsere menschlichen Ressourcen zu zermalmen. Und wenn wir alle unsere Truppen hier konzentrieren, wenn wir alle Kraft in den Krieg in der Ukraine stecken, dann werden sie aus anderen Richtungen zuschlagen. Das ist alles so durchschaubar.
Aber das gelingt ihnen im Moment nicht. Warum? Weil die umfassenden Angriffe [bereits am Beginn der Militäroperation] durchgeführt wurden und jetzt wird die «kleine-Kessel»-Taktik durchgeführt. Jetzt passiert im Wesentlichen das, worüber schon zu Stalins Zeiten gesprochen wurde: «Krieg mit wenig Blutvergießen auf fremdem Territorium». Schließlich sind die Verluste der russischen Armee nicht mit denen der Ukranazis vergleichbar, deren Verluste sind bedeutend größer. Das heißt, wir kämpfen nach dem russischen Prinzip «Qualität vor Quantität».
Die Aufgabe des Westens ist es, unsere gesamte Armee dort hineinzuziehen. Deshalb schlagen sie dort zu, wo es am meisten weh tut. Sie haben hier sehr starke Befestigungen. Und deshalb gehen sie gegen die Zivilbevölkerung vor, um uns zu zwingen, frontal vorzugehen und viel Blut zu vergießen, um uns zu provozieren.
[…] Wir sollten dort einmarschieren und uns an diesen vorbereiteten Befestigungen aufreiben, ähnlich wie im Ersten Weltkrieg … Man kann Remarques «Im Westen nichts Neues» lesen. Erinnern Sie sich an die Belagerung von Verdun oder an die Schlacht an der Somme? Alles spielt sich in Schützengräben ab, es werden Ressourcen vernichtet und Menschen sterben, aber im Rest der Welt scheint alles normal zu sein.
Und so sah der Plan es vor, genauso vorzugehen: Es sollte eine Bandera-Zuchtstation in der Westukraine geben, der Krieg würde in der Ostukraine ausgetragen und die gesamte russische Armee würde in den Krieg hineingezogen. Wenn das staatliche Potenzial Russlands zur Neige gehen würde und die inneren Spannungen an ihre Grenzen stoßen würden, dann hätten wir hier eine «Farbrevolution», einen Maidan, alles würde plattgemacht. Russland als Staat würde aufhören zu existieren und an seiner Stelle gäbe es vereinzelte Staaten. Im Senat der Vereinigten Staaten wurde erst kürzlich eine Karte der zukünftigen Zerstückelung Russlands gezeigt.
Das heißt, es ist noch nichts passiert, aber sie müssen ja vorwärts kommen, und sie müssen ihre Pläne verkünden, zu welchem Zweck sie diesen Krieg entfesselt haben.
Aber Russland ist standhaft geblieben. Und es hat in erster Linie überlebt, weil Putin die Wirtschaft in den vergangenen Jahren etwas anders aufgestellt hat….“
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