Werter Daggu, einen "grünen Punkt" kann ich gerade nicht vergeben, aber Du hast Dir eine etwas ausfühlicher Antwort verdient.
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin ein wenig beeindruckt. Selten habe ich so versöhnliche - ich bin fast versucht die abgegriffene Vokabel "weise" zu benutzen - Worte in diesem Forum gelesen. Deine Überzeugungen ehren Dich, Deinen Standpunkt kann ich einschränkungslos akzeptieren.
Auch die Nationalsozialisten - also die historischen - waren ganz gewiss keine Heiligen. Im Gegenteil wurde damals sehr viel, zum Teil dramatischer, Unfug getrieben (ich schrieb bereits vor Jahren immer wieder, dass eine bloße Kopie des Dritten Reiches nicht wünschenswert ist). Wäre dem nicht so gewesen, so wäre die Weltgeschichte wohl anders verlaufen und auch das allgemeine welthistorische Urteil über diese Weltanschauung fiele vermutlich anders aus. Und damit meine ich nicht nur militärische Fehler, sondern auch politische, vor allem außenpolitische, und ganz grundsätzliche Fehleinschätzungen bezüglich der Qualität des deutschen und der Qualität anderer Völker.
Im Gegensatz zum Kommunismus, dessen Machtfülle und Existenzdauer meiner Ansicht nach hinreichend waren um den Nachweis zu führen, dass diese Ideologie in der praktischen Umsetzung ihrer Ziele auf der ganzen Linie versagt hat und nicht einmal ansatzweise das erreichen konnte was ihre Apologeten so eifrig predigten, hat der Nationalsozialismus nur sechs spärliche Jahre des Friedens Zeit gehabt. Das ist, das wirst auch Du zugeben, eine sehr kurze Zeit umd auch nur einen Bruchteil dessen was man ursprünglich wollte umsetzen zu können.
Hinzu kommt für mich Folgendes: Bereits mit der "Nacht der langen Messer" anno 1934 haben sich auch zahlreiche führende Nationalsozialisten von vielen eigentlich grundlegend wichtigen Idealen und Zielen verabschiedet, im Sinne einer pragmatischen Machtpolitik, die auch ich nicht in allen Bereichen gutheißen kann und will. Nobody is perfect.
Was der Zweite Weltkrieg dann an dramatischen und zerstörerischen Akten mit sich brachte muss aus einer anderen Perspektive beurteilt werden als die Politik in Friedenszeiten. In dieser extremen Ausnahmsituation haben alle Kriegsparteien, im Sinne einer Humanitas wie Du sie verstehst, und wie sie auch mir nicht fremd ist, schwerste Schuld auf sich geladen. Es wird hier aber immer und grundsätzlich mit zweierlei Maß gemessen, bzw die Verbrechen der einen Seite werden in unerhörtem Maße aufgebauscht, die der anderen Seite ignoriert, a posteriori mit Generalabsolution belegt oder schlichtweg totgeschwiegen.
"Revisionistische" Historiker bemühen sich seit Jahrzehnten das Geschichtsbild geradezurücken. dabei schütten aber auch sie oftmals das Kind mit dem Bade aus. Die Wehrmacht war keine umherziehende Kasperletruppe, die die Kinder Europas mit ihren lustigen Kapriolen unterhielt, die SS war kein harmloser Hühnerzüchterverein und die Konzentrationslager waren keine Sommerfrische. Und ja, das Deutsche Reich hatte in diesem Krieg eigene Interessen, zumindest entwickelten sich diese im Verlauf des Krieges und wurden auch durchaus artikuliert. Es wäre auch eine armselige Vorstellung gewesen immer nur der Reagierende zu sein.
Beide Seiten, diejenigen, die der offiziellen Lesart blind folgen ebenso wie die, die alle revisionistischen Neuinterpretationen aufsaugen wie ein trockener Schwamm, sind oft so verhärtet, verkarstet in ihren Denkmustern, dass sie am liebsten mit blanker Waffe aufeinander losgehen würden. Ergebnisoffene Auseinandersetzungen, von wechselseitigem Respekt und grundsätzlicher Anerkennung des Rechts des Diskussionspartners auf eine andere Meinung getragen, finden so gut wie nie statt.
Was Wunder? Eine vernünftige Herangehensweise an diesen ganzen Themenkomplex ist durch den propagandistischen Siedepunkt den diese ganze Debatte mittlerweile erreicht hat, und vor allem durch ihre immensen Implikationen, fast nicht möglich. Es gibt für jeden von uns fast nur zwei extreme, einander ausschließende Möglichkeiten: man wird zum bedingunslosen Apologeten des NS, oder zum bedingunslosen Feind, beiden Seiten fehlt jeglicher Wille zu Differenzieren.
Insofern bin ich überrascht und erfreut, hier im Forum immer wieder auf Menschen zu treffen, die auch bei diesem hochbrisanten Thema durchaus in der Lage sind in komplexeren Mustern zu denken als in simplen Schwarz-Weiß-Schemata. Die wenigsten bringen dies allerdings auf eine so offene, sympathische und zum Nachdenken anregende Art und Weise zum Ausdruck wie Du. Ich in den meisten Fällen sowieso nicht, dazu habe ich viel zu viel Spaß an der puren Provokation.




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, du bist schon ein Fuchs.



