Da bisher die Vertreter der Präventivschlagthese vor allem Deutsche (Prof. Werner Maser, Dr. Joachim Hoffmann, Dr. Walter Post, Dr. Heinz Magenheimer) und mit Viktor Suworow ein zu Sowjetzeiten in den Westen übergelaufener Russe waren, könnte man bei den Deutschen das Motiv unterstellen, die Schuld des Deutschen Reiches kleinreden zu wollen und bei Suworow den Drang nach »Abrechnung« mit dem verhassten Sowjetsystem. In Russland findet im Gegensatz zu Deutschland ein freier wissenschaftlicher Dialog zu diesem Thema statt, und was bei uns als Außenseitermeinung diskriminiert wird, hat sich in der russischen Historikerzunft längst durchgesetzt.
Gleich neun russische Historiker unterstützen die zentrale These Suworows:
»Es ist wahr, Stalin plante im Sommer 1941 einen Angriffskrieg gegen den Westen, in dessen Verlauf er zunächst ganz Europa besetzen wollte, um von dieser Bastion aus die Weltrevolution durchzusetzen.«
Entsprechend der rücksichtslosen innenpolitischen Kampfparole der KPD „Schlagt die Faschisten, wo Ihr sie trefft“, sind auch die außenpolitischen Konzeptionen der Sowjetunion von Anbeginn auf Angriff und Vernichtung der „Faschisten“ ausgerichtet gewesen. Während die Kommunisten einerseits vorgaben, die völkerrechtlichen Grundsätze des Selbstbestimmungsrechtes der Völker – eines Rechtes auf Selbstbestimmung! – anzuerkennen, hielten sie sich angesichts des innenpolitischen Umschwunges im Reich für berechtigt, mit bewaffneter Macht über Deutschland herzufallen.
Für den Kommunisten gibt es keine völkerrechtlich verbindliche Rechtsordnung. Auf die Satzungen des Völkerrechtes pflegen sich die Kommunisten nur dann zu berufen, wenn es ihnen aus taktischen Gründen nützlich erscheint. Die Außenpolitik der Sowjetunion wurde von ideologischen Grundsätzen bestimmt, die nicht auf der Respektierung allgemein verbindlicher Rechtsbegriffe, völkerrechtlicher Normen oder geschlossener Verträge beruhen, sondern allein dem Endziel der Weltherrschaft dienen.
Die Leitsätze Lenins waren maßgebend:
„Kein einziger Marxist kann, ohne mit den Grundsätzen des Marxismus und des Sozialismus überhaupt zu brechen, bestreiten, dass die Interessen des Sozialismus höher stehen als die Interessen des Selbstbestimmungsrechtes der Völker.“
„Kommt es nicht von selbst zum Krieg, so muss dieser angestiftet werden. Wenn wir gezwungen sind, solche Lumpen wie die kapitalistischen Diebe zu dulden, von denen jeder das Messer gegen uns wetzt, so ist es unsere direkte Pflicht, diese Messer gegeneinander zu richten.“
„Keine Macht der Welt kann den Weg von der kommunistischen Weltrevolution zur sowjetischen Weltrepublik aufhalten.“ (W. I. Lenin „Ausgewählte Werke“ Bd. II S. 310.)
Da Deutschland einer der wichtigsten Steine im sowjetischen Weltrevolutions-Schema war, der „Faschismus“ oder gar „Hitler-Faschismus“ aber im Wege stand und aus diesem Grund zum schlimmsten Feind erklärt worden ist („Faschismus = die terroristischste Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, imperialistischsten Elemente des Finanzkapitals“ erläutert die Sowjet-Enzyklopädie), liegen Ausrichtung und Absicht der sowjetischen Außenpolitik in den Jahren 1933 – 1939 – 1941 gegenüber dem Deutschen Reich historisch eindeutig fest. Nur ihre damalige militärische Schwäche hat die Sowjetunion daran gehindert, über Deutschland herzufallen.
Seit 1918 haben die Bolschewisten unablässig und mit allen ihnen verfügbaren Mitteln nach der Eroberung Deutschlands gestrebt – zu einer Zeit, als Hitler überhaupt noch nicht politisch tätig war und Deutschland außenpolitisch, wirtschaftlich und militärisch durch das Versailler Diktat im ohnmächtigen Zustand gehalten wurde. Dieses Weltrevolutionsziel haben sich die Kommunisten nicht etwa gesteckt, um eine Invasion Deutschlands auf Russland abzuwehren. War es doch nicht gegen die „barbarischen, raubgierigen Völker“ oder auf nationale Gesichtspunkte ausgerichtet, sondern auf weltweite Eroberung – und zwar mit allen Mitteln der Gewalt...
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