Die Erzeugung und Verteilung von Elektrizität gehorcht den marktwirtschaftlichen Gesetzen besonders deshalb nicht, weil jedes Elektrizitätswerk in seinem Verteilungsbereich ein Monopol besitzt. [] In dieser Situation und bei der ausgesprochenen Notlage des ganzen Volkes hinsichtlich der Sicherung des steigenden Verbrauchs elektrischer Energie kann die Errichtung von Elektrizitätswerken auf der Basis von Kernenergie für die öffentliche Stromversorgung nicht der privaten Hand oder gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften überlassen werden, die auf diese Weise ihre Hausmachtstellung und ihre Einflußnahme auf Wirtschaft und Politik unangemessen verstärken würden. Kernelektrizitätswerke sind daher von der öffentlichen Hand zu errichten, soweit nicht einzelne Industrieunternehmungen für ihren Eigenbedarf sich Kernelektrizitätsanlagen schaffen wollen, die - von Ausgleichsmaßnahmen abgesehen - öffentliche Netze nicht bedienen. [] Die Erfordernisse der Forschung [] Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands betrachtet es als ein Verhängnis, daß die Bundesregierung die Schlüsselstellung der wissenschaftlichen Forschung für das Schicksal des deutschen Volkes nicht erkannt hat. Das Bundeswirtschaftsministerium hat sogar Jahre hindurch eine intensive Förderung der Forschung als Staatsdirigismus abgelehnt. Die Sozialdemokratie ist sich der Wichtigkeit der Forschung auf allen Gebieten der Geisteswissenschaften, der Naturwissenschaften, der Medizin und der Technik für das kulturelle und wirtschaftliche Leben bewußt. Sie verlangt, daß die Atomforschung mit größtem Nachdruck betrieben wird, doch darf dies unter keinen Umständen die zahlreichen anderen Zweige der deutschen Forschung benachteiligen. Die Kernforschung in der Industrie sollte ermutigt werden. [] Bundestag und Bundesregierung müssen also in weit höherem Maße als bisher Mittel für die Forschung bereitstellen. Dabei ist die Freiheit von Wissenschaft und Forschung voll zu wahren. [] Bei der Förderung der Forschung auf dem Atomgebiet ist besonders darauf zu achten, daß gleichzeitig alle Gebiete dieser Wissenschaft ohne Benachteiligung des einen oder anderen Teiles gefördert werden. Es müssen also nebeneinander - wenn auch unterschiedlich hinsichtlich des benötigten Aufwandes - vorangetrieben werden: die Grundlagenwissenschaften der Kernphysik und Kernchemie, die Wissenschaft auf dem Gebiet von Mutung und Bergbau, die Forschung auf dem Gebiete der Isotopentrennung, der Reaktortechnik, der Baustoffe für Kernanlagen und Kernmaschinen, die gesamte Isotopenforschung einschließlich der Anwendung der Isotope in der Landwirtschaft und der Biologie sowie die gesamte Medizin in ihrer Verbindung zum Atomgebiet. Das Forschungsgebiet der Fusion des Wasserstoffs zu Helium sollte besonders gefördert werden. [] Die Kosten der Forschung sind in angemessener Weise von Bund und Ländern gemeinsam aufzubringen. Die notwendige Koordinierung der einschlägigen -Aufgaben von Bund und Ländern ist durch ständige Zusammenarbeit zu sichern. [] Die Erfordernisse der Ausbildung [] Die Ausbildung des Nachwuchses, der wissenschaftlichen Mitarbeiter, der Ingenieure, der Techniker und Laboranten und aller Arbeitskräfte in Arbeits- und Forschungsstätten, die mit Kernstoffen zu tun haben, muß von Staats wegen in die Hand genommen werden. Auf die neu einzurichtenden Lehrstühle an Universitäten und Technischen Hochschulen müssen gut ausgebildete und bewährte junge Forscher neben denjenigen, die jetzt als die Träger der wissenschaftlichen Tradition gelten, berufen werden. Es ist weiter nötig, außerordentliche Lehrstühle zu schaffen, um alle Haupt- und Sondergebiete der Atomwissenschaft in ausreichendem Maße aufbauen zu können und neben den Forschungsarbeiten auch den Lehrbetrieb zu sichern. [] Es ist notwendig, daß in allen akademischen Forschungs- und Lehrstätten in ausreichendem Maße feste Stellen für Oberingenieure und Oberassistenten geschaffen werden. Daneben sind die normalen Assistentenstellen ausreichend zu vermehren; Studenten, Diplomkandidaten und Doktoranden sind in ganz anderem Maße als bisher finanzielle Unterstützungen zur Verfügung zu stellen, damit die unfruchtbare Zeit- und Kraftverschwendung für Nebentätigkeit als Werkstudenten entfällt und die Kräfte des Nachwuchses außer der Erhaltung von Gesundheit und allgemeiner Fortbildung ausschließlich auf die wissenschaftliche Ausbildung gelenkt werden können. Jeder Begabte muß auf diese finanziellen Mittel Anspruch haben, die nicht den Charakter von Almosen haben dürfen. Die öffentlichen Forschungs- und Ausbildungsstätten sind mit hinreichend gut bezahltem Personal in ausreichender Zahl zu versehen. [] Das Studium aller Fächer der Atomtechnik an den Ingenieurschulen ist besonders zu fördern. Neue Abteilungen und Dozenten sind in ausreichender Zahl vorzusehen, ausgestattet mit den erforderlichen Laboratoriumseinrichtungen. Der Übergang von den genannten Schulen zu den Universitäten und Hochschulen ist zu fördern und zu erleichtern. Auch die Ausbildung von Technikern und Laboranten, von Meistern und Facharbeitern ist an geeigneten Instituten und in Sonderkursen zu fördern. [] Schülern der Volksschule, der Realschule und der höheren Schule, die sich besonders für Mathematik und Physik interessieren, ist jede Förderung angedeihen zu lassen, nicht nur durch Schulgelderlaß, sondern auch durch Stipendien und die Förderung der Ablegung der notwendigen Examen durch Sonderkurse nach Art der Abendgymnasien. [] Es ist eine besondere Stiftung als "Albert-Einstein-Stiftung" zu errichten, deren Aufgabe es sein soll, denjenigen, die nicht den normalen Ausbildungs- und Studienweg haben, den Zugang zu den Gebieten der Atomwissenschaft zu ermöglichen. Die Stiftung wird nach besonderen Grundsätzen, die mit den deutschen Kultusministern zu vereinbaren sind, eine Sonderreifeprüfung abnehmen. Die Anwärter auf diese Reifeprüfung können schon während ihrer Vorbereitungszeit durch Stipendien unterstützt werden. Nach bestandener Prüfung erhalten sie bei guten weiteren Leistungen Stipendien in solcher Höhe, daß sie die Ziele, die sie sich selbst stecken, bis hin zum Erreichen einer selbständigen wissenschaftlichen Stellung tatsächlich erreichen können. [] Internationale Zusammenarbeit [] Die Sozialdemokratie ist ihren Grundsätzen nach zur Förderung der Zusammenarbeit des eigenen Volkes mit allen anderen Völkern verpflichtet, soweit eine solche Zusammenarbeit dem Frieden und dem Wohlergehen der Völker dient. Diese Grundsätze gelten für sie selbstverständlich auch auf dem Gebiete der Atomforschung, der Kernenergie und ihrer Nutzanwendungen. [] Die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ergibt sich aus gewissen gemeinsamen Aufgaben und Bedürfnissen einzelner Gruppen oder der Gesamtheit der Völker. Sie muß es den einzelnen Nationen gestatten, jede für sich die Entwicklung in dem Maße zu fördern, in dem sie bereit ist, für Forschung, Entwicklung und Nutzanwendung der neuen Kraftquelle Opfer zu bringen. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands begrüßt jede zwischenstaatliche oder übernationale Abmachung, die Herstellung und Anwendung von Atomwaffen verbietet. [] Die internationale Zusammenarbeit ist über den offiziellen staatlichen Rahmen hinaus eine besondere Verpflichtung der sozialistischen Parteien und solcher Organisationen, die auf anderen Gebieten internationale Zusammenarbeit pflegen. Hierbei ist in erster Linie an die Gewerkschaftsbewegung zu denken. Ein besonderes Ziel gemeinsamen Wirkens der Gewerkschaften und der sozialistischen Parteien muß es sein, den unterentwickelten Völkern zu helfen, so schnell wie möglich eine eigene ausreichende Energiebasis mit Hilfe der Kernenergie zu schaffen. [] Für eine bessere Zukunft der Menschheit [] Der krasse Unterschied zwischen reichen und armen Nationen, zwischen den herrschenden und den unterdrückten Völkern, wurde in den vergangenen 150 Jahren mit begründet durch die Energiegrundlagen, die die führenden Industrienationen in ihren Kohlenschätzen besaßen und die das Aufblühen der Wirtschaft und damit der naturwissenschaftlichen und technischen Leistungskräfte ermöglichten. Die unerschöpflichen Energiequellen des neuen Zeitalters können entscheidend dazu beitragen, den Abstand zwischen den unterentwickelten und den entwickelten Industriestaaten zu verringern.
Die Atomenergie kann zu einem Segen für Hunderte von Millionen Menschen werden, die noch im Schatten leben. Deutschland muß in der Hilfe für diese Völker mitwirken, aber auch die Lebensmöglichkeiten des eigenen Volkes verbessern. Bei formal gegebenem Achtstundentag erschöpft sich ein großer Teil der tätigen Bevölkerung in Überarbeit, um eine einigermaßen menschenwürdige Lebenshaltung für die Familie und die Ausbildung der Kinder zu sichern. [] Wenn ein künftiger Bundestag und eine künftige Bundesregierung Wissenschaft und Forschung stärker fördern und energischer am Aufbau der neuen Zeit und der ihr gemäßen Gesellschaftsordnung mitwirken, dann kann die Steigerung des Lebensstandards für das ganze Volk entscheidend beschleunigt werden. [] Die Hebung des Wohlstandes, die von der neuen Energiequelle als einem der Hauptfaktoren der Zweiten Industriellen Revolution ausgehen kann, muß allen Menschen zugute kommen.