Die Partitur der Patrioten
Dienstag, 23.12.2014, 18:21 · von FOCUS-Autor Anant Agarwala

Pegida: Seit Wochen demonstrieren in Dresden Tausende Menschen gegen die Islamisierung Deutschlands. Bundesinnenminister Thomas de Maizière schimpft sie eine "Unverschämtheit", sie skandieren "Wir sind das Volk". Wer sind sie wirklich? Eine Reportage aus der Mitte der Bewegung
Die Stunde der Patrioten beginnt um halb si eben. Skatepark, Dresdner Innenstadt. Ein Generator rattert unermüdlich, als trüge er brummend die immer selbe Botschaft vor. Halogenlicht erleuchtet einen viel zu kleinen Bühnenwagen für diese große Menge, die auf ihn starrt, als stünde dort einer, der vor Weihnachten die Verheißung verkündet. In der Mitte des Wagens steht Lutz Bachmann. Wie schon in den Wochen zuvor spricht er zu Weißhaarigen, die ihre Köpfe unter Fellmützen wärmen, er spricht zu Jack-Wolfskin-Funktionsjackenträgern, die „Freiheit statt Islamismus“ fordern. In der Menge, das wird sich später noch herausstellen, finden sich auch AfD-Politiker, vereinzelt Neonazis. Die meisten jedoch scheinen Demo-Teilnehmer zu sein, die sich von Politik und Politikern übergangen fühlen und „endlich“ gehört werden wollen. Manche von ihnen sind gar aus Köln, Berlin oder München angereist.
Es ist eine seltsame Melange, die dieser Tage aus Dresden herrührt. Man könnte sie als wachsende Diskrepanz zwischen dem routinierten Polit-Geschäft in Berlin und den wahren Sorgen der Bürger auf der Straße verstehen. Oder auch als Neuauflage des Konflikts zwischen Wutbürger und Gutmensch. Fest steht: Pegida hat mit ihren Parolen die Mitte unserer Gesellschaft erreicht und macht als Schlagwort Karriere in den TV-Talkshows der Republik. Einige Medien erklärten sie - vielleicht etwas voreilig - zu Islam-Hassern, Politiker rückten sie, erschrocken vom enormen Zulauf, reflexhaft in die rechte Ecke....
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