Bewährungsstrafe für Frank Rennicke
Rechtsextremer Liedermacher wird zu 17 Monaten verurteilt - Eklat nach dem Richterspruch
STUTTGART. Weit unter dem vom Staatsanwalt geforderten Strafmaß bleibt das gestern gefällte Urteil im Prozess gegen Frank Rennicke. Der rechtsextreme Liedermacher ist zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, die Anklage hatte Haft beantragt.
Von Günter Scheinpflug
"Der Angeklagte hat gezeigt, dass er bereit ist, seine Texte dem gesetzlichen Rahmen anzupassen", lautete die Urteilsbegründung des Richters am Stuttgarter Landgericht, der Rennicke wegen Volksverhetzung zu einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung verurteilte. Der Staatsanwalt hatte 21 Monate Gefängnis ohne Bewährung für angemessen gehalten. Außerdem bestätigte der Richter die bereits vom Böblinger Amtsgericht verhängte Geldstrafe von 36 000 Euro.
Der Vorsitzende der 38. Strafkammer, der den Angeklagten zum Schluss der Berufungsverhandlung als "klug und intelligent genug" bezeichnete, ahnte nicht, dass es zum Finale des achten Verhandlungstags zu einem Eklat kommen würde. "Sie sind ruhig, jetzt rede ich", wies der Richter die lautstarken Bemerkungen Rennickes zum Urteil gegen seine Frau Ute zurück. Das Gericht hält die 38-Jährige der Beihilfe bei der Verbreitung von jugendgefährdenden Schriften für schuldig und verurteilte sie zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, die ebenfalls auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach Ansicht des Richters ist erwiesen, dass der "nationale Barde" aus Ehningen (Kreis Böblingen) mehr als 4000 CDs und Musikkassetten mit dem indizierten so genannten Heimatvertriebenenlied verkauft hat. Zudem wurde er für schuldig befunden, ein Pamphlet verbreitet zu haben, in dem der Massenmord an jüdischen Menschen verharmlost und geleugnet wird. Das Gericht bescheinigte dem 37-Jährigen "Anklänge an die Rassenideologie". Rennicke arbeite mit Unterstellungen und singe von der "Knechtschaft des deutschen Volkes durch Ausländer, die den Deutschen Haus und Hof abnehmen". Das sei volksverhetzend.
Nach dem mehr als neunstündigen Plädoyer des NPD-Anwalts Horst Mahler lehnte das Gericht sämtliche Beweisanträge des rechten Agitators und ehemaligen RAF-Terroristen ab. Auf den Urteilsspruch reagierte der rechtsextreme Barde überaus aufgebracht. "Das ist ein Beispiel für den Faschismus der Gegenwart", rief Rennicke dem Richter zu. Die zahlreichen Anhänger des Verurteilten klatschten im Gerichtssaal Beifall. Ob Revision eingelegt wird, ist offen.
Stuttgarter Zeitung, 16.10.2002