Bleiben wir noch kurz beim Sterben (Hass) und spannen den Bogen zurück zu
Platon, zu Eros, als die welterzeugendes Prinzip. Freud besetzte Eros mit dem
Lebenstrieb und Thanatos (Hass, Tod) mit dem Todestrieb. Er ersetzte damit
seinen ursprünglichen Dualismus von ICH- Trieben und ES- Trieben. Das soll
uns aber jetzt nicht stören.
Wie die Worte es sagen, zielt Eros auf die Erhaltung und Thanatos auf die
Vernichtung des Lebens ab. Thanatos tritt in Form der Aggression und
Destruktion, als Hass, Trennung, Abstoßung, Vernichtung in Erscheinung und
richtet sich in der Regel auf den Anderen. Er kann sich aber auch gegen die
eigene Person, in Form des Selbsthasses, Selbstvernichtung richten.
An dieser Stelle sehen wir wieder die Qualität des Borderlinehasses, der sich
sowohl gegen den Partner, z. Bsp. in seiner sublimsten Form- der Abwertung,
richtet oder sich auch gegen ihn selbst, in Form der Selbstverletzung, richtet.
Zwischen den beiden, dem Lebenstrieb und Todestrieb, besteht eine Fusion
(Verschmelzung). Einer der beiden besitzt aber immer die Dominanz.
Das heißt, besitzt der Lebenstrieb die Dominanz, sind ihm aggressive
Komponenten beigemischt und zwar einmal in Form von ICH- Trieben, also der
Selbsterhaltung, der Kampf ums Dasein und einmal in Form des Objekttriebes,
also Sexualtriebes, für die Eroberung und die Verteidigung des Liebesobjektes.
Dominiert allerdings der Todestrieb, überwiegen die aggressiven Komponenten
des Lebenstriebes in Form von ICH- Trieben und zwar als Selbstvernichtungstendenz
und Masochismus oder als Tendenz zur Vernichtung des mit Libido besetzten
Objektes und als Sadismus.
Lauf der Aggressionen. In der zweiten Form ist die Frustration, durch
Versagung, gegenüber dem mit Libido besetzten Objektes zu groß.
Auch hier sehen wir wieder die Qualität des Lebens- bzw. Todestriebes der
Borderlinepersönlichkeit. Die Dominanz beider wechselt ohne für einen
Außenstehenden, nicht einmal für die Borderlinepersönlichkeit selber,
vorhersagbar. Und in der Dominanz des Todestriebes wechselt die
Borderlinepersönlichkeit nochmals, unvorhersehbar.
Hier liegt ein weiterer Teil der Erklärung der Hass - Liebe des Borderliners. Die
unabdingbare Verschränkung beider, des Lebenstriebes und des Todestriebes,
der Liebe und des Hasses, die für ihn nur durch die Spaltung aufgehoben
werden kann und nur als "entweder- oder" jeweils an den Grenzen des
Kontinuum existiert.
Die narzisstische Persönlichkeit, versagt ihr das mit Libido besetzte Objekt die
Liebe, d.h. die Spiegelung, fällt zurück in die anal- sadistische Stufe und somit
auf die letzte Form des Todestriebes. Einige Psychoanalytiker gehen nicht ganz
mit dem Todestrieb von Freud, bezogen auf die Schlachtfelder, konform. Doch
auch das soll uns nicht stören.
Was haben Freud und Jung hier gemacht? Einfach gesagt, nichts anderes als,
auf die Liebe bezogen, das platonische (hellenistische) Bild psychoanalytisch
übersetzt und verfeinert. Der Leser kann sich für das Eine oder Andere
entscheiden, das Ergebnis bleibt das Selbige.
Das Fazit: "Nur wer sich selbst liebt, damit ist nicht Egozentrik, ungesunder
Egoismus oder Selbstsucht gemeint, kann auch andere lieben."
Die fernöstliche Religion des Buddhismus sagt dazu ganz einfach:
"Wird dir die Faehigkeit genommen oder nimmst du dir die Faehigkeit Liebe
zu geben, dann kannst du auch keine Liebe empfangen".
Bliebe, bevor wir fast am Ende sind, noch einmal die Frage, können nun
Borderlinepersönlichkeiten oder narzisstische Persönlichkeiten lieben?
Die Antwort ist eigentlich schon im ganzen Kapitel geliefert worden. Sie haben
gesehen, sie läßt sich nicht so einfach beantworten. Sie haben gesehen, die
Liebe ist nicht nur ein Gefühl, bzw. können wir die Liebe nicht einfach nur mit
einem Gefühl oder mit einer Mixtur solcher gleichsetzen.
Fühlen können beide, das steht außer Zweifel. Gerade die Borderlinepersönlichkeit
ist in der Lage, Gefühlsebenen zu erreichen, die einem "Nicht-Borderliner", ohne
einer Droge, immer verschlossen bleiben, Gefühlsdimensionen zu erleben, die ein
"Nicht-Borderliner" nicht verstehen würde, allein weil es dafür keine Beschreibung gibt.
Es ist schon sehr schwer, die Pseudoliebe von Eros zu unterscheiden. Noch
dazu, weil die Borderlinepersönlichkeit in der Lage ist, in Momenten der
Idealisierung, gewisse Formen des Altruismus als Selbstlosigkeit zu zeigen.
Sie, die Borderlinepersšnlichkeit, kracht mit den Elementen Epithymia (Libido)
und Passio auf den anderen, auf das Ich des anderen, das jede Abwehr, jeder
Abwehrversuch schon im Keime ersticken wird.
Stellen wir uns einfach die Frage, bezogen auf das obige Zitat. "Liebt sich eine
Borderlinepersönlichkeit im Sinne der Selbstliebe, also mit gesundem Egoismus,
ohne Egozentrik und ohne Selbstsucht?" Die Antwort wissen Sie bereits und lautet NEIN.
Sie sehen aber auch, daß die Frage, ob ein Borderliner oder Narzisst lieben
kann, falsch gestellt ist. In ihrer psychischen Welt können beide sehr wohl lieben.
Die Frage muß somit lauten:
"Können Borderliner oder Narzissten in unserem Verständnis, in unserer
psychischen Welt, lieben?"
Wenn wir einmal alles andere außen vor lassen und die neurotische Liebe und
die Pseudoliebe als Liebe akzeptieren, müssten wir sagen- Ja. Sehen wir aber
die Liebe, als das was sie wirklich ist, müssen wir sagen- Nein. Springen wir
zum Abschluß kurz zurück zu unserem psychodynamischen Modell. Wir wissen
bereits, daß das ES nach dem Lustprinzip, das ICH nach dem Realitätsprinzip
und das ÜBER- ICH nach dem Moralitätsprinzip, welches unbedingte Erfüllung
vom ICH fordert, arbeitet. Was natürlich den Wenigsten gelingt.
Bezogen auf Liebe und Hass, bedeutet das nun, dass in der Liebe, den
Triebimpulsen des ES in Übereinstimmung mit dem ICH und dem ÜBER- ICH
nachgegeben werden kann, wohingegen im Hass beide, ICH und ÜBER- ICH,
im Normalfall, dagegen sprechen. Warum sage ich das?
Weil die ICH- Erfüllung gegenüber dem ÜBER- ICH die Annäherung des Selbst
an das Ideal- ICH/ Ideal- SELBST bedeutet. Das wiederum bedeutet eine
Verkürzung der ICH-Diskrepanz im Sinne der Selbstverwirklichung, eine starke
Integration des Selbst in das ICH. Je geringer die ICH- Diskrepanz, bzw. je
stärker die SELBST- Integration, desto weniger ist ein Mensch in der Lage zu
hassen.
Nachsatz:
In der Liebe fühlen wir uns unsterblich. Unsterblich durch ein Geschenk des
anderen an uns. In der Tat liegt in der Liebe die scheinbare Erfüllung des uralten,
ewigen Wunsches und der damit verbundenen Suche nach Unsterblichkeit. Sie
reicht zurück bis in eine Zeit in der die Menschen (noch) in friedvoller Einigkeit
mit den Drachen lebten und diese den Menschen vor bösen Mächten beschützten.
Der Überlieferung nach, durfte ein Drache, denn er war durch sein reines Herz
unsterblich, nur einem in der Seele reinen und tot geweihtem Menschen die
Hälfte seines Herzens geben und ihn dadurch, vor dem Tode rettend, unsterblich
machen. Nur dann bekam der Drache seinen Platz im Himmel unter den anderen
Sternen.
Geschah es denn das ein Drache bereit war dies für einen Menschen zu tun,
öffnete er seinen Brustpanzer, zerteilte sein Herz in zwei Hälften und gab den
abgetrennten Teil dem tot geweihten mit den Worten:
"Ich schenke dir mein Herz, durch mein Herz wirst du gerettet und durch
meine Schwäche wirst du geleutert"
Der dem Tod geweihte, jetzt unsterbliche Mensch öffnete die Augen
und sah von nun an die Welt mit anderen Augen.
Sie fragen sich wo die Drachen denn heute sind? Nun sie sind tot, vernichtet,
ausgestorben. Durch wen und warum? Durch den den die Drachen beschützten,
den Menschen. In seiner Gier nach Macht täuschte der Mensch den Drachen
und so kam es das ein Drache einem nicht in der Seele reinen Menschen die
Hälfte seine Herzens gab.
Ab diesem Zeitpunkt ward es den Drachen verboten ihre Herzen zu teilen und
so konnte kein Drache mehr seinen Platz unter den Sternen einnehmen. Doch
wenn Sie, frei von Gier und Macht, des Nachts ganz genau in den Himmel
schauen, werden Sie Sie die alten Drachen sehen die noch immer über die
Menschen mit reinen Seelen wachen.
Ein Märchen? ein Analogismus? Die Wahrheit? Das zu entscheiden überlasse
ich dem Leser.
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