
Zitat von
Dragus
Habe eine Weile keine Lust gehabt zu posten, macht auch wenig Spaß, sich ohne neue Ereignisse im Kreis zu drehen. Fangen wir beim wichtigsten an, der strategischen Entscheidung Assads, sich an den Iran und Russland zu binden. Ich betrachtete dies als Fehler, weil während der ersten zwei Jahre des Bürgerkrieges keine relevante Hilfe aus diesen Ländern kam. China stand und steht sowieso außen vor in dem Konflikt. Anfangs gewährte Russland nicht mal Notkredite und erfüllte selbst bereits zugesagte Waffenlieferungen nur zögernd.
Auf der anderen Seite gab es seitens der EU und USA keine einheitliche Position, was sich bis heute fort setzt. Für ein Eingreifen plädieren vor allem GBR, Israel und Frankreich. Der Rest der EU und die USA waren bisher zögerlich und halfen lediglich der Türkei und den sunnitischen Staaten bei der Besorgung zweitklassiger Waffen, das offizielle Embargo der EU verhinderte die Lieferung hochwertiger und schwerer Waffen ohnehin.
Was hat sich sich geändert: Der Iran betrachtete seinen syrischen Verbündeten und vor allem die Hizbollah zwar als unverzichtbar, brauchte aber Zeit, um diese zu aktivieren und um zu strukturieren, so das sie nun in Syrien gegen Sunniten kämpft und nicht mehr im Libanon gegen Israelis. Der Iran vermeidet weiterhin die direkte Intervention aber der schiitische Korridor steht, Libanon gleitet in den nächsten Bürgerkrieg. Russland hat seine Position weitreichend korrigiert und beliefert Assad nun mit hochwertigen Waffen auf Kredit, welche eine ohnehin unwahrscheinliche direkte Intervention der USA noch unwahrscheinlicher machen und die Türkei, GBR und Frankreich als einzelne Interventionsmächte aus dem Rennen werfen. Man wird also die Unterstützung der Rebellen durch bessere Waffenlieferungen erreichen wollen, wozu man das aktuelle Embargo der EU politisch zerbrechen ließ - wie von mir erwartet gegen den Willen der Mittel- und Nordeuropäischen Staaten.
Insgesamt hat sich die Lage für Syrien deutlich verbessert, der Bürgerkrieg wird aber noch lange weiter gehen, vermutlich wie im Irak, demnächst aber wohl mit Stinger und anderen hochwertigen Waffen auf Seiten der Rebellen.
Die Türkei hat nach osmanischen Vorbild und in Abwendung von Attatürk und des türkischen Kulturchauvinismus den Kurden mehr Rechte angeboten und will sie zukünftig besser einbinden.
Mein Resümee: Russland wertet auf. Der Iran alleine wäre nicht fähig, eine Intervention seiner Gegner in Syrien zu verhindern, ihm fehlt die Waffentechnik.
Bezüglich der Türkei war meine Vermutung richtig, das die Neuorientierung an der alten osmanischen Politik den starren türkischen Nationalismus aufweichen lässt und ihnen neue Chancen bieten wird. Sie spielen ihr eigenes Spiel. GBR und Frankreich zeigen erschreckende neo-kolonialistische Tendenzen, von denen sich selbst die USA distanziert. Israel hat die USA zwar als festen Verbündeten, aber auch sie können diese nicht in den Konflikt zwingen. Für sie wird es gefährlicher. Die sunnitischen Staaten lassen den islamistischen Terror weiter laufen, mit beliebigen Verbündeten.
Wenn Assad weiter Rational handelt, wird er den Konflikt wohl überstehen und die USA werden nach Afghanistan und dem Irak weiter geschwächt werden, was sie nicht weiter zu stören scheint, andernfalls hätten sie vor den Waffenlieferungen Russlands zuschlagen müssen. Der industriepolitisch angestoßene Wandel zur Selbstversorgung mit fossilen Brennstoffen wirft seinen Schatten voraus. Die lokalen Mächte werden aufwerten und so lange sie Israel unangetastet lassen, sich untereinander weiter austoben können. Das Rennen um die neue islamische Vormacht der Region ist eröffnet.