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Die Behauptung, Federica Mogherini sei ein U-Boot Putins und selbstverständlich auch korrupt, klingt nach einem dramaturgisch überambitionierten Spionageroman, hat aber mit der Realität ungefähr so viel zu tun wie ein Periskop mit einem Selfie-Stick.
Mogherini war als EU-Außenbeauftragte maßgeblich daran beteiligt, die Sanktionsarchitektur gegen Russland nach der Krim-Annexion zu verlängern und sogar zu verschärfen, also politisch exakt das Gegenteil dessen zu tun, was ein angebliches russisches Unterwasservehikel im Brüsseler Berlaymont zu leisten hätte.
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Auszug aus dem Artikel:
Diese Narrative werden oft umso dramatischer, je größer der Druck wird – und die Lücke zwischen seinen Aussagen
und überprüfbaren Ereignissen wächst weiter.
Analysten sagen nun, dass der Kreml-Chef erneut einen Krieg beschreibt, der nur in seiner Vorstellung existiert.
Neue Einschätzungen unabhängiger Beobachter zeigen, dass seine jüngsten Prahlereien über Einkesselungen und
Geländegewinne kaum etwas mit der Realität an der Front zu tun haben.
Zusammenbrechendes Narrativ
Russische Medien verbreiten die Vorstellung einer „vollständigen Einkesselung“ ukrainischer Truppen und einer angeblich kollabierenden Front.
Doch laut dem US Institute for the Study of War bleibt die Lage weitgehend statisch, ohne bedeutende Durchbrüche.
Sogar mehrere einflussreiche russische Militärblogger, die normalerweise die Kreml-Linie stützen, haben die staatlichen Behauptungen angezweifelt.
Analysten sagen, dass Moskaus Propagandisten weiterhin darauf bestehen, dass ukrainische Soldaten massenhaft kapitulieren und der Weg nach Kyjiw offenstehe.
Kommentatoren innerhalb Russlands, die militärische Entwicklungen genau verfolgen, bezeichnen diese Darstellungen jedoch als stark verzerrt.
Was die Daten zeigen
Informationen aus der Kampfzone zeichnen ein anderes Bild als das, welches Putin zu vermitteln versucht.
Berichte zeigen, dass die Front nicht zusammengebrochen ist, auch wenn russische Truppen in bestimmten Abschnitten weiter Druck ausüben.
Analysten betonen, dass Russland weit davon entfernt ist, den entscheidenden Sieg zu erringen, den Putin in seinen öffentlichen Äußerungen suggeriert.
Die Daten zeigen außerdem erhebliche russische Verluste an Personal und Ausrüstung, während ukrainische Kräfte ihre Verteidigungsstellungen halten
und lokale Gegenangriffe durchführen.
Behauptungen über die Einnahme von Kupjansk oder den Großteil von Wotschansk gelten als übertrieben, ebenso wie angebliche Einkesselungen
mehrerer ukrainischer Verteidigungslinien.
Quellen: LA.LV, Institute for the Study of War.
"Nach der Wahrheit ist vor dem Faschismus, und Trump war unser 'Nach-Wahrheit-Präsident'." Timothy Snyder
Es ist bemerkenswert, wie schnell Federica Mogherini hier vom EU-Außenbeauftragten zur angeblichen "U-Boot-Spezialistin aus Moskau" umetikettiert wird.
Während ihrer gesamten Amtszeit wurde keine einzige Russland-Sanktion aufgehoben, keine gelockert und keine verwässert – im Gegenteil, die EU hielt trotz interner Debatten konsequent an ihnen fest.
Das berühmte interne Papier, in dem Optionen für die Zukunft der EU-Russland-Beziehungen durchgespielt wurden, war nichts weiter als diplomatische Hausaufgabe. Dass Diplomatie auch Szenarien beleuchtet, ist kein Geheimcode für Kreml-Treue, sondern schlicht Aufgabenbeschreibung. Ironischerweise wurde Mogherini in denselben Jahren sogar von mehreren Mitgliedstaaten als "zu hart" gegenüber Moskau kritisiert – ein ziemlich ungewöhnlicher Karriereweg für eine angebliche Putin-Agentin.
Und die Bilanz spricht für sich: nach ihrer Amtszeit hat die EU 14 Sanktionspakete gegen Russland aufgebaut und verschärft. Wenn das ein Geheimagent war, dann einer, der seine eigene Mission nicht verstanden hat.
Zugleich hat unter ihrer Zeitspanne die EU mehrfach wirtschaftliche und sektorielle Sanktionen gegen Russland nicht nur aufrechterhalten, sondern verlängert: gegen Banken, Öl- und Gasindustrie, Rüstungs- und Dual-Use-Waren etc.
Wer also Morgherini als vermeintlichen Kreml-Agenten bezeichnet, ignoriert nicht nur die dokumentierte Politik der EU gegen Russland unter ihrer Ägide — er blendet auch die Tatsache aus, dass die EU-Sanktionen unter ihr nicht aufgehoben, nicht reduziert, sondern konsequent verlängert und sogar ausgeweitet wurden.
Warum reagieren Menschen so reflexhaft, sobald ein EU-Diplomat auch nur in die grobe Richtung Moskau schaut?
"Nach der Wahrheit ist vor dem Faschismus, und Trump war unser 'Nach-Wahrheit-Präsident'." Timothy Snyder
Es ist faszinierend, wie hartnäckig sich das Narrativ hält, Mogherini sei "russlandfreundlich" gewesen, obwohl die Faktenlage diametral etwas anderes zeigt. Ja, sie war italienische Außenministerin – für ganze neun Monate. Und nein, in dieser Zeit hat sie weder die Krim-Annexion verharmlost noch eine Abkehr von EU-Sanktionslinien gefordert.
Ganz im Gegenteil: Als EU-Außenbeauftragte verurteilte sie die Annexion der Krim ausdrücklich und betonte die völkerrechtliche Illegalität dieser Handlung. Dass Rom traditionell eine weniger konfrontative Russland-Rhetorik pflegt, ist ein altbekanntes geopolitisches Muster und sagt ungefähr so viel über Mogherini persönlich aus wie die Außentemperatur über den Aggregatzustand eines Kühlschranks.
Der entscheidende Punkt wird gern ausgeblendet: Sobald sie EU-Außenbeauftragte war, war Mogherini strikt an konsensbasierte EU-Politik gebunden – und hat diese sogar aktiv mitgestaltet. Unter ihrer Ägide wurden die Russland-Sanktionen jedes einzelne Jahr verlängert, inklusive der Maßnahmen wegen der Krim und des Donbas. Eine "russlandfreundliche" Amtsführung, die jahrelang Sanktionen aufrechterhält und die Annexion der Krim verurteilt, klingt ungefähr so plausibel wie ein Veganer, der zufällig einen Grillhähnchenladen betreibt.
Die Behauptung, ihre Position sei "zum Glück nie mehrheitsfähig gewesen", lässt zudem elegant aus, dass die EU-Sanktionen Einstimmigkeit erfordern. Das bedeutet: Hätte Mogherini Russland auch nur ansatzweise bevorzugt, wäre sie die einzige Person in der EU gewesen, die Sanktionen hätte blockieren können. Hat sie aber nicht. Nie. Nullmal.
Was bleibt, ist eine rhetorische Konstruktion: Man extrapoliert aus der italienischen Tradition des Dialogfetischismus eine persönliche Gefolgschaft zum Kreml und hofft, dass niemand merkt, dass zwischen diesen beiden Dingen der Atlantik der institutionellen Realität liegt. Außenpolitik ist nun einmal kein moralischer Gemüsehobel, bei dem man nach persönlichen Sympathien schneidet.
Kurz gesagt: Worte machen zwar nichts ungeschehen – aber sie sollten wenigstens zutreffend sein. Und wer Mogherini nachweislich sanktionsgetränkte Amtszeit als "russlandfreundlich" etikettiert, illustriert eher seine Abneigung gegen Nuancen als irgendeinen realen außenpolitischen Sachverhalt. Dass manche Leute mittlerweile hinter jedem Politiker automatisch einen Putin-Agenten vermuten, ist dabei nicht nur analytisch fragwürdig, sondern fast schon absurd.
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