Ja, es gibt Statistiken und Forschung zur Suizidrate in Deutschland nach 1945. Die Entwicklung ist komplex und von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Hier sind die wichtigsten Punkte:
Dramatischer Anstieg unmittelbar nach Kriegsende (1945-1947):
Die Raten erreichten historische Höchststände, besonders bei Männern.
Ursachen: Massive Traumata durch Kriegserlebnisse, Verlust von Angehörigen, Heimat und Besitz, physische und psychische Verwundungen, Zusammenbruch der Gesellschaft, extreme Not (Hunger, Obdachlosigkeit), Schuldgefühle, Verzweiflung über die Zukunft.
Zahlen (Beispiele): Schätzungen und regionale Studien zeigen oft Raten, die weit über 30 Suizide pro 100.000 Einwohner lagen (zum Vergleich: 2022 waren es etwa 10,7). Für Berlin wurden für 1946 über 80 Suizide pro 100.000 Einwohner berichtet. Exakte bundesweite Zahlen sind aufgrund der chaotischen Umstände schwer zu ermitteln.
Längerfristiger Rückgang (ab Ende der 1940er Jahre):
Mit dem einsetzenden Wirtschaftswunder (in Westdeutschland) und der allmählichen Stabilisierung der Lebensverhältnisse sanken die Suizidraten deutlich, blieben aber lange höher als in der Vorkriegszeit.
Trend in Westdeutschland (BRD): Nach dem Höhepunkt 1946/47 kontinuierlicher Rückgang bis in die 1970er Jahre, gefolgt von einem leichten Anstieg in den 1980ern und einem erneuten, deutlichen Rückgang seit den 1990ern.
Trend in Ostdeutschland (DDR): Anfangs ähnlich hohe Raten wie im Westen. Deutlicher Rückgang in den 1950er/60er Jahren, dann aber lange Zeit stabil auf einem höheren Niveau als im Westen. Nach der Wiedervereinigung 1990 kam es zu einem deutlichen Anstieg in den neuen Bundesländern, der sich später aber ebenfalls dem westdeutschen Abwärtstrend angleichte.
Aktuelle Situation (Stand 2022, Quelle: Destatis):
Gesamtrate: Etwa 10,7 Suizide pro 100.000 Einwohner.
Geschlechterunterschied: Deutlich höher bei Männern (ca. 16,1 pro 100.000) als bei Frauen (ca. 5,5 pro 100.000).
Altersverteilung: Höhere Raten bei älteren Menschen, insbesondere bei Männern über 70 Jahren. Aber auch bei jüngeren Menschen (15-25 Jahre) ist Suizid eine der häufigsten Todesursachen.
Langzeittrend: Seit den 1980er Jahren ist ein allgemeiner rückläufiger Trend zu beobachten, der sich in den letzten Jahren fortsetzt (mit leichten Schwankungen, z.B. während der Pandemie).
Quellen und Datenlage:
Statistisches Bundesamt (Destatis): Erhebt und veröffentlicht jährlich aktuelle amtliche Suizidstatistiken für Deutschland.
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB): Analysiert langfristige demografische Trends, einschließlich Sterblichkeit und Suizid.
Forschungsinstitute: Wissenschaftler wie Christian Goeschel ("Suicide in Nazi Germany") oder Raimund Dehne haben die Nachkriegszeit detailliert untersucht. Die Arbeit von Götz Aly ("Volk ohne Trauer") thematisiert den Umgang mit dem Thema. Der Historiker Florian Tiefenbach erforscht speziell die Nachkriegszeit.
Probleme der historischen Daten: Besonders für die unmittelbare Nachkriegszeit sind die Daten oft unvollständig, regional unterschiedlich erfasst und schwer vergleichbar. Die Definition von "Suizid" und die Erfassungspraxis haben sich geändert.
Zusammenfassung:
Nach dem extremen Höhepunkt unmittelbar nach 1945 ist die Suizidrate in Deutschland langfristig deutlich gesunken. Dieser Rückgang wird auf Faktoren wie verbesserte psychiatrische Versorgung, bessere wirtschaftliche und soziale Absicherung, effektivere Suizidprävention, Änderungen in der Demografie (z. B. weniger alleinstehende ältere Männer) und gesellschaftliche Enttabuisierung psychischer Probleme zurückgeführt