SWR / 10.05.2024
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BYD, Chery, Leapmotor: Chinas Autobauer produzieren bald in Europa
Noch wird der winzige Anteil chinesischer E-Autos hierzulande belächelt. Doch die Chinesen fertigen bald in Europa. Deutsche Hersteller sind vorsichtig, wollen keine Konflikte. Der weltweit größte E-Autobauer, der chinesische Konzern BYD, hat erstmals Angaben zum Preis einer - vermutlich größeren - europäischen Version seines chinesischen Elektro-Kleinwagens „Seagull“ gemacht. Das Europa-Modell soll weniger als 20.000 Euro kosten, berichtet die Agentur Reuters. In China gibt es eine Basisversion für umgerechnet 9.000 Euro. In Süd- und Mittelamerika verkauft BYD das chinesische Seagull-Modell unter dem Namen Dolphin Mini.
Forderung nach höheren Zöllen auf Elektroautos aus China
Europäische Politiker schauen derzeit sorgenvoll auf die "chinesische Autowelle", wie sie in manchen Medien bezeichnet wird, die unter anderem durch einen neuen Spezialfrachter mit 7.000 BYD-Autos sichtbar wurde. Einige fordern lautstark höhere Zölle für Fahrzeuge aus China. Der Wettbewerb sei angeblich nicht fair. Zu den Befürwortern der Idee gehört der französische Präsident Emmanuel Macron. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt höhere Zölle ab. Die Wirtschaft bleibt bei dem Thema relativ ruhig und zeigt sich teilweise entsetzt über die Pläne zu höheren Zöllen in Brüssel.
Konkurrenz gibt es schon seit 138 Jahren
(Ola Källenius, Mercedes-Benz-Chef)
Mercedes: Chinesen halten 20 Prozent am schwäbischen Autokonzern
Besonders die deutsche Autoindustrie ist bereits seit Jahrzehnten stark mit China vernetzt und abhängig vom weltgrößten Automarkt. Jetzt also Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der heimischen Wirtschaft? Mercedes-Chef Ola Källenius sah sich gezwungen, sofort das Gegenteil zu fordern: weniger Zölle, Handel ohne Hindernisse. Schließlich gehört ein Fünftel von Mercedes chinesischen Autokonzernen.
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Chery und Leapmotor wollen noch 2024 in Spanien und Polen starten
In einigen Wochen startet der chinesische Elektroautohersteller Leapmotor mit seiner Produktion in Polen im Werk seines Partners
Stellantis. Auch noch in 2024 will Chery Automobile - Chinas größter Autoexporteur - Elektro- und Verbrenner-Pkw in einem ehemaligen Nissan-Werk in Barcelona fertigen. Chery gründete dazu ein Joint Venture mit dem spanischen Konzern Ebro.
Und dann ist da noch
BYD: Der chinesische Autoproduzent, der zum Technologie-Mischkonzern BYD gehört, hat Tesla vor einem Jahr vom Thron bei den Lieferzahlen gestoßen und gilt seitdem als
weltgrößter E-Autohersteller. Mit Mercedes besteht eine Partnerschaft für die E-Auto-Marke
Denza.
Im März kam ein konzerneigenes BYD-Schiff, prall gefüllt mit Elektroautos, in Bremerhaven an. Bislang sind viele Fahrzeuge - nach Angaben der Tageszeitung Handelsblatt - nicht abgeholt worden. Acht weitere Riesen-Frachter für den Export nach Europa sind schon bestellt. Auch der Shanghaier Autobauer SAIC, der mit VW kooperiert, plant eine Exportflotte mit einem Dutzend Schiffen.
BYDs erstes europäisches Werk in Ungarn soll
2027 in Betrieb gehen. Ein Vorvertrag für einen Grundstückskauf wurde in Szeged unterzeichnet. Die Fabrik soll - ähnlich wie das Tesla-Werk nahe Berlin - relativ
schnell hochgezogen werden, die jährliche Fahrzeugproduktion im sechsstelligen Bereich liegen.
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Chery will der erste chinesische Auto-Konzern sein, der in Europa produziert: Spaniens Autounternehmen
Ebro-EV Motors und
Chery Automobile unterzeichnen im April 2024 in Barcelona ihre Kooperation.
Chery produziert Verbrenner und E-Autos
Chery könnte bis zu 50.000 Fahrzeuge in Barcelona produzieren. Das staatliche Unternehmen will in erster Linie nicht deutschen oder anderen europäischen Autobauern Konkurrenz machen, sondern koreanischen Herstellern.
In ein paar Jahren wollen wir in Europa dort sein, wo heute Hyundai und Kia sind
(Zhang Guibing, Chef von Chery international)
Unter den Markennamen Omoda, Jaecoo und Exlantix sollen Chery-Modelle auch auf den deutschen Markt kommen - als erstes ein Kompakt-SUV namens Omoda 5 als Verbrenner, Hybrid und Elektroauto, ab 27.000 Euro.
Opel-Mutter investiert in Elektroautobauer Leapmotor
Die Opel-Mutter
Stellantis hat für 1,5 Milliarden Euro rund
20 Prozent vom chinesischen Elektroautobauer Leapmotor gekauft. Dabei wurde auch das Joint Venture „Leapmotor International“ gegründet, das zu
51 Prozent Stellantis gehört. Stellantis hält damit die Rechte für die Produktion, den Verkauf und Export von Leapmotor-Produkten außerhalb von China.
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BYD in Europa: Zahlen und Kritik
BYD bietet Neuwagen in China ab
10.000 Euro an - in Europa kostet das günstigste Modell
35.000 Euro. Wenn BYD in Ungarn Wagen produziert - fallen die Einfuhrzölle weg. Die Preise werden sinken. BYD ist mit rund
250 Filialen in
19 europäischen Nationen aktiv.
Angebot: Sechs Elektromodelle namens Han, Tang, Atto 3, Seal, Seal U und Dolphin. Für das laufende Jahr sind zwei weitere Modelle, eventuell auch ein Plug-in-Hybrid, angekündigt. BYD kommt vom Batteriebau, stellt also das teuerste Teil seiner E-Autos selbst her - hat also
volle Kostenkontrolle.
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Autoindustrie setzt auf Ungarn
In Ungarn ist BYD bereits seit 2017 aktiv und hat dort eine E-Bus-Fabrik gebaut. Das geplante Werk in Szeged wäre allerdings die erste Produktionsstätte für Pkw in Europa, die von einem chinesischen Automobilunternehmen errichtet wird. Bevor über ein zweites Werk entschieden wird, soll die Entwicklung der Verkäufe in Europa abgewartet werden. Die
italienische Regierung bemüht sich allerdings schon sehr um die E-Autokonzerne Tesla und BYD.
BYD hat außerhalb von China bereits in
Brasilien, Usbekistan, Thailand und
Indonesien Fabriken.
In Ungarn bauen derzeit auch der chinesische Batteriehersteller CATL und BMW riesige Batterie-Fabriken. BMW investiert mehr als zwei Milliarden Euro in den Standort. In diesem Werk werden auch E-Autos gebaut. Presswerk von Mercedes in Kecskemét: Die A-Klasse, das CLA Coupé, der CLA Shooting Brake und der EQB werden dort gebaut.
Audi, Mercedes und nun auch BMW in Ungarn
Den Grundstein für die moderne Autoindustrie in Ungarn legte 1991
Suzuki. Zwei Jahre später folgte
Audi als erster deutscher Autobauer. Bis heute hat Audi rund 12 Milliarden Euro in sein Werk in Györ gesteckt und wurde damit zum größten ausländischen Investor in Ungarn.
Mercedes folgte 2012 als zweiter deutscher Premiumhersteller. Der Stuttgarter Konzern errichtete in Ungarn auch sein weltweit erstes "Full-Flex Werk": Sowohl Verbrenner als auch Elektro-Fahrzeuge können auf einem Band gebaut werden. Der weltgrößte Autozulieferer
Bosch beschäftigt in Ungarn rund 19.000 Mitarbeiter. Viele arbeiten in Forschung und Entwicklung. Ungarn ist nach Deutschland, Indien und China das viertgrößte F&E-Zentrum von Bosch in der Welt.
Mercedes für Wettbewerb und gegen höhere Zölle
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Das Bestreben chinesischer Unternehmen, nach Europa zu exportieren, ist eine natürliche Entwicklung des Wettbewerbs, dem mit besseren Produkten, besserer Technologie und mehr Flexibilität begegnet werden muss.
(Ola Källenius, Mercedes-Benz-Chef)
Mercedes und seine chinesischen Großaktionäre
Mercedes ist nicht nur bei Verkäufen auf China angewiesen. Etwa
20 Prozent der Anteile des schwäbischen Unternehmens gehören chinesischen Unternehmen. Die
Beijing Automotive Group (BAIC) ist ebenso ein
Großaktionär wie der chinesische Automobil- und Motorradhersteller
Geely. Der Einstieg des Geely-Chefs Li Shufu über eine Investment-Gesellschaft (Tenaclou3 Prospect Investment) verlief spektakulär. Trotz aktienrechtlicher Meldeschwellen bei drei und fünf Prozent Anteilsbesitz gelang es dem Milliardär Li Shufu 2018 unbemerkt über Strohmänner und Scheinfirmen
größter Einzelaktionär von
Daimler/Mercedes zu werden.
Dabei war man in Stuttgart auch so geschockt, weil es eine enge Zusammenarbeit mit dem Geely-Konkurrenten BAIC gab. Daimer und BAIC sind seit 2003 strategische Partner. An der BAIC-Tochter BAIC Motor hält Mercedes fast
10 Prozent der Anteile.
Mercedes bemühte sich nach Geelys Überraschungscoup,
BAIC auch für eine Beteiligung zu gewinnen, was
gelang.
BAIC übernahm zunächst
5 Prozent, inzwischen sind es knapp
10 Prozent. Li Shufu drang auf eine Zusammenarbeit mit Daimler, was zum
Joint Venture für den
Smart führte. Inzwischen wird der
Smart nur noch als Elektroauto und ausschließlich in
China für den
Weltmarkt produziert. Auch bei
Mobilitätsdiensten taten sich Daimler und Geely zusammen.
BMW und China
BMW hat mit dem chinesischen Autobauer
Brillance vor 20 Jahren eine Kooperation gegründet. Am Joint-Venture BBA halten die Münchener seit 2022
drei Viertel der Anteile, der Rest gehört dem Partner Brilliance. BMW wurde damit der
erste westliche Autokonzern, der die
Mehrheit an einem Gemeinschaftsunternehmen in China
übernehmen durfte. In Shenyang produziert das Gemeinschaftsunternehmen in mehreren Werken BMW-Autos aus
sieben Modellreihen, jährlich rund
830.000 Wagen. Dazu hat BMW noch mehrere
Forschungszentren in China. Nach Unternehmensangaben ist es die
größte Entwicklungskapazität der BMW Group
außerhalb Deutschlands.
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