Wirtschaftswoche / 08.09.2023
Sennheiser-Brüder im Podcast
Warum Sennheiser China schon vor Jahren verlassen hat
China ist für deutsche Mittelständler ein lukrativer Markt – und ein wichtiger Lieferant. Doch was, wenn der Westen den Handel mit dem Reich der Mitte kappt? Der Audio-Hersteller
Sennheiser versucht, neue Wege zu gehen.
Ein Anglizismus geistert durch Berlin. Er lässt Politiker tätig werden. Und er sorgt dafür, dass Unternehmen Milliarden-Subventionen erhalten: fünf Milliarden für
TSMC, den
taiwanischen Chipkonzern, damit dieser sich in Dresden niederlässt, zehn Milliarden Euro für ein Intel-Werk in Magdeburg. Die Rede ist von:
De-Risking.
Wenn Politiker diesen Begriff benutzen, meinen sie: Unternehmen sollen mehr Produkte in Deutschland produzieren, die bisher fast ausschließlich aus Asien kommen, Halbleiter zum Beispiel. Und noch ein Appell schwingt mit: Deutschland braucht strategische Handelspartner, die nicht China heißen.
Um Risiken zu minimieren, reisen Politiker etwa nach Indien und Südamerika. Dort gibt es Rohstoffe, die bisher vor allem China liefert. Die also zur Mangelware werden könnten, falls der Konflikt um Taiwan eskaliert: Wie aus der Krise in der Ukraine ein Krieg wurde und sich Gasreichtum in Gasknappheit verwandelte, könnte es mit Halbleitern und Rohstoffen aus China geschehen.
Absolute Unabhängigkeit? Utopisch
Andreas und
Daniel Sennheiser kennen die Debatte. Und sie sind davon betroffen. Die Brüder führen in dritter Generation das gleichnamige Familienunternehmen mit Sitz im niedersächsischen
Wedemark. Für die Studio- und Übertragungstechnik von Sennheiser – jene, die beim Superbowl, dem ESC und bei den Olympischen Spielen zum Einsatz kommt – braucht es Rohstoffe.
Und diese werden vor allem in China gefördert und verarbeitet. Etwa
Seltene Erden wie
Neodym, ein wichtiger Baustein für Magnetmetalle, die für die Produktion von
Kopfhörern und
Lautsprechern wichtig sind.
Was also tun, wenn der Konflikt um Taiwan eskaliert und der Westen Sanktionen gegen China verhängt? „Man kann nicht sagen, dass wir jemals eine absolute Unabhängigkeit erreichen“, sagt Daniel Sennheiser im WirtschaftsWoche-Podcast Chefgespräch. Es gehe eher darum, Alternativen zu erschließen, etwa neue Recyclingmethoden, um an Rohstoffe zu kommen. Anders gesagt:
Es geht um Risikominimierung.
Denn Decoupling, also eine völlige Entflechtung von China, ist illusorisch. Gerade bei
Seltenen Erden wie
Neodym. China fördert mehr Neodym als jedes andere Land. Bei der Verarbeitung ist die Marktdominanz sogar noch größer: Andreas Klossek zufolge, Leiter des Rohstoffkonsortiums EIT (European Innovation and Technology) Raw Materials, kontrolliert China über
90 Prozent des Weltmarktes für Endprodukte wie Magnete.
Produktion in China Ende der Neunziger gescheitert
Chinas Rohstoff-Dominanz ist ein Risiko. Dort zu produzieren ist ein anderes
Wagnis. Und zwar eines, das
Sennheiser besonders gut kennt. Ende der
Neunziger entschied sich das Familienunternehmen, damals noch unter der Führung des Vaters Jörg Sennheiser, die Produktion von
Funkmikrofonen nach Shanghai auszulagern – und holte sich
eine blutige Nase. Am Standort
Shanghai kam es zu
Qualitätsmängeln, Schäden beim
Transport und
illegalen Nachbauten.
Sennheiser holte die Produktion wieder nach Deutschland zurück.
In jener Zeit sei es ein Trend für viele Unternehmen gewesen, die Produktion nach China auszulagern, um die hohen Lohn- und Fertigungskosten in Deutschland zu umgehen. Doch für Sennheiser hätten die Rahmenbedingungen irgendwann nicht mehr gepasst.
„Unser Vater hatte den Mut, sich gegen die vorherrschende Meinung zu stellen“, sagt Daniel Sennheiser.
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