Nukleare Teilhabe
Aktuelle Stationierung US-Atomwaffen in Europa
Am 25. März 1958 beschloss der deutsche Bundestag nach hitziger Debatte die Ausrüstung der Bundeswehr mit
atomwaffenfähigen Trägersystemen im Rahmen der NATO.
Die BRD kaufte in den USA entsprechende
Trägersysteme und
stellte die Mannschaften; die USA
stellten die
Atomsprengköpfe, die im Ernstfall eingesetzt werden könnten.
„Nukleare Teilhabe“ bezeichnet dabei die Beteiligung von NATO-Mitgliedern an Planung, Vorbereitung und Übung des Einsatzes von US-Atomwaffen. Heutzutage gibt es in der NATO
zwei Varianten der Teilhabe:
Die
politische Teilhabe entsteht durch die Mitarbeit in der nuklearen Planungsgruppe der NATO, wo Einsatzplanung, Strategie und Stationierung von Atomwaffen diskutiert werden. Die
technische Teilhabe bedeutet, dass NATO-Staaten Stützpunkte, Flugzeuge und Personal für US-Atomwaffen zur Verfügung stellen und Piloten den Einsatz der Waffen üben.
Die Zahl und Stationierungsorte der US-Atombomben unterliegen der Geheimhaltung. Trotzdem sind verschiedene Informationen durch intensive Recherche und Bestätigungen aus verlässlichen Quellen bekannt geworden:
Aktuell sind im Rahmen der
“nuklearen Teilhabe” in der NATO in
vier europäischen Ländern ca.
100 taktische Atomwaffen - freifallende Atombomben vom
Typ B61 - stationiert. Die Stationierungsorte liegen in
Belgien (Kleine Brogel),
Deutschland (Büchel),
Italien (Ghedi Torre) und den
Niederlanden (Volkel). Zudem werden US-Atomwaffen auf den NATO-Stützpunkten in
Aviano (Italien) und
Incirlik (Türkei) gelagert. Diese Informationen sind offiziell nicht bestätigt.
Geplant ist, die US-Atombomben in Europa durch neu aufgerüstete Modelle zu ersetzen - lenkbare und skalierbare Bomben vom
Typ B61-12. Die Serienproduktion ist im Gange und die ersten Stationierungen werden noch
2024 erwartet.
In Deutschland werden Bundeswehrsoldaten für den Einsatz der US-Atomwaffen im Ernstfall ausgebildet. Als Trägersysteme stehen in Büchel in der Eifel deutsche
Tornado-Bomber zur Verfügung. Die Bundeswehr will laut Bundesverteidigungsministerium diese atomwaffentauglichen Flugzeuge bis
2025 im Dienst halten. Sie sollen erst 2027 durch den von
Lockheed Martin gebaute
F-35-Kampfjets ersetzt werden, um auch künftig die "nukleare Teilhabe" Deutschlands in der NATO zu garantieren. Im Februar 2022 hat der Flugzeugtyp F-35 eine Zulassung für B61-Atombomben erhalten.
2022 wurde im
Strategischen Konzept der
NATO festgehalten:
„Das nukleare Abschreckungsdispositiv der NATO beruht auch auf vorwärtsdislozierten Kernwaffen der Vereinigten Staaten in Europa und auf den Beiträgen der betreffenden Verbündeten. Die nationalen Beiträge an Flugzeugen mit dualer Einsatzfähigkeit für den NATO-Auftrag der nuklearen Abschreckung bleiben bei dieser Anstrengung von zentraler Bedeutung.“
Einige Staaten halten die
"nukleare Teilhabe" für einen
Verstoß gegen
Artikel I und
II des
Nichtverbreitungsvertrages (NVV), in dem sich die atomwaffenfreien Staaten
verpflichten, Atomwaffen von
keinem Staat anzunehmen. Allerdings argumentiert die Bundesrepublik, dass sie bei der Unterzeichnung einen
Vorbehalt eingereicht hatte, in dem die Praxis der "nuklearen Teilhabe" von den Vertragsbestimmungen ausgenommen wird.
Die wissenschaftlichen Dienste des Bundestages vertrat die Meinung 2017, dass die nukleare Teilhabe nicht gegen den NVV verstoßen würde. Diese Aussage wurde im Sachstand 2022 wiederholt. Allerdings argumentieren andere Juristen das Gegenteil:
Beispielsweise schreibt Bernd Hahnfeld von IALANA, dass die
geplante Übertragung der
Verfügungsgewalt auf deutsches Militärpersonal im
Ernstfall sehr wohl einen
Verstoß gegen den
NVV darstellt und die erklärten Vorbehalte der Bundesregierung diese Tatsache nicht aufhebt:
„Sie betonen nur, dass Deutschland weiterhin dem kollektiven Sicherheitssystem der NATO verpflichtet bleibt. Die Erklärungen bezeichnen die Waffen nicht, mit denen nach den kollektiven Sicherheitsregeln der NATO der Schutz der Bundesrepublik gewährleistet werden sollte.“
Es sei also möglich, nur
konventionelle Mittel für die Verteidigung einzusetzen, so Hahnfeld. Angesichts einer drohenden Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident äußerten verschiedene Politikerim Winter 2023 / 2024, dass Europa eigene nukleare Streitkräfte brauche. Experten kommentieren hierzu, dass die EU nicht in der Lage sei, diese Idee zu realisieren. Zudem würden die
Verpflichtungen aus dem
NVV dies
nicht erlauben.
Drei EU-Mitgliedsstaaten sind überdies auch Vertragsparteien des Atomwaffenverbotsvertrages, der den Besitz von Atomwaffen und die Beteiligung an einer "nuklearen Teilhabe" ausdrücklich verbietet.
2023 gab der russische Präsident Wladimir Putin bekannt,
taktische Atomwaffen in
Belarus stationieren zu wollen. Er
rechtfertigte diesen Schritt mit einem
expliziten Verweis auf die
„nukleare Teilhabe“ der
NATO in
Europa. Wie viele russische Atomwaffen sich in Belarus befinden und welche Mitspracherechte Belarus bei einem möglichen Einsatz hätte, ist derzeit unklar.
Bearbeitungstand: Februar 2024
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