Planete Wissen / von Jo Siegler und Frank Endres
Germanen
Römische Autoren haben den Begriff "Germanen" als Sammelbezeichnung für bestimmte Völker in Nord- und Mitteleuropa geprägt. Doch die betroffenen
Völker und
Stämme empfanden selbst kein Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Die
Germanen als
einheitliches Volk hat es nie gegeben. Vielmehr ist die Bezeichnung ein
Oberbegriff für bestimmte
Stämme, die im Gebiet zwischen
Rhein, Donau und
Weichsel lebten. Diese Stämme bildeten
keinen gemeinsamen Staat und hatten
keine gemeinsame Identität. Vielmehr bekämpften sie sich regelmäßig untereinander.
Zur Zeit der Hochkulturen der Griechen und Römer wusste man im Mittelmeerraum nur wenig von den Völkern des Nordens. Lange Zeit wurden sie unter dem Begriff der
Barbaren (Menschen, die keine griechisch-römische Bildung genossen hatten) zusammengefasst.
Erst um
80 vor Christus taucht der Begriff "Germanen" beim griechischen Geschichtsschreiber Poseidonios auf. Den
Begriff verbreitet hat
Gaius Julius Cäsar (100 bis 44 vor Christus) in seinem Werk
"De bello gallico".
Seit dieser Zeit hatten die Römer einige Kontakte zu den
germanischen Stämmen und
Völkern, die zumeist kriegerischer Art waren. Der Begriff "Germanen" stammt auf keinen Fall von den Menschen, die damit bezeichnet wurden, denn sie fanden ihre
Identität in ihren
Stammes- oder
Volksgemeinschaften.
Die Gesellschaft der Germanen
Die Siedlungs- und Gesellschaftsstruktur der verschiedenen
Germanenstämme war im Wesentlichen gleich. Die Familie bildete den Kern der germanischen Gesellschaft. Ihr gegenüber waren alle Mitglieder zu voller Loyalität verpflichtet. Das Oberhaupt hatte die Aufgabe, die gesamte Familie zu schützen. Dies umfasste auch die Unfreien, die Knechte und Mägde waren. Zu einer Sippe zählten alle Blutsverwandten. Zusammen siedelte man in einer Dorfgemeinschaft und kämpfte im Krieg als geschlossener Verband. Kam es zu Streitigkeiten, besaßen die Sippen das Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Wurde ein Mitglied einer Sippe angegriffen, stand die ganze Sippe zusammen und verteidigte es. Alle freien und kampffähigen Männer einer Stammes-Gemeinschaft bildeten zusammen den sogenannten
Thing, der als
Versammlung des
Stammes das Oberhaupt wählte. Ebenso schnell konnte ein Oberhaupt auch wieder abgesetzt werden, wenn es seine Pflichten im Sinne der Gemeinschaft nicht erfüllte.
Das Oberhaupt war eher ein
Stammeshäuptling als ein König oder Konsul, wie es bei Römern und Griechen zu dieser Zeit üblich war. Erst als sich Auseinandersetzungen mit den Römern häuften, begannen die Germanen, ihre Oberhäupter als Könige zu bezeichnen. Während des Thing, der meist im Freien an heiligen Stätten stattfand, galten strikte Regeln. Die Versammlung war den Göttern geweiht, eine Störung beleidigte diese und wurde von den Priestern hart bestraft. Jedes Mitglied des Rates hatte eine Stimme.
Doch es wurde nicht nur über Krieg und Frieden entschieden. In der Vollversammlung wurde auch Gericht gehalten oder über die Aufnahme neuer Mitglieder in den Thing abgestimmt. So konnte ein Unfreier, der im Kampf zu Ruhm und Ehre gekommen war, den Status eines freien Mitgliedes des Thing erlangen.
Varusschlacht und Stammesfehden
Die relativ
kleinen Gruppen der
Stämme empfanden sich jeweils als selbständige Einheit. Den Germanen gelang es deshalb nur selten, mehrere Stämme für ein Ziel zu vereinen. Genau dies hatten die Römer frühzeitig erkannt und machten es sich zunutze. Sie schlossen Bündnisse mit verschiedenen Stämmen und spielten die Germanen gegeneinander aus.
Untypisch für germanisches Verhalten ist deshalb der sogenannte Arminius-Aufstand im Jahre 9 nach Christus. Dem Cherusker Arminius war es während des Aufstandes gelungen, zerstrittene Stämme, die immer wieder untereinander Streitigkeiten austrugen, unter seiner Führung zu einen. Gemeinsam versuchte man sich erfolgreich gegen die Römer zur Wehr zu setzen. Die Herrschaft der Römer über die germanischen Stämme rechts des Rheins wurde so verhindert.
Hätten die am Aufstand beteiligten Germanen weiter zusammen agiert, wäre es ihnen vielleicht gelungen, die Römer auch links des Rheins in Bedrängnis zu bringen. Doch die germanische Mentalität war eine andere. Arminius, der rund 100 Jahre später vom römischen Historiker Tacitus als
Befreier der
Germanen angesehen wurde, wurde von ihnen nur als einer von vielen betrachtet. Ziemlich schnell hatte er viele Neider, die begierig darauf waren, seine Macht zu erlangen.
Kaum waren die Römer vertrieben, brachen erneut
Streitigkeiten zwischen den verschiedenen
Stämmen aus. Wäre Arminius ein Römer gewesen, wäre ihm aufgrund seiner Leistung der Stolz des gesamten Imperiums gewiss gewesen. Als
Germane hingegen wurde Arminius im Jahr 21 nach Christus Opfer seiner eigenen Verwandten, die befürchteten, dass er
zu mächtig würde.
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