Das neue Verbrechen der Aggression nach § 13 VStGB
Von RA Andreas Arno Glauch, Bautzen
I. Einleitung
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Im Hinblick auf diese Entwicklungen wurde mit Gesetz vom
22. Dezember 2016 die deutsche nationale Rechtslage mit Schaffung des
neuen § 13 VStGB[6] geändert.
§ 80 StGB a. F. (Vorbereitung eines Angriffskrieges) wurde in diesem Zusammenhang aufgehoben (Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 2016).
II. Neuer Tatbestand des § 13 VStGB: Verbrechen der Aggression (§ 13 Abs. 1 VStGB)
Das
Verbrechen der Aggression unterscheidet einerseits die Führung eines Angriffskrieges und andererseits eine sonstige Angriffshandlung, die ihrer Art, Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt (§ 13 Abs. 1 VStGB). Es wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
1. Angriffskrieg und Angriffshandlungen
Erstmals ist das Führen eines Angriffskrieges strafbar. Dabei ist der Begriff des Angriffskrieges nicht gesetzlich definiert. Allerdings besteht Einigkeit, dass damit eine völkerrechtswidrige bewaffnete Aggression bezeichnet wird.7 Die dagegen wegen mangelnder Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) gegen § 80 StGB a.F. erhobenen Bedenken[7] können nun mit Rückgriff auf Artikel 8 bis Abs. 2 Satz 2 des Römischen Statutes (dazu unten II.2.) nur noch eingeschränkt erhoben werden. Der Tatbestand der pönalisierten Handlung wird damit konkreter beschrieben.[8]
Das Führen eines Angriffskrieges gilt als schwerste Form der Aggression und als Prototyp einer Angriffshandlung.[9] Diese ist durch Art. 8 bis Abs. 2 S. 1 des Römischen Statutes auch für § 13 VStGB definiert. Danach ist das Verbrechen der Aggression eine gegen die Souveränität, territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit gerichtete Angriffshandlung oder eine sonst mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbare Anwendung von Waffengewalt durch einen Staat. Auf die Aufzählung von Begehungsvarianten wird dabei verzichtet.
2. Konkrete Angriffshandlungen gemäß Römischen Statutes
Die Grundsätze des Römischen Statutes sind für die Auslegung des Begriffes der Angriffshandlung zu berücksichtigen. Folgende Handlungen sind nach Art. 8 bis Abs. 2 des Römischen Statutes[10] konkret als Angriffshandlungen definiert:
- die staatliche Invasion des Hoheitsgebietes eines anderen Staates, dessen militärische Besetzung oder die gewaltsame Annexion des Hoheitsgebietes eines anderen Staates
- die Bombardierung, Beschießung oder der Einsatz von Waffen jeder Art durch einen Staat gegen das Hoheitsgebiet eines anderen Staates
- die Blockade von Häfen oder Küsten durch die Streitkräfte eines anderen Staates
- ein Angriff der Streitkräfte eines Staates auf diejenige eines anderen Staates
- bei Einsatz von Streitkräften eines Staates mit Zustimmung eines anderen Staates auf dessen Hoheitsgebiet: der Verstoß gegen die vorgesehenen Bedingungen in der zugrunde liegenden Einwilligung oder Vereinbarung und jede Verlängerung über den Ablauf der Einwilligung oder Vereinbarung hinaus
- die Zurverfügungstellung seines Hoheitsgebietes durch einen Staat an einen anderen Staat zum Zwecke einer Angriffshandlung gegen einen dritten Staat
- das Entsenden bewaffneter Banden, Gruppen irregulärer Kräfte oder Söldner durch einen Staat, die mit Waffengewalt Handlungen vergleichbarer Intensität durchführen.
3. Offenkundigkeit eines Verstoßes gegen die Charta der Vereinten Nationen
Art, Schwere und der Umfang einer Angriffshandlung müssen dabei offenkundig gegen die Charta der Vereinten Nationen verstoßen. Diese sogenannte Schwellenklausel soll als tatbestandliches Korrektiv die Strafbarkeit auf eindeutige Fälle zu beschränken.[11]
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III. Planung, Vorbereitung und Einleitung eines Verbrechens der Aggression (§ 13 Abs. 2 VStGB)
Während das Führen eines Angriffskrieges und die Begehung einer Angriffshandlung in § 13 Abs. 1 VStGB unter Strafe gestellt wird, betrifft
§ 13 Abs. 2 VStGB die
Planung, Vorbereitung und
Einleitung dieser Handlungen. Der Strafrahmen liegt zwischen zehn Jahren und lebenslanger Freiheitsstrafe.
Nach der Gesetzesbegründung bedarf eine "Planung" noch
keines konkretisierten Angriffsvorhabens. Damit sollen Maßnahmen erfasst sein, die der Täter mit Blick auf ein noch nicht im Einzelnen konkretisiertes Angriffsvorhaben trifft, die jedoch über ein
schlichtes inneres Nachdenken über einen Angriffskrieg hinausgehen.13
Die "Vorbereitung" entfalte dagegen schon durch objektiv erkennbare und den späteren Angriff fördernde aktive Tätigkeiten eine gewisse Außenwirkung, als Vorstufe zur operativen Umsetzung des Plans.14
"Einleitung" ist nach der Gesetzesbegründung als unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB zu verstehen. Gemeint sind
Maßnahmen, die dem
Ausbruch von Gewalthandlungen unmittelbar vorgelagert sind und ohne Zäsur in den Ausbruch eines Angriffs münden. Damit falle es regelmäßig mit dem Versuch der Ausführung zusammen.14
§ 13 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VStGB nennt für eine Vorbereitungshandlung als objektive Bedingungen der Strafbarkeit die Ausführung einer Angriffshandlung (Nr. 1) oder die Herbeiführung einer konkreten Gefährdungslage (Nr. 2). Letztere entspricht der "Gefahr eines Krieges" in § 80 StGB a. F.[14]
IV. Täterschaft und Teilnahme
§ 13 Abs. 4 VStGB stellt fest, dass Beteiligter einer Tat nur sein kann, wer tatsächlich in der Lage ist, das
politische oder
militärische Handeln eines Staates zu
kontrollieren oder zu
lenken. Diese Regelung entspricht einem absoluten Sonderdelikt. Ziel dieser sogenannten
"Führungsklausel" ist entsprechend Art. 8bis des Römischen Statutes und des Völkergewohnheitsrechts "dem
einfachen Soldaten die mitunter schwierige Bewertung der Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Waffengewalt zu ersparen und ihn
nicht in den Personenkreis möglicher Straftäter einzubeziehen".[15]
Der Täter muss dabei
nicht Teil eines Staatsorgans sein. Auch
Privatpersonen ohne Regierungsverantwortung können Täter sein. Dabei setzt die
Täterschaft eine
effektive Kontrolle über das
Handeln des Staates voraus. Neben Wirtschaftsführern kommen dafür auch Angehörige ideologischer oder religiöser Eliten in Betracht.[16]
Im Unterschied zur Regelung des § 28 Abs. 1 StGB führt das Nichtvorliegen eines strafbegründenden besonderen persönlichen Merkmals beim Teilnehmer zur Straffreiheit. Für eine
Strafbarkeit von
* Anstiftern oder
Gehilfen bedarf es also deren
tatsächlicher Fähigkeit, das
politische oder
militärische Handeln des Staates zu
kontrollieren oder zu
lenken.16
V. Auswirkungen auf andere Tatbestände des StGB
1. Aufheben des § 80 StGB a. F. ("Vorbereitung eines Angriffskrieges")
Durch Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 Gesetzes vom 22. Dezember 2016 wurde § 80 StGB aufgehoben.
2. Änderungen des § 80a StGB ("Aufstacheln zum Angriffskrieg")
Durch Art. 2 Abs. 4 Nr. 4 des Gesetzes vom 22.Dezember 2016 wurde eine Anpassung des Wortlautes durchgeführt. Der bislang benutzte Begriff "Angriffskrieg" wurde durch "Verbrechen der Aggression" ersetzt. Diese redaktionelle Anpassung war auf Grund des Wegfalls des § 80 StGB a.F. und Einführung des § 13 VStGB geboten. Änderungen in der Anwendung der Vorschrift des Tatbestandes sind nicht zu erwarten.
3. Anwendung des § 111 Abs. 1 StGB ("Öffentliche Aufforderung zu Straftaten")
Mit Schaffung des § 13 VStGB und Wegfall des § 80 StGB a.F. wird nun gemäß § 111 Abs. 1 StGB auch die öffentliche Aufforderung zu einem Verbrechen der Aggression S. 88 (Heft 2/2017) strafbar.[17] Insoweit ist zur Bestimmung des lex specialis eine begriffliche Abgrenzung zwischen einer Aufforderung im Sinne des § 111 Abs. 1 StGB und einem Aufstacheln im Sinne des § 80 a StGB erforderlich.
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