Sonderabfallwissen / 1. August 2020
Elektromobilität und Recht
Entsorgung von E-Autos: Wer trägt die Verantwortung?
Elektromobilität ist längst mehr als nur ein Trend, immer mehr E-Autos erobern die Straßen. Doch im gleichen Maß berichten die Medien zunehmend über
Fälle, bei denen die
Bergung verunfallter Elektroautos zur wochenlangen Streitfrage wird. Grund dafür ist die p
roblembehaftete Entsorgung defekter Lithium-Ionen-Batterien. Während das
Recycling unbeschädigter Batterien inzwischen prinzipiell technisch machbar ist, ergeben sich bei
beschädigten E-Autos noch immer
Unklarheiten hinsichtlich der Verantwortlichkeiten der einzelnen Akteure.
Bei der Entsorgung von E-Fahrzeugen greifen mehrere gesetzliche Festlegungen. Maßgeblich ist neben der
Altfahrzeugverordnung (AltfahrzeugV) auch das
Batteriegesetz (BattG). Die
Verantwortlichkeiten von
Herstellern, Entsorgern und
Endnutzern sind weitestgehend klar geregelt.
Aufgrund ihres
Gefahrenpotentials müssen
Lithium-Ionen-Batterien als
Gefahrgut transportiert werden. Es gelten die Bestimmungen des
ADR. Für zusätzliche Sicherheit soll der seit
Januar 2020 verpflichtend mitzuführende
UN-Prüfbericht sorgen.
Der Transport von durch Unfall beschädigten E-Auto-Antriebsbatterien unterliegt besonderen Sicherheitsvorkehrungen. Es kommen spezielle Verpackungen und Dämmstoffe zum Einsatz. Transportieren dürfen nur ADR-zugelassene Speditionsunternehmen.
Es herrscht ein
eklatanter Mangel an Unternehmen, die auf den Transport verunfallter Elektroautos
spezialisiert sind.
Zudem erschwert fehlende Kenntnis über den Aufbau von E-Auto-Batterien den Einsatz der Rettungskräfte am Unfallort. Hinzu kommen versicherungstechnische Unklarheiten. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) betreibt Grundlagenforschung hinsichtlich des Austritts von Schadstoffmengen bei Unfällen mit E-Autos. Die
Erkenntnisse sollen die Basis für
gesetzliche Regelungen bilden, die die Sicherheit am Unfallort erhöhen. Zudem erarbeitet die BAM eine Klassifikation der Antriebsakkus nach Gefahrenpotenzial.
Rechtliche Grundlagen der E-Auto-Entsorgung
Grundsätzlich ist die Entsorgung von Elektroautos klar gesetzlich geregelt. Die Vorgaben der
Altfahrzeugverordnung (AltfahrzeugV) finden auch bei E-Autos Anwendung. Die Verordnung regelt die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung sowie die gemeinwohlverträgliche Beseitigung von Altfahrzeugen. Als „Fahrzeuge“ definiert werden darin solche, die zur Personenbeförderung mit höchstens 8 Sitzplätzen sowie Fahrzeuge zur Güterbeförderung mit einem Höchstgewicht von 3,5 t genutzt wurden. Die
AltfahrzeugV verpflichtet Autohersteller zur kostenlosen Rücknahme und
fachgerechten Entsorgung ihrer Fahrzeuge. Die Abwicklung erfolgt über eine
anerkannte Rücknahmestelle oder einen von einem Hersteller
bestimmten anerkannten Demontagebetrieb.
Aufgrund ihrer Antriebskomponente, einer bis zu 700 kg schweren, hochleistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterie, greift bei Elektroautos zusätzlich das Batteriegesetz (BattG). Fahrzeugbatterien werden darin unter dem Begriff „Industriebatterien“ geführt. Das BattG verbietet die Verbrennung oder Deponierung von Altbatterien. Sie gelten als Teile mit erhöhtem Gefährdungspotenzial und müssen deshalb ausgebaut und dem Recycling zugeführt werden. Welche Möglichkeiten des Recyclings von E-Auto-Batterien bereits praktiziert werden, haben wir im zweiten Teil unserer Reihe zum Thema E-Mobilität zusammengefasst.
Hersteller verpflichtet das Batteriegesetz zur kostenfreien Rücknahme und Verwertung von Batterien. Übernimmt dies ein Vertreiber, eine Behandlungseinrichtung oder ein Entsorger, gilt die Pflicht des Herstellers als erfüllt. Der betreffende Vertragspartner wird im öffentlich einsehbaren BattG-Melderegister des Umweltbundesamts gelistet. Endnutzer von Industriebatterien müssen diese laut BattG getrennt sammeln und an einen Vertreiber oder Entsorger übergeben.
Transportvorschriften für Lithium-Akkus
Die Inhaltsstoffe von Lithium-Ionen-Akkus zeichnen sich durch eine hohe Energiedichte, Reaktionsfreudigkeit und Entzündlichkeit aus und sind daher potenziell gefährlich. Nicht nur die Entsorgung selbst, sondern bereits der Transport eines ausgedienten E-Fahrzeugs zum Entsorger benötigt deshalb eine klare Reglementierung. Lithiumbatterien gelten als Gefahrgut und unterliegen damit den Gefahrgutvorschriften des ADR. Es führt Lithiumbatterien als Gefahrgut der
Klasse 9 („verschiedene gefährliche Stoffe und Gegenstände“) auf. Ein ordnungsgemäßer Gefahrguttransport erfordert eine ADR-Zulassung für das Transportfahrzeug, entsprechende Kennzeichnung sowie das Mitführen einer Schutzausrüstung für den Gefahrenfall.
Lithiumbatterien werden den folgenden UN-Nummern zugeordnet:
UN 3090: Lithium-Metall-Batterien (einschließlich Batterien aus Lithiumlegierung)
UN 3091: Lithium-Metall-Batterien in Ausrüstungen (einschließlich Batterien aus Lithiumlegierung) oder
UN 3091: Lithium-Metall-Batterien mit Ausrüstungen verpackt (einschließlich Batterien aus Lithiumlegierung)
UN 3480: Lithium-Ionen-Batterien (einschließlich Lithium-Ionen-Polymer-Batterien)
UN 3481: Lithium-Ionen-Batterien in Ausrüstungen (einschließlich Lithium-Ionen-Polymer-Batterien) oder
UN 3481: Lithium-Ionen-Batterien mit Ausrüstungen verpackt (einschließlich Lithium-Ionen-Polymer-Batterien)
UN 3171: batteriebetriebenes Fahrzeug
Um die Sicherheit zu erhöhen, gelten seit dem
1. Januar 2020 neue Vorschriften für den
Transport von Lithiumbatterien auf der Straße. Seither ist ein Prüfbericht notwendig, der Auskunft darüber gibt, ob eine Batterie einen nach UN-Regularien durchgeführten Test
(UN 38.3-Test) zur
Transportfähigkeit bestanden hat. In diesem Test wird die Widerstandsfähigkeit der Batterien gegen Transportbedingungen wie Druck, Hitze und Aufprall geprüft. Liegt der Prüfbericht
nicht vor, sind
Strafzahlungen fällig. Damit Spediteure den Transport zu entsorgender E-Autos also auf rechtlich sicheren Füßen bewerkstelligen können, müssen Hersteller den UN-Report zur Verfügung stellen.
Bei Nichtbeachtung können sonst Versicherungen im Brandfall die Zahlung verweigern.
Transport beschädigter Antriebsakkus
Industriebatterien gelten als beschädigt oder defekt, wenn sie nicht den Anforderungen des UN 38.3-Tests genügen. Das gilt in folgenden Fällen:
Zellen oder Batterien, die aus Sicherheitsgründen als defekt identifiziert worden sind
ausgelaufene oder entgaste Zellen oder Batterien
Zellen oder Batterien, die vor der Beförderung nicht diagnostiziert werden können
Zellen oder Batterien, die eine äußerliche oder mechanische Beschädigung erlitten haben
Wird der
Antriebsakku eines
E-Autos bei einem Unfall
beschädigt, kann es zu
Kurzschlüssen, Bränden oder gar
Explosionen kommen.
Unter entsprechend hohen Sicherheitsvorkehrungen muss der Transport beschädigter Lithium-Ionen-Batterien vonstatten gehen: Gemäß dem ADR muss er von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) genehmigt werden, die für jeden einzelnen Transport individuelle Festlegungen trifft. Um zu verhindern, dass Feuer ausbricht oder giftige Gase austreten, müssen etwa spezielle, nicht brennbare und temperaturstabilisierende Dämmstoffe zur Verpackung genutzt werden. Füllungsfreie Räume sind mit nicht leitfähigem und nicht brennbarem Inertmaterial, bspw. trockenem Sand, aufzufüllen. Kann die Batterie nicht aus dem Unfallfahrzeug entfernt werden, muss das E-Auto-Wrack als Ganzes in einem gefluteten Container transportiert werden, der eine Explosion verhindern soll. Transportieren dürfen solch hochgefährliche Fracht nur ADR-zugelassene Speditionsunternehmen.
Unklarheiten beginnen bereits vor dem Transport
Technisch und rechtlich schwierig wird es allerdings bereits vor dem Abtransport beschädigter Akkus. Denn die an einer Unfallstelle eintreffenden Pannenhelfer oder Rettungskräfte der Feuerwehr sind häufig nicht ausreichend geschult, um zu wissen, welche Komponenten und Stoffe da gerade brennen oder in Brandgefahr geraten und welche Löschmittel entsprechend hilfreich oder eventuell sogar kontraproduktiv wirken könnten. Hinzu kommen Gesundheitsgefahren für die Einsatzkräfte durch das eventuell unter Strom stehende Fahrzeug, austretende Gase und die Explosionsgefahr. Sonderabfallwissen berichtete darüber bereits ausführlich im ersten Teil der E-Mobilitätsreihe. Aus versicherungsrechtlicher Perspektive ist außerdem nicht klar, ob Dienstleister überhaupt die notwendige Behandlung des Fahrzeugs, etwa das Fluten, durchführen dürfen.
Entsprechend schwierig gestaltet sich der Abtransport verunfallter E-Autos im konkreten Fall. Denn:
Es gibt schlicht zu wenige auf den Transport defekter E-Autos spezialisierte und dafür ausgerüstete Unternehmen. Die Aussage von Stefan Jacobs, Geschäftsführer des Verbands der Bergungs- und Abschleppunternehmen (VBA), zur ihm bekannten Zahl solcher Unternehmen illustriert den eklatanten Mangel: „Mir fallen vielleicht ein, zwei Betriebe in ganz Deutschland ein.“
Handhabung nur durch qualifiziertes Fachpersonal
Auch für Personengruppen, die von Berufs wegen mit intakten oder beschädigten E-Auto-Batterien umgehen, gelten Rechtsvorschriften. Beschäftigte in Kfz-Betrieben, die Elektroaltfahrzeuge zerlegen, benötigen einen
Fachkundigen für
Hochvoltsysteme. Hantiert dieser mit
unbeschädigten E-Antriebsbatterien, ist eine
Hochvolt-Ausbildung der
Stufe 2 notwendig. Der Umgang mit
beschädigten Batterien erfordert eine Ausbildung der
Stufe 3, die die Befähigung zur Arbeit an unter Spannung stehenden Komponenten beinhaltet. Und auch für Pannenhelfer und Rettungskräfte gilt:
Nur dafür ausgebildete Fachkräfte dürfen Arbeiten an Elektroautos und darin enthaltenen Hochvoltkomponenten ausführen.
BAM erforscht Sicherheitsmaßnahmen für defekte E-Antriebe
Die problematische Bergungssituation für verunfallte Elektroautos steht in keinem Verhältnis zu den steigenden Absatzzahlen und den damit voraussichtlich nicht weniger auftretenden Unfällen, in die E-Autos involviert sein werden. Es ist also dringend geboten, Transparenz hinsichtlich des technischen Aufbaus und der stofflichen Zusammensetzung von in E-Autos enthaltenen Industriebatterien zu schaffen.
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