NTV / 09.06.2018 / von Tal Leder / Tel Aviv
Israel und Iran
Wie aus Freunden Feinde wurden
Israel und der Iran teilen keine Grenze und haben keinerlei territoriale Streitigkeiten. Dennoch sind sie Erzfeinde, in Syrien bekämpfen sich die beiden Staaten in einem Stellvertreterkrieg.
Das war nicht immer so.
"Die Diktatur dort ist bald zu Ende", ist sich Mosche Feinberg sicher. "Dann werde ich meine zweite Heimat wieder besuchen können." Wie Tausende Israelis lebte der 78-jährige Ex-General während der 70er-Jahre in Teheran. Sein Sohn Yaniv, der dort auf die Welt kam, gehört zu den Gründern der Social-Media-Kampagne "Israel loves Iran".
"Traurig, diese Entwicklung", sagt Feinberg über die Feindschaft der beiden Länder. "Israel und Iran hatten auf alle Ebenen intensive Beziehungen. Die Iraner waren immer meine Freunde."
Heute ist schwer vorstellbar, dass
Israel und der
Iran einmal
Verbündete waren. Nach der
Islamischen Revolution von 1979 hat Teheran seine Haltung zu Israel fundamental verändert. Seither gehört die Zerstörung des jüdischen Staates zur iranischen Staatsdoktrin.
Der Raketenbeschuss auf israelische Stützpunkte auf den Golanhöhen im letzten Monat war der erste direkte Angriff des Iran auf Israel. Ihren Konflikt tragen beide Staaten derzeit hauptsächlich in Syrien aus. Die Ajatollahs pflegen enge Beziehungen zu Damaskus. Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs im März 2011 unterstützen sie das Überleben des Assad-Regimes. Ihre enorme und immer stärkere Militärpräsenz in Syrien bringt immer härtere israelische Reaktionen hervor.
Und doch sind selbst heute, wo längst die Angst vor einem verheerenden Krieg umgeht, viele Beobachter der Auffassung, dass beide Länder nicht zwangsläufig Feinde sein müssten. Sie teilen keine gemeinsame Grenze und haben keine territorialen Streitigkeiten. Seit über
2700 Jahren leben Juden in Persien.
Iran war 1950, nach der Türkei, der zweite muslimische Staat, der Israel anerkannte. Der regierende Monarch konnte so Kontakte zu den USA aufbauen, die wiederum Verbündete in ihrem Kampf um regionale und globale Dominanz mit der Sowjetunion suchten.
"Alles wurde sehr diskret behandelt"
Während die heutige Rivalität des schiitischen Iran mit der mehrheitlich sunnitischen arabischen Welt zumindest äußerlich religiös geprägt ist, so stellte in den
1950er-Jahren der von Moskau unterstützte Panarabismus unter dem ägyptischen Präsidenten Nasser eine ernsthafte Bedrohung für den Schah dar. Für ihn war dies das wichtigste Motiv für die enge
Kooperation mit Israel. Trotzdem forderten religiöse Führer wie der spätere
Revolutionsführer Chomeini, dass sich ihr Land der arabischen Achse im Kampf gegen Israel anschließen sollte.
Aus Sicht des israelischen Staatsgründers David Ben Gurion passte der Iran in seine Peripherie-Doktrin, ein Konzept, das die Bemühungen des jüdischen Staat beschrieb, Beziehungen zu nicht-arabischen Staaten aufzubauen, um den arabischen Block zu schwächen. Zu diesen Ländern gehörten der Iran, die Türkei und Äthiopien sowie die maronitischen Christen im Libanon und die Kurden im Irak.
"Alles wurde sehr diskret behandelt", sagt Jossi Toledano, ein ehemaliger Verbindungsmann des israelischen Geheimdienstes Mossad. "Der Schah wollte die arabische Welt nicht gegen sich aufbringen. Iranische Diplomaten arbeiteten in Israel in geheimer Mission und ihre Botschaft wurde unter den Namen 'Bern 2' geführt. Zwar hatten wir eine enorme Präsenz in Teheran. Aber offiziell wurde Israel nie anerkannt."
Dennoch schwärmt Toledano noch heute von der Zeit. "Wir halfen beim Aufbau und Training des iranischen Geheimdienstes, während unser Militär ihre Offiziere ausbildete. Im vielen Bereichen wurde Teheran durch uns auf den neuesten Stand gebracht. Im Gegenzug erhielten wir Öl."
Nach dem Sieg Israels im Sechstagekrieg forderte das Schah-Regime Israel zum Rückzug aus den besetzten Gebieten auf. Auch den arabischen Angriff 1973 im Jom-Kippur-Krieg hielt Teheran offiziell für legitim. Dennoch unterstützte der Iran Israel mit Waffen und Öl.
"Aber ein Jahr danach kauften sie Waffen bei uns"
Bei den iranischen Nuklearplanungen, die schon 1959 unter dem Schah mithilfe der USA begannen, standen ab 1968 israelische Atomforscher beratend zur Seite.
Aus heutiger Sicht ist schwer vorstellbar, dass Israel und der Iran nur zwei Jahre vor dem Sturz des Schahs mit dem "Projekt Blume" an einem gemeinsamen Plan einer Atomsprengkopfrakete arbeiteten.
"Alles endete mit der Islamischen Revolution von 1979, als der Schah in einem Volksaufstand gestürzt und durch ein fanatisches Mullah-Regime ersetzt wurde", erklärt Amos HaCohen, ein ehemaliger israelischer Diplomat im Iran. "Diese Zeit war beängstigend, wir flohen Hals über Kopf", erinnert er sich. Während der Evakuierung erlebte er, wie der neue Führer des Landes, Ajatollah Chomeini, die Beziehungen zu den USA und Israel beendete. "Aber ein Jahr danach, während des verheerenden Krieges mit dem Irak, kontaktierten sie uns wieder und kauften jährlich Waffen im Wert von ungefähr 500 Millionen US-Dollar", sagt HaCohen lachend.
Trotzdem wurde der Ton zwischen beiden Ländern im Laufe der Jahre feindseliger und bedrohlicher. Die Ajatollahs unterstützten radikalislamische Terrorgruppen wie die palästinensische Hamas und die libanesische Hisbollah. Unter
Präsident Ahmadinedschad erreichte die Rhetorik ihren Höhepunkt, als er die
Vernichtung Israels forderte und den
Holocaust zum Mythos erklärte.
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