Im Asowstal zerfleischen sich gerade Regierung und Nazis
Asow-Nazis im Mariupol-Stahlwerk werfen Kiew vor, Verteidigung Mariupols nicht vorbereitet zu haben
         9 Mai 2022 14:30 Uhr     
                 Wladimir Selenskij hat erklärt, dass die Blockade des  Stahlwerks Asowstal in Mariupol militärisch nicht zu brechen ist.  Derweil wird das Debakel der ukrainischen Truppen an dieser Front gerade  Kiew vorgeworfen – von den Nazis des Asow-Bataillons, die im Werk  festsitzen.             

© Screenshot Hromadske.TV
Der  stellvertretende Kommandeur des neofaschistischen Asow-Bataillons der  ukrainischen Nationalgarde Swjatoslaw "Kalina" Palamar (l.) und der  Leiter der Bataillonsaufklärungsdienstes Ilja Samoilenko (r.) bei einer  Presse-Fernkonferenz am 8. Mai 2022 im Stahlwerk Asowstal in Mariupol
Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij 
[Links nur für registrierte Nutzer]  auf einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit dem kanadischen  Premier Justin Trudeau am 8. Mai, dass Mariupol noch nicht mit  militärischen Mitteln "befreit" werden könne, da es der Ukraine an  schweren Waffen fehle:
"Es ist unmöglich, die  Blockade von Mariupol militärisch aufzuheben. Das ist heute unmöglich.  Das sind nicht bloß Gedanken – das sind Schlussfolgerungen unserer  Armeeführung."
Dabei scheint es Selenskij nicht  so sehr um die Rückeroberung der ganzen Stadt zu gehen als vielmehr um  die im Metallurgiekombinat Asowstal festsitzenden rechtsextremen Truppen  des Bataillons Asow:
"Russland tauscht Militärs nur dann aus, wenn diese Militärs Gefangene sind – und zwar ebenfalls gegen Kriegsgefangene.  So sieht die Lage aus. Dies ist die Antwort, die wir von der Russischen  Föderation erhalten haben. Es gibt keine anderen Antworten."
Michail Podoljak, Berater des Chefs des ukrainischen Präsidialamtes, 
[Links nur für registrierte Nutzer], Kiew tue alles, um die neonazistischen Milizen heil aus dem Werk herauszubringen:
"Jedes  Gespräch, das der Präsident mit ausländischen Staatsoberhäuptern und  internationalen Organisationen führt, beginnt und endet mit dem Wort  'Asowstal'. Wir berechnen alle möglichen Formeln und Formate, und wenn  es in der Geschichte des internationalen Rechts keine solchen Formate  gibt, schlagen wir neue vor."
Unterdessen erklärten die ukrainischen Behörden, dass sie den Abzug von "Verwundeten und Sanitätern" aus Asowstal vorbereiten.
                                                                                                                                  
 
    
          
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  Ilja Samoilenko, Leiter der Aufklärung von Asow, der im  Metallurgiekombinat zusammen mit den Truppen des rechtsextremen  Bataillons und dem stellvertretenden Kommandeur Swjatoslaw "Kalina"  Palamar eingesperrt ist und zusammen mit dem Letztgenannten am 8. Mai  eine Pressekonferenz per Video-Fernschaltung 
[Links nur für registrierte Nutzer],  sah dies eher kritisch: Das medizinische Personal, dessen Evakuierung  aus Asowstal von den Behörden angekündigt worden war, sei zwar  "erschöpft", gab er zu. Gleichzeitig wies Samoilenko darauf hin, dass  die Truppen im Falle einer Evakuierung der Ärzte und Arzthelfer nur  eingeschränkt medizinische Hilfe erhalten könnten.
Die  Asow-Kämpfer selbst, fuhr er fort, könnten jedoch ihrerseits ebenfalls  "nur evakuiert" werden, da sie "alle Mittel aufgewendet hätten, um sich  wirksam zu verteidigen". Sich zu ergeben, sei für sie keine Option,  sagte Samoilenko. Er zitierte die Geschichte eines Soldaten, der in  einem Propagandavideo über sich ergebende Ukrainer lebendig gefilmt  wurde, "und dann erhielt seine Mutter eine Nachricht über seinen Tod".
Risse zwischen dem wichtigsten Nazi-Bataillon und Kiew: "Planung und Organisation gescheitert"
Die Kommandeure von Asow beschuldigten die ukrainische Regierung unter anderem, nicht genug für ihre Befreiung zu tun.
Der  Stellvertretende Kommandeur Palamar kritisierte die Regierung für deren  neuerdings nur auf eine Evakuierung von Zivilisten vom Territorium des  Metallurgiewerks konzentrierte Bemühungen: 
"Was  mir auf der Seele brennt: Während der Verhandlungen waren Äußerungen von  einigen Politikern zu hören: 'Jungs, ihr sollt euren Belangen nachgehen  und Zeit schinden, damit wir alle Zivilisten herausholen können.' Es  ist schade, dass einige Politiker in der Ukraine kein  Fingerspitzengefühl haben, sondern nur den Zynismus, dass dies nur eine  erfolgreiche Operation zur Evakuierung von Zivilisten ist."
Er  behauptete weiter, dass seine Einheit schon seit zwei Monaten auf die  Evakuierung von Zivilisten aus Mariupol dränge, und erst, als Asow in  Asowstal eingesperrt gewesen war, sei auch dem Bataillon Aufmerksamkeit  zugekommen.
Der Vorwurf des Nazi-Bataillons an Kiew ist indes von  viel größerer Tragweite. Aufklärungsoffizier Samoilenko trug deutlich  dicker auf:
"Unsere Regierung hat es versäumt,  Mariupol zu schützen und die Verteidigung von Mariupol vorzubereiten.  Das Problem ist, dass viele Menschen uns Helden nennen, obwohl wir nur  unsere Arbeit machen. Wir werden bewundert. Tatsache ist, dass Heldentum  entsteht, wenn Planung und Organisation scheitern."
Er  wies darauf hin, dass sich Asow auch aus Mariupol hätte zurückziehen  können, doch es hatte den Befehl, die Stadt zu verteidigen. Gleichzeitig  hatte Asow 
keinen Befehl, die Verteidigung von Mariupol  vollständig zu übernehmen, sondern das Regiment beschloss, dies auf  eigene Faust zu tun, da sich niemand traute, dies zu tun.
"Das  Problem ist, dass viele Regierungsbeamte die Verteidigung der Ukraine  in den letzten Jahren, ich würde sagen, in den letzten acht Jahren,  sabotiert haben."
Er erklärte, auch die Kampfvorbereitungen von Asow seien "von Beamten, Bürokraten und der Regierung sabotiert worden":
"Jeder  hat uns einfach daran gehindert, uns auf die Verteidigung vorzubereiten  – denn wir wussten, dass ein großer Krieg mit Russland bevorstand. Wir  wussten es, und wir waren bereit, zumindest, so weit wir es sein  konnten: in der Ausbildung, bei der Beschaffung von Ausrüstung und  Munition und wiederum in der Ausbildung, bei der Einführung neuer  Standards."
Ihm zufolge musste das offiziell als  Regiment geführte Bataillon seine eigenen Kontakte zu den westlichen  Militärs knüpfen und von ihnen alle Informationen erhalten, an denen es  interessiert war. Wegen des Vorwurfs des Neonazismus seien Asow jedoch  keine westlichen Waffen zur Verfügung gestellt worden.
                                                                                                                                  
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  Auch die Ehefrau des Kommandeurs des Asow-Regiments Denis Prokopenko,  bekannt unter seinem Rufnamen "Redis", Katerina Prokopenko, ging  ebenfalls nach der Pressekonferenz mit den Kämpfern in Asowstal an die  Öffentlichkeit. Sie bezeichnete die von den ukrainischen Behörden  ergriffenen Maßnahmen als unzureichend und rief alle auf, sich um die  Rettung ihres Mannes und seiner Kameraden zu bemühen.
Ein  separates Hühnchen hat der Leiter der Bataillonsaufklärung mit Oberst  Wladimir Baranjuk zu rupfen – er warf dem Kommandeur der 36.  Marineinfanterie-Sonderbrigade der ukrainischen Streitkräfte Feigheit  vor:
"Wir hatten die Wahl, davonzulaufen wie  Feiglinge, die nur an sich selbst denken und die Pflicht vergessen. So  erging es auch dem Kommandeur der 36. Marineinfanteriebrigade: Er  weigerte sich, Befehle zu befolgen und versuchte, mit einer kleinen  Gruppe auf gepanzerten Fahrzeugen aus der Stadt zu fliehen."
Auch der Kommandeur von Asow Denis Prokopenko stellte seinerseits in einem Interview mit der 
Ukrainskaja Prawda  die These auf, dass das ukrainische Militär die Verteidigung am rechten  Ufer von Mariupol lange hätte halten können, wenn nur der Kommandeur  der 36. Marinebrigade sich nicht für einen Ausbruch aus dem  Iljitsch-Werk entschieden hätte:
"Warum eine solche Entscheidung getroffen wurde, ist mir nicht bekannt."
Jedenfalls kam Baranjuk in russische Gefangenschaft – und 
[Links nur für registrierte Nutzer],  seinerseits von der Entscheidung sehr verwundert gewesen zu sein, als  er und seine Marineinfanteriebrigade dem Asow-Bataillon unterstellt  wurden – und er damit als dem Militär angehörig der Nationalgarde und  daher dem Innenministerium unterstellt wurde. Der Oberst betonte:
"Meist ist dies andersherum."
Baranjuk  stimmt in einer Sache mit den Asow-Neofaschisten überein: Auch er wirft  dem hohen Militärkommando und der Regierung in Kiew vor, dem Kontingent  der regimetreuen Truppen in Mariupol keine Hilfe gewährt zu haben. Mit  dem Fehlen dieser Hilfe – und implizit mit der Absicht, seine Soldaten  zu retten – erklärte er seinen Ausbruchsversuch:
"Aus  Kiew hieß es: durchhalten. Durchhalten … Na ja, uns wurde auch etwas  anderes gesagt. Dass Einheiten zur Brechung der Blockade unterwegs sind,  'bald sind sie bei euch' … Na ja, also haben sie uns angelogen mit dem  Versprechen bestimmter Hilfe. Dementsprechende Hilfe blieb aus. Das  bewog uns denn auch zum Ausbruch unseren eigenen Einheiten entgegen."
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