Hitlers angebliche Finanzierung durch die Wallstreet
Seit Anfang der dreißiger Jahre halten sich Gerüchte, daß Hitler und seine Partei mit Hunderten von Millionen Mark aus jüdischen Kreisen der USA finanziert worden seien. 1933 erschien ein Buch von einem Sidney P. Warburg [1] darüber, wonach der Parteiführer in drei Raten 128 Millionen Reichsmark bekommen habe. Das Buch wurde dann bald vom Markt genommen - anscheinend vom Verlag selbst zurückgezogen -, blieb aber in wenigen Exemplaren erhalten. Das angebliche englische Original ist verschollen.
Im Jahre 1983 wollte der angesehene Droemer-Verlag in München mit diesem Buch als Sensation herauskommen. Doch der Verlag schreckte dann vor einer Veröffentlichung zurück, denn: »Die Echtheit des Dokuments habe nicht nachgewiesen werden können.« [2]
Die Hamburger Forschungsstelle für die Geschichte des Nationalsozialismus bescheinigte, daß es sich um eine bereits 1954 erwiesene Fälschung handele.
Im Jahre 1948 erschien ein Buch »Spanischer Sommer« von Severin Reinhard [3] mit ähnlichem Inhalt, eine weitere Schrift zu dem Thema von Heinz Scholl später, in der von 178 Millionen Reichsmark die Rede ist. [4]
Ausländische Zeitungen [5] schrieben ebenso von jüdischen Zahlungen an Hitler, wenn auch in sehr viel geringerer Höhe.
In seinem Buch »Hexen-Einmal-Eins einer Lüge« [6] widmete Emil Aretz ein Kapitel »Hitlers ausländischen Geldgebern«. Darin werden viele Zitate aus Sidney Warburgs Buch gebracht und die einzelnen Schritte des Vorgehens gegen dieses beschrieben. Der Verfasser hält die Vorwürfe gegen Hitler für berechtigt.
Der in London geborene Antony C. Sutton brachte 1976 das Buch Wall Street and tbe Rise of Hitler heraus. [7]
Er kam zu dem Ergebnis, daß vor 1933 nur geringe Gelder von US-Firmen und Banken an die NSDAP flössen, nach 1933 über deutsche Tochterfirmen mehr, wobei amerikanische Unternehmen bis weit in den Zweiten Weltkrieg gut verdient hätten. Er widmete das Kapitel 10 seines Buches [8] dem »Mythos von Sidney Warburg«. Nach seinen Forschungen gab es einen Sidney Warburg gar nicht, handelte es sich um ein Pseudonym, war das Buch eine Fälschung. Er brachte auch den Text einer eidesstattlichen Erklärung von James Paul Warburg, dem Familienoberhaupt der amerikanischen Bankiersfamilie, vom 15. Juli 1949, der sich darin von dem Sidney Warburg-Buch distanziert.
Im Jahre 1983 erschien Sidney Warburgs Buch von 1933 in einer Neuauflage mit dem Anspruch auf Glaubwürdigkeit. [9]
In einer ausführlichen Einleitung schilderte der Herausgeber den historischen Hintergrund, und im Anhang wurde die bisherige Geschichte der Veröffentlichung dargelegt. Zweifel an der Authentizität der Veröffentlichung wurden auszuräumen versucht.
Schon früh sprachen sich führende Zeitzeugen wie der ehemalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht gegen die Gerüchte von einer Finanzierung der NSDAP vor 1933 durch Millionen Reichmark von US-Banken aus. Nach Kriegsende nahm der frühere Reichskanzler (1932) und Vizekanzler (1933-1934) unter Hitler, Franz Von Papen (18791969), in seinen Erinnerungen zu dem Sidney Warburg-Buch ausführlich Stellung,[10] sprach von »schmutzigen Gerüchten« und versicherte insbesondere, daß er im Gegensatz zu den Behauptungen des Buches keinen Pfennig für Hitler oder dessen Bewegung beigesteuert habe »weder aus eigenen noch aus anderer Leute finanziellen Quellen«. [11]
Auch nahe Mitarbeiter Hitlers, wie der angesehene Bankier und Hamburger Erste Bürgermeister (1933-1945) Carl Vincent Krogmann, erklärten, daß eine solche finanzielle Hilfe aus den USA — und damit politische Abhängigkeit — nicht stattgefunden habe. Ebenso versicherten Zeitzeugen wie Dr. Hans Riegelmann, Saarbrücken, daß dieses Gerücht jeder Wirklichkeit entbehre.
Die Unterstützung Hitlers durch deutsche Unternehmen vor 1933 untersuchte der Würzburger Historiker Rainer F. Schmidt, der auch zu dem Ergebnis kam, daß eine solche Hilfe unbedeutend war und sich die Partei vor 1933 vor allem aus kleinen Spenden ihrer Anhänger und aus dem geschickten Verkauf verschiedener Artikel finanziert habe.
Aus der eidesstattlichen Erklärung von James Paul Warburg, vom 15. Juli 1949:
»... 2. Es gab keine Person mit Namen »Sidney Warburg« in New York City im Jahre 1933 und auch sonstwo zu dieser oder zu irgendeiner anderen Zeit, soweit mir bekannt ist.
3. Ich habe niemals ein Manuskript, Tagebuch, Notizen, Telegramme oder irgendwelche anderen Dokumente an irgendeine Person zur Übersetzung und Publikation in Holland gegeben, und besonders habe ich niemals solche Unterlagen an den angeblichen J. G. Sholjp in Antwerpen gegeben. Nach bestem Wissen und Erinnerung habe ich mich niemals mit einer solchen Person getroffen.
7. Ich hatte nirgendwo und zu keiner Zeit eine Diskussion mit Hitler, mit irgendeinem Naziführer oder sonst jemandem wegen Unterstützungsgeldern für die Nazipartei...
8. Im Februar 1933 (siehe Seiten 191 und 192 des »Buches Spanischer Sommer«), als ich angeblich Hitler die letzte Abschlagzahlung des amerikanischen Geldes gebracht habe und ich sowohl von Göring und Goebbels als auch Hitler empfangen wurde, kann ich nachweisen, daß ich keineswegs in Deutschland war. Ich habe niemals einen Fuß nach Deutschland gesetzt, nachdem die Nazis im Januar 1933 an die Macht gekommen sind. Im Januar und Februar war ich in New York und Washington, wo ich in meiner Bank arbeitete und mit der Wahl des Präsidenten und der nachfolgenden Bankenkrise beschäftigt war. Nachdem Mr. Roosvelt am 3. März 1933 im Amt war, habe ich ununterbrochen mit ihm gearbeitet, indem ich ihm half, die Tagesordnung für die WeltWirtschafts-Konferenz aufzustellen, zu welcher ich als Finanzberater Anfang Juni geschickt wurde. Hierüber gibt es eine Anzahl veröffentlichter Berichte.« [12]
Quellen:
[1] Zuerst in Holland als De Geldbronnen van hetNationaal-Socialisme. Drie Gesprekken met Hitler door Sidney Warburg vertaald door J.G. Schoup, Van Holkema &Warendor. Amsterdam 1933, deutsche Übersetzung in der Landesbibliothek in Bern, Schweiz. Nach dem Vorwort hat Schoup, der »Übersetzen« der Gespräche, von Warburg das englische Manuskript mit der Bitte um Übersetzung erhalten. Da es keinen Sidney in der Familie Warburg gibt, sollte es sich bei diesem um James P. Warburg handeln.
[2] H. H. (Heinrich Härtle), »Judengeld für Hitler?« in: Deutsche Monatshefte, Juni 1983, S. 37.
[3] Severin Reinhard, »Spanischer Sommer«, Ähren, Zürich 1948; Prometheus, Buenos Aires 1952.
[4] Heinz Scholl, Von der Wallstreet gekauft, VHZ, Euskirchen, o. J. Dort wird auch das betreffende Kapitel aus Reinhards Buch (Anm. 3) wörtlich wiedergegeben (S, 53-141) wie auch Auszüge aus dem sog. Konstantin-Bericht (S. 35-52) zu den Unterlagen im Abegg-Archiv in der Schweiz.
[5] So z. B. die Baseler National-Zeitung, 28. 1. 1937, mit 10 Millionen Dollar.
[6] Emil Aretz, »Hexen-Einmal-Eins einer Lüge«, Hohe Warte, Pähl 1972, S. 217-246.
[7] Antony C. Sutton, »Wallstreet and the Rise of Hitler«, '76 Press, Seal Beach (Kalifornien) 1976; deutsch: »Wall Street und der Aufstieg Hitlers«, übersetzt von Helmut Herttrich, O. O. 1997.
[8] Ebenda, S. 131—146 der deutschen Übersetzung .
[9] Ekkehard Franke-Gricksch (Hg.), »So wurde Hitler finanziert. Das verschollene Dokument von Sidney Warburg über die internationalen Geldgeber des Dritten Reiches«, Diagnosen, Leonberg 1983.
[10] Franz Von Papen, »Der Wahrheit eine Gasse«, Paul List, München 1952, S. 257 ff.
[11] Ebenda, S. 259.
[12] Antony C. Sutton, »Wall Street und der Aufstieg Hitlers«, übersetzt von Helmut Herttrich, o. (). 1997, S. 141-144.