
Zitat von
Landogar
An dieser Stelle mal ein Bericht aus dritter Hand:
Ich habe heute Mittag mit meinem in Lörrach lebenden russisch-ukrainischen Bekannten telefoniert. Einer seiner Cousins in Kiew hat heute wohl eine ehemalige gemeinsame Schulfreundin aus Butscha bei sich und seiner Frau aufgenommen, sie soll zum Glück nur leicht verletzt sein, ein oberflächlicher Streifschuss am Unterarm. Sie und ihre Mutter hatten sich wohl vor einigen Tagen aus dem Keller ihres zerstörten Hauses gewagt, weil es, trotz einzelner Schüsse, relativ ruhig gewesen sein soll und sie sich auf der Suche nach Lebensmitteln machen wollten. Dabei sind sie auf der Straße schon auf viele Tote gestoßen, zum Teil Nachbarn, die wahllos erschossen worden sein sollen, darunter auch zwei Kinder. Darum haben sie auch sofort Reißaus genommen, als sie in einigen Metern Entfernung eine russische Patrouille sahen, die auch sofort auf sie anlegt haben soll. Ihre Mutter wurde wohl sofort tödlich getroffen, sie selbst konnte sich schnell in eine nahe Ruine retten und verstecken. Sie war wohl auch einige der wenigen, die den Rückzug der Russen mitbekommen hat. Viele andere Bewohner hatten sich ebenfalls in ihren Kellern versteckt. Da es kein Internet oder Telefon mehr gab, war den meisten wohl gar nicht klar, dass die Russen weg sind. Das wurde ihnen erst mit dem Auftauchen der ersten ukrainischen Streitkräfte bewusst.
Ihre Mutter wurde gestern in einem Massengrab beigesetzt, sie selbst wurde auf ihren Wunsch hin nach Kiew gebracht. Sie meinte noch, dass auch einige tschetschenische Einheiten unter den russischen Soldaten gewesen sein sollen. Zu Beginn der Besatzung sei die Stimmung noch sehr friedlich gewesen. Die russischen Soldaten hatten angeblich überhaupt keine Ahnung, was eigentlich ihr Auftrag ist. Sie hatten wohl nur den Befehl, die Stadt zu halten, haben aber ihrerseits ständig die Bewohner nach Neuigkeiten zum Kriegsverlauf gefragt. Irgendwann, als die Verpflegung für die Soldaten ausblieb, soll das Plündern angefangen haben. Zugleich gab es immer mehr Druck seitens der ukrainischen Streitkräfte, die den Russen schwer zusetzten und dutzende Panzer zerstörten. Das war wohl der Kippunkt. Die Stimmung schlug endgültig um; die Bewohner wurden verdächtigt, den ukrainischen Streitkräften zum Teil die genaue Positionen von Panzern und Unterkünften mitgeteilt zu haben, was wohl auch zutrifft. Die Bewohner wurden wohl also zunehmend als feindlich wahrgenommen. Das, und die eigenen steigenden Verluste, haben dann wohl zu diesen Kriegsverbrechen geführt.
Mir stellt sich das so dar, dass es kein geplantes und von oben orchestriertes Vorgehen war, sondern ein frustrierter Mob russsischer/tschetschenischer Soldaten, die nicht nur von ihrer eigenen Führung im Stich gelassen wurde, sondern jeden Tag gemerkt haben, dass die Menschen, die sie angeblich befreien sollten, ihnen zunehmend feindselig gegenüber standen.