ATLANTIK-BRÜCKE e.V. / 30.10.2020 (Auszug)
DOSSIER
Die Sanktionsspirale der USA gegen Nord Stream 2
Problemstellung – Positionen – Konsequenzen
Das 
Erdgaspipeline-Projekt Nord Stream 2 wurde bereits seit der 
Ankündigung des Projektes im Jahr 
2015 von 
politischen Auseinandersetzungen begleitet. Diese betreffen in 
erster Linie das 
Verhältnis zwischen den 
Vereinigten Staaten und 
Russland einerseits sowie zwischen den 
USA und 
mehreren Staaten der 
Europäischen Union andererseits. 
...
Die 
transatlantische Dimension der Auseinandersetzungen ist als 
schwerwiegend zu betrachten. Denn nach 
zwei vom US-Kongress 
verabschiedeten Gesetzen bereiten Senatorinnen und Senatoren sowie Abgeordnete mittlerweile ein 
drittes Gesetz vor. 
Der 
Kern der bestehenden und der geplanten 
legislativen Maßnahmen besteht aus 
Sanktionen gegen 
Unternehmen, die an 
Nord Stream 2 beteiligt sind.
...
Ziel ist es, die 
Kapazität der 
direkt von 
Russland nach 
Deutschland führenden Pipelines – 
Nord Stream 1 ist seit 
2011 in 
Betrieb – auf 
110 Milliarden Kubikmeter pro Jahr zu 
verdoppeln. Die neue Pipeline verläuft auf dem Grund der Ostsee, ihr Startpunkt soll im russischen Ort 
Ust-Luga liegen, etwa 
100 Kilometer westlich von 
St. Petersburg. In 
Lubmin in 
Mecklenburg-Vorpommern soll die Pipeline nach dem ursprünglichen Plan 
anlanden. 
Die nachgelagerte europäische Infrastruktur ist weitgehend 
betriebsbereit fertiggestellt. Ziel ist es, die Kapazität der direkt von Russland nach Deutschland führenden Pipelines – Nord Stream 1 ist seit 2011 in Betrieb – auf 110 Milliarden Kubikmeter pro Jahr zu verdoppeln. Zu 
94 Prozent ist die Verlegung von Nord Stream 2 
abgeschlossen. In dänischen und deutschen Gewässern fehlen circa 160 Kilometer an Offshore-Leitung bis zum Lückenschluss. Die Länge der Pipeline beträgt insgesamt 
1.230 Kilometer. 
Nord Stream 2 gehört dem 
russischen Staatskonzern Gazprom als 
alleinigem Eigentümer. Die Unternehmen 
Wintershall Dea und 
Uniper aus Deutschland, 
ENGIE aus Frankreich, 
OMV aus Österreich sowie die niederländisch-britische 
Shell beteiligen sich 
zur Hälfte an der 
Finanzierung der 
Pipeline.
Dieses 
Dossier zeigt zunächst insbesondere die 
Argumentationslinien von 
Senatorinnen und 
Senatoren der Republikanischen und der Demokratischen Partei in Bezug auf 
erweiterte Sanktionen gegen 
Nord Stream 2 auf. E
Es folgt eine 
Analyse der 
Reaktion der deutschen Bundesregierung auf die geplanten US-Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung. Zum 
Abschluss des 
Dossiers steht Europas Versorgungssicherheit im Spannungsfeld zwischen Abhängigkeiten und Diversifizierung von Energieträgern im Mittelpunkt. Auch gibt es einen kurzen Ausblick auf den Fortgang dieser transatlantischen Auseinandersetzung, sollte Joe Biden zum US-Präsidenten gewählt werden.
DAS ERWEITERTE SANKTIONSREGIME DES US-SENATS IN BEZUG AUF RUSSLAND UND EUROPAS ENERGIEVERSORGUNG
Die 
bisherigen Sanktionen der USA gegen 
Nord Stream 2 sind in 
zwei Gesetzen verabschiedet worden. Das erste Gesetz von 
2017 trägt den Titel 
CAATSA, was für 
Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act steht. Ursprünglich sollte es 
Countering Iran’s Destabilizing Activities Act lauten. Das zweite Gesetz, 
PEESA, trat im Dezember 
2019 in Kraft. Dieses Kürzel steht für 
Protecting Europe’s Energy Security Act. 
Beide Gesetzestexte beinhalten aus Sicht eines früheren Beraters für europäische Energiesicherheit des Department of State sowohl unter der Obama-Administration als auch der Trump-Regierung begrenzte Sanktionen, die auf die zum Einsatz kommende Technologie ausgerichtet sind. 
Die Strafmaßnahmen zielen generell darauf ab, die Fertigstellung der Pipeline zu verhindern.
Für ein 
drittes Gesetz mit dem Titel 
PEESCA, was für 
Protecting Europe’s Energy Security Clarification Act steht, liegt seit dem 4. Juni 2020 ein Entwurf des US-Senats vor. Die Demokratin Jeanne Shaheen aus New Hampshire und der Texas vertretende Republikaner Ted Cruz führen dabei eine parteiübergreifende Gruppe von Senatorinnen und Senatoren an. Dem ehemaligen Regierungsberater zufolge kommen in 
PEESCA intelligente Sanktionen zum Tragen. Das heißt, die 
bestehenden Strafmaßnahmen der 
ersten beiden Gesetze werden im Umfang 
präziser zugeschnitten. 
... 
Die 
überparteiliche Haltung des Parlamentes ebenso wie der Regierungen von Präsident Obama und Präsident Trump ist ein wesentliches Merkmal des 
starken Sanktionsregimes gegenüber der 
Pipeline. 
Was 
Nord Stream 2 angeht, herrscht eine 
seltene Einigkeit zwischen der Republikanischen und Demokratischen Partei. 
...
Was soll der neuerliche Gesetzentwurf zu Nord Stream 2 bewirken?
Das in der Planung befindliche Gesetz PEESCA soll legislativ in den U.S. National Defense Authorization Act (NDAA) von 2020 eingebettet werden. Damit sollen 
Sanktionen gegen 
jegliche Firmen anwendbar sein, die sich an 
Aktivitäten beteiligen, die das 
Verlegen der Pipeline 
ermöglichen oder 
jede andere Art von technischer Unterstützung 
zur Verfügung stellen. Die offensichtlichen Ziele der Strafmaßnahmen richten sich zunächst gegen 
zwei Verlegeschiffe unter russischer Flagge, die im für 
Nord Stream 2 logistisch wichtigen Hafen von 
Mukran der 
Insel Rügen liegen.
Die 
erste Gruppe von 
Sanktionen gegen Nord Stream 2 bezieht sich auf den 
Bau beziehungsweise die 
letzte Bauphase der Pipeline. Sie richten sich gegen zwei Verlegeschiffe unter russischer Flagge im Hafen von Mukran der Insel Rügen, der für Nord Stream 2 logistisch wichtig ist. Es handelt sich um die „Akademik Cherski“ und die „Fortuna“, deren Besitzer das russische Unternehmen MRTS ist. 
...
Die 
amerikanischen Strafmaßnahmen richten sich zudem gegen 
„umwelt- und sicherheitsrelevante Bautätigkeiten, die das Verlegen von Rohren ermöglichen, einschließlich der Vorbereitung des Verlegekorridors, des Aushebens von Gräben, der Vermessung, des Einbringens von Gestein sowie des Verschweißens und Absenkens der Rohre“, wie es in einer Unternehmensaussage der Nord Stream 2 AG heißt. Der Transport von Rohren und die Stabilisation des Meeresbodens zählen ebenfalls zu den Konstruktionsarbeiten der neuen Pipeline, die unter die 
potenzielle Anwendung von 
US-Sanktionen fallen. Im Zuge des Baufortschrittes von Nord Stream 2 werden darüber hinaus bestimmte andere Dienstleistungen erforderlich. Den Informationen des Unternehmens zufolge betreffen die 
neuen Sanktionen Firmen, die 
Dienstleistungen, Versicherungen oder spezielle 
Nachrüstungsdienste für 
Verlegeschiffe anbieten. 
...
Die 
zweite Gruppe von 
Sanktionen gegen die Pipeline ist auf 
deren Betrieb ausgerichtet. Denn bereits die 
Inbetriebnahme der 
Pipeline soll nach Auskunft von Nord Stream 2 
ebenfalls sanktioniert werden. Gleiches gilt in einer Klausel des Gesetzes für Dienstleistungen wie Prüfungen, Inspektionen oder Zertifizierungen, die für den Betrieb von Nord Stream 2 erforderlich sind. Und auch wenn die Pipeline einmal in Betrieb gegangen ist, braucht sie weitere Dienstleistungen – etwa Wartungen –, wie aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) verlautet.
Eine 
dritte Gruppe von Sanktionen des Gesetzes PEESCA könnte sich auf Behörden beziehen. Laut der Nord Stream 2 AG ist das verwaltungstechnische Handeln von staatlichen Behörden auch in Deutschland im Zusammenhang mit der Fertigstellung oder dem Betrieb der Pipeline 
sanktionsrelevant.
Was die 
technische Anwendung des neuen Gesetzes angeht, soll es 
rückwirkend zum 
Datum des 
Inkrafttretens des 
zweiten Gesetzes, PEESA, gelten. Damit stellt es auch 
seit Dezember 2019 abgeschlossene Arbeiten 
unter Strafe. 
Jeder Schritt, der die 
physische Konstruktion des Röhrensystems 
vorantreibt, kann 
sanktioniert werden. 
...
Im Ergebnis sei die Zielrichtung der amerikanischen Sanktionsgesetzgebung eindeutig: Die Inbetriebnahme der Nord Stream 2 solle verhindert werden, berichten hochrangige Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums. Das dritte Gesetz soll sicherstellen, dass die bestehenden Sanktionen ausreichen, um Nord Stream 2 zeitlich unbegrenzt zu stoppen.
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