
Zitat von
OneDownOne2Go
Natürlich ist die Mär von der "Befreiung" genau das, eine Mär. Weder Russen, noch Amis, noch Briten und schon gar nicht die Franzosen haben diesen Krieg geführt, um Deutschland zu befreien, von was auch immer. Höchstens, wenn man die "Befreiung" von Leben, Gesundheit, Besitz und Souveränität als echte Befreiung versteht, aber das fällt selbst einem eingefleischten Zyniker wie mir schwer.
Es war gar nicht geplant, Deutschland wieder in die "Weltgemeinschaft" aufzunehmen, schon gar nicht so zeitnah, nur ließ er beginnende kalte Krieg kaum eine andere Wahl, man kann schlecht auf der einen Seite eine Frontstellung gegen den Kommunismus erwarten, auf der anderen aber, dass ein Volk weiter in Sack und Asche geht. Der Abbau der Restriktionen in den Westzonen läuft nahezu analog zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen Washington und Moskau, nicht so sehr zwischen London oder Paris und Moskau, nur waren die beiden "kleinen" Sieger von 1945 nicht in einer Position, den Fortgang der Entwicklung zu diktieren. Die britische Labour-Regierung der Nachkriegszeit war sogar sehr offen für Wünsche und Ambitionen Stalins, so musste Stalin nur die Geheimnisse des Westens stehlen lassen, die entweder auch die Briten nicht besaßen, oder über die sie zumindest nicht alleine bestimmen konnten. Die Weitergabe von Technologien und Wissen in der Nachkriegszeit dürfte nahezu den selben Wert gehabt haben, wie die zuvor in Deutschland gemachte "immaterielle Beute".
Als man den Deutschen 1949 wieder so etwas wie eine teilweise Eigenstaatlichkeit erlaubte, wenn auch unter Aufsicht und Führung von jenseits des Atlantiks, brauchte man sie schlicht und ergreifend, zum einen, weil es niemand anderen auf der Welt gab, der den Gegner im Osten ähnlich kannte und verstand, zum anderen, weil die Demarkationslinie zwischen den Weltblöcken eben mitten durch Deutschland lief. Als Stalin sein "großzügiges Angebot" machte, Deutschland als neutralen Staat wieder zu vereinigen, hatte er mir Sicherheit auch im Hinterkopf, die deutsche Expertise in Sachen Russland so weit zu passivieren, wie das überhaupt möglich war.
Im Westen ist die Idee von der "Befreiung" eher neu, von höchster Stelle von Richard von Weizsäcker verkündet, 1985, zum Anlass des 40. Jahrestages des Kriegsendes. Das geschah mit Sicherheit auch deswegen, weil die vorherigen Substitute nicht mehr tragfähig waren und das auch nicht mehr wieder werden würden. Seit dem ist diese Perversion der Realität so gut wie nicht mehr auszurotten, ein kategorisches Narrativ für alle, die sich irgendwie offiziell mit dem Thema beschäftigen möchten. Das muss zwar nicht so widerwärtig sein wie in der Interpretation des amtierenden Grüßaugust', aber auch das ist durchaus abgedeckt. Deutschland, wie es heute ist, das "bundesrepublikanische" Deutschland, kann man auch mit gebrochenem Herzen nicht lieben. Es ist ein schwacher, führungsloser Bonvivant, ohne Prinzipien, ohne Achtung vor der eigenen Geschichte, und wohl auch ohne große Zukunft.