ARTIKEL: WEHRMEDIZINISCHE MONATSSCHRIFT 5/2018
Die „Spanische Grippe“ – Verlauf und Folgen
Aus dem Sanitätsversorgungszentrum Neubiberg (Leiter: Oberfeldarzt H. U. Will) des Sanitätsunterstützungszentrums München (Leiter: Oberstarzt Dr. R. Süß) und dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Potsdam (Kommandeur: Kapitän zur See Dr. J. Hillmann)
Zusammenfassung
Der vorliegende Artikel stellt den Verlauf und die Folgen der „Spanischen Grippe“ gegen Ende des Ersten Weltkrieges dar. Bereits kurz nach den ersten Krankheitsausbrüchen gelangte die erste Welle der Influenza durch US-amerikanische Soldaten nach Europa. Von hier breitete sich die Infektion über den gesamten Globus aus. Ab dem Sommer des Jahres 1918 trat eine aggressivere Form des Virus auf, die von schwereren Verläufen gekennzeichnet war. Exakte Angaben zu Todesopfern liegen nicht vor, aktuelle Berechnungen gehen weltweit von bis zu
50 Millionen Verstorbenen aus. -Aufgrund der Erfahrungen im Umgang mit dieser „Seuche“ wurde die Influenzaforschung in der Zwischenkriegszeit intensiviert und führte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zur Etablierung eines weltweiten Netzwerkes zur Überwachung von Grippeausbrüchen und zur Koordinierung der Impfstoffproduktion.
Ursprung und Ausbreitung
Auch wenn der Name der Erkrankung dies nahelegt, hatte die „Spanische Grippe“ weder ihren Ursprung in Spanien, noch wurden auf der iberischen Halbinsel die ersten Krankheitsfälle registriert [1, 7, 8]. Die Bezeichnung „Spanish influenza“ geht vielmehr auf eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters vom 27. Mai 1918 zurück, in der über den Gesundheitszustand der spanischen Königin berichtet wurde [2]. Diese sei „an der neuen Krankheit schwer erkrankt“ [12]. Bereits im Juli 1918 war die „Spanische Krankheit“ Gegenstand mehrerer in deutschen Zeitungen veröffentlichter Spottgedichte [2].
Bis heute ist der Ausgangspunkt dieser verheerenden Infektion nicht definitiv bekannt [2], allerdings sind sich Historiker wie Virologen einig, dass das
Ursprungsgebiet auf den Mittleren Westen der USA eingegrenzt werden kann. Vermutlich sprang das Virus Anfang des Jahres 1918 von Hausschweinen oder domestiziertem Zuchtgeflügel auf den Menschen über [2, 5, 8]. Nachdem drei offensichtlich infizierte Einwohner des Haskell County im Februar des gleichen Jahres in das zum Fort Riley gehörende Armeeausbildungslager Camp Funston (Kansas) eingezogen wurden, kam es bereits Anfang März zu ersten Massenerkrankungen mit ungewöhnlichen Todesfällen [2, 5, 7].
Nach der Kriegserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika am 6. April 1917 und dem damit verbundenen Eintritt in den Ersten Weltkrieg wurden die US-amerikanischen Streitkräfte in Europa kontinuierlich verstärkt, was eine Verbreitung des Virus begünstigte.
Die ersten Erkrankungen auf dem europäischen Festland wurden an der Westfront in Frankreich registriert, was den Berner Physiologen und Internisten Hermann Sahli einige Jahre später vermuten ließ, die Grippe sei in dem „Elend der Schützengräben“ ausgebrütet worden [12].
Durch die Verlegung infizierter Militärangehöriger sowie den Transport von Kriegsgefangenen in weit hinter der Front errichtete Lager breitete sie sich zunächst rasch auf ganz Europa und kurze Zeit später weltweit aus [7, 5]. Die nicht der Kriegszensur unterliegende spanische Presse thematisierte die Erkrankungen offen [5], während in fast allen kriegsführenden Ländern entsprechende Berichte erst deutlich nach dem Auftreten der ersten Erkrankungswelle veröffentlicht wurden [7]. Durch diese Berichterstattung entstand der Eindruck, die Krankheit habe in Spanien ihren Ursprung genommen, was letztlich zur Bezeichnung „Spanische Grippe“ führte.
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