Zitat von
Stechlin
Der Berliner Publizist Jörg Friedrich veröffentlichte im Jahre 2002 das Buch "Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945". Aus selbigem ein paar Auszüge, welche die gestellte Frage versuchen sollen zu reflektieren:
Die Moderwelt der Häuserkeller wurde zum Versteck der Personen. Stube und Bett, Gastwirtschaft und Straße ließen bei der Penetranz der Abwurfmasse keine Ruhe mehr zu. Diese Umgebung konnte binnen einer Viertelstunde eine kochende, von Druckwellen, Funken und Stahlsplittern durchsetzte Todeszone sein. (Friedrich, Jörg. Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945. München 2002. 374)
Im Brandkrieg schützt die Erdhöhle nicht lange, weil er die Luft vergiftet. Doch das ist unberechenbar. Verbrennung erzeugt Hitze und Gas, die Hauptangriffsmittel auf den Leib. Das Feuer zündet ihn selten an, sondern setzt ihn unter Strahlungshitze oder Kohlenmonoxid. Von einem ungewissen Moment an hört der Schutz des Kellers auf, er muss verlassen werden, sonst erstickt der Insasse oder erliegt einem Hitzschlag. Der Keller bewahrt, wenn das Haus in Flammen steht, eine trügerische Kühle. Man wähnt sich dort am besten aufgehoben. Außerhalb detonieren Sprengstoffe, sprühen Funken, und kochendes Häusermagma jagt durch die Gegend. Dann, wenn alle Instinkte zu bleiben raten, muss das Fluchtloch aufgegeben werden. Das Gestein nimmt langsam die Strahlhitze auf, glüht durch und wird zum Ofen. [...] Die Tiefe nimmt an der Luftzirkulation teil und ist gegen die Brandgase nicht abgedichtet. Sie sind geruchlos, die Rauchbildung warnt, aber nicht zuverlässig. Zahllose Kellerbesatzungen sind für immer eingeschlafen. (Ebd. 377)
Das Feuer hat auf seinem Gipfel zwei unerträgliche Räume hervorgebracht, den lodernden Außenraum und den gaserfüllten Innenraum. In Kassel und Hamburg wurden 70 - 80% der Brandopfer im Keller vergast. Amerikanische Rechercheure berechneten die Todesursachen des Bombenkrieges mit insgesamt 5 bis 30 Prozent als Folge von Explosionen, Druck und Trümmerschlag, mit 5 bis 15 Prozent als Wirkung von Heißluft und mit 60 bis 70 Prozent als Kohlenmonoxidvergiftung [...] Wer davor in die Altstadtstraßen geflüchtet sei, konnte im Laufschritt dreißig Meter vorankommen, wenn danach ein Freigelände von hundert Quadratmetern Durchmesser kam, auf dem Atemluft vorhanden war. "In engen Straßen ist ohne weiteres damit zu rechnen, dass Menschen spurlos verbrannt sind. Die Luft war so heiß, dass man das Gefühl hatte, nicht mehr atmen zu können." (Ebd. 378)
Der amputierte Fabrikant war anbetrachts der zunehmenden Brandhitze zum Ausbruch entschlossen. "Als ich diese Meinung im Keller bekanntgab, setzte eine allgemeine Unruhe ein. Auch meine Frau sagte, `wir müssen hier raus, die Brandmauer kommt auf uns zu`." Die Nachbarn legten sich lang auf die Erde, eine Frau hielt sich den Kopf mit beiden Händen und zog die Jacke über die Ohren. "Die kleine Marga rief immer ´gehen wir jetzt tot´? Einer sagte, ´hier kommen wir nicht mehr raus, es brennt überall´." [...] Als man im Freien stand, prallte die Gruppe zurück. "Der erste Blick auf die Straße war ein Blick in die Hölle. Alle Häuser, fast jeder Pflasterstein brannte wie mit Sauerstoffgebläsen angetrieben." (Ebd. 382)
Die Dresdener Altstadt hatte in den Kellersohlen ein Niveaugefälle bis zu eineinhalb Metern. Das Maschennetz bildete keine Ebene, es gab ein Oben und ein Unten. Brennt ferner ein gesamtes Stadtviertel, so dringt auch Feuer in die Tiefe, entzündet Vorräte, Vorratsregale, Lattenverschläge und Kohle, isolierte, leicht löschbare Vorkommnisse. Doch kam eines hinzu: Die Menge der Schutzsuchenden steigt nicht zugleich ein. Passanten kommen verspätet gerannt, finden eine Tür oder Luke, gerettet! Der höher gelegene Einlass wird unordentlich verschlossen, Öffnungen klaffen, ein Kamineffekt tritt ein, die Kleinfeuer erhalten Zug aus mehreren Quellen, lodern empor. Heißluft will aufwärts. Das Element ermüdet nicht an Biegungen und Ecken, es fegt durch das Gitter der Gänge zu seinem Ziel. Dabei schleudert es Glut in alle an die höher gelegenen Gänge grenzenden Keller. Über hundert Belegschaften wurden hier von Heißluft gedämpft und geröstet. (Ebd. 387)