DIE ROTEN KHMER IN KAMBODSCHA
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HINTERGRÜNDE UND RAHMENBEDINGUNGEN
Die
Wurzeln des Regimes der
Roten Khmer reichen in den Entkolonialisierungsprozess Indochinas zurück. Pol Pot kam während eines Studienaufenthalts (1949-1953) in der Kolonialmacht Frankreich mit
sozialistischen Ideen und
kommunistischen Gruppierungen in Kontakt. Nachdem Kambodscha 1953 seine Unabhängigkeit erlangt hatte, kehrte Pol Pot in seine Heimat zurück und trat der
Kommunistischen Partei Kambodschas (KPK) bei, die die regierende Partei der Sozialistischen Volksgemeinschaft unter Führung von Prinz Norodom Sihanouk (1922-2012) nicht als legitime Vertretung eines unabhängigen Kambodscha betrachtete. Sihanouk, bereits 1941 von Frankreich als König und gleichsam als Statthalter der Kolonialmacht eingesetzt, führte zwar das Land in die Unabhängigkeit und verfolgte einen gemäßigten sozialistischen Kurs moderater Verstaatlichung, kam indes wirtschaftlichen und strategischen Interessen Frankreichs entgegen und wurde im Gegenzug von der ehemaligen Kolonialmacht weiterhin unterstützt.
Die
KPK war Teil der
Kommunistischen Partei Indochinas (KPI), die eine
sozialistische Revolution in
Kambodscha, Laos und
Vietnam anstrebte. Sie stellte sich im Verlauf der 1950er Jahre zunehmend in
radikale Opposition zu Sihanouks Regierung, die sich zwar volksnah zeigte, das Land jedoch
autokratisch regierte und
oppositionellen Kräften kaum Spielräume gewährte.
GRENZÜBERGREIFEND – DER VIETNAM-KRIEG
Die
KPK wurde zunächst von den
Viêt Minh aus dem Nachbarland Vietnam kontrolliert. Diese 1941 gegründete heterogene
Widerstands- und
Unabhängigkeitsbewegung, die sowohl
kommunistische wie auch
bürgerliche und
nationalistische Gruppierungen umfasste, kämpfte während des Zweiten Weltkriegs gegen die
japanische Besatzung, die mit der französischen Kolonialverwaltung unter Führung des Vichy-Regimes
kollaborierte. Die 1940 nach der Kapitulation Frankreichs von den Nationalsozialisten installierte Marionetten-Regierung im unbesetzten Teil Frankreichs stellte dem mit dem NS-Regime verbündeten japanischen Kaiserreich Militäreinrichtungen in Vietnam zur Verfügung und strebte im Gegenzug eine Aufrechterhaltung des französischen kolonialen Vorkriegs-Status in Indochina an.
Nach der japanischen Kapitulation 1945 und der Ausrufung der
Unabhängigkeit Vietnams avancierte
H‘ô Chí Minh zum Premierminister (bis 1955) der
Demokratischen Republik Vietnam. Die Auseinandersetzung um die Unabhängigkeit Vietnams war damit jedoch nicht zu Ende.
Frankreich unter Charles de Gaulle (1890-1970, Präsident von 1959-1969)
versuchte nach 1945, den kolonialen status quo ante der Vorkriegszeit in Indochina wiederherzustellen,
unterlag jedoch den
Viêt Minh unter
H‘ô Chí Minhs Führung im Ersten Indochinakrieg (1946-1954).
Die militärische Auseinandersetzung stand ab 1949 auf Grund der Unterstützung der im chinesischen Bürgerkrieg
siegreichen chinesischen Kommunisten für die Viêt Minh sowie durch die
Militärhilfe der USA für Frankreich bereits im Zusammenhang der sich entwickelnden
Ost-West-Polarisierung.
Im Verlauf des
„Kalten Krieges“, der wirtschaftlichen und ideologischen Auseinandersetzung zwischen der Sowjetunion und den USA sowie ihren jeweiligen Verbündeten verlagerte sich der Konflikt im Kampf um Einflusssphären mehrfach in Entwicklungsländer und Regionen, die sich nach dem II. Weltkrieg und der Auflösung der europäischen Kolonialreche in einer gesellschaftlichen und politischen Umbruchsituation befanden. Auch Süd-Ost-Asien geriet in den 1950er Jahren in den Sog dieser globalen Polarisierung.[2]
Frankreich gab in Folge der Genfer Indochinakonferenz (26.04.1954 – 20.07.1954), an der neben Frankreich und den Viêt Minh Großbritannien, die Sowjetunion, die Volksrepublik China und die USA teilnahmen, seine kolonialen Ansprüche auf Indochina auf.
Kambodscha und Laos erlangten ihre staatliche Unabhängigkeit. Vietnam wurde geteilt. Die
Viêt Minh zogen sich in den Norden des Landes jenseits des 17. Breitengrades zurück, die
USA übernahmen die Rolle einer Schutzmacht für Südvietnam und unterstützten eine dort unter Premierminister Ngô Đinh Diêm (1901-1963) etablierte
nationalistische, antikommunistische Regierung als
Bollwerk gegen das
kommunistische Nordvietnam.
Die
Genfer Vereinbarung sah für 1956 freie Wahlen für ganz Vietnam vor, die den Weg zu einer Wiedervereinigung ebnen sollten, die jedoch von s
üdvietnamesischer Seite angesichts eines zu erwartenden Wahlsiegs der Kommunisten
vereitelt wurden. Die USA befürworteten die Wahlen in ihren offiziellen Verlautbarungen, unterstützten
hinter den Kulissen indes Diêms Bestrebungen, die Wahlen zu
verhindern.
Mit fortschreitender Ost-West-Polarisierung hatte unter Präsident Eisenhower die so genannte Domino-Theorie stark an Einfluss gewonnen, der zu Folge,
fallenden Dominosteinen gleich, ein Staat Südostasiens, sollte er unter kommunistische Herrschaft geraten, andere Länder der Region zwangsläufig mit sich ziehen würde.[3] In Folge der von Süd-Vietnam
vereitelten Wahlen kam es ab 1955 wiederholt zu
militärischen Zusammenstößen zwischen der vom Norden unterstützten Nationalen Befreiungsfront und südvietnamesischen Regierungstruppen.
Als die Regierung Südvietnams zunehmend in Bedrängnis geriet, intervenierten die USA ab 1964 militärisch, der Konflikt internationalisierte sich, weitete sich zum Zweiten Indochinakrieg aus, der vor dem Hintergrund der Kuba-Krise in weit stärkerem Maße als der Erste Indochinakrieg in der
Ost-West-Auseinandersetzung instrumentalisiert wurde. Ho Chi Minh erlebte das Ende des Krieges, den militärischen Sieg über Südvietnam und die USA (1975), nicht. Er starb 1969.
Ab Ende der 1960er Jahre verstärkte sich der zivilgesellschaftliche Protest in den USA und westlichen Demokratien gegen den Vietnamkrieg, gegen rassistische Denkstrukturen,
gegen Militarismus und Imperialismus. Das Apartheidregime in Südafrika und der Vietnamkrieg, dessen zivile Opfer durch amerikanische Bombardements zunehmend in den Fokus westlicher Medien gerieten, erhielten Symbolcharakter im Zuge eines Wertewandels und gesellschaftlicher Auseinandersetzung.
Ho Chi Minh wurde in dieser Auseinandersetzung Identifikationsfigur sozialer Bewegungen in westlichen Industrienationen Ende der 1960er Jahre.
DAS REGIME DER ROTEN KHMER
Der Aufstieg Pol Pots und der
Roten Khmer in Kambodscha ist mit diesen außenpolitischen Entwicklungslinien aufs Engste verwoben. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich 1953 arbeite Pol Pot zunächst als Lehrer. Während einer Studentenrevolte gingen Pol Pot und einige weitere Anhänger der KPK in den Untergrund und bauten eine bewaffnete Guerillagruppe namens
Rote Khmer auf, die rasch Zulauf erhielt, nachdem nordvietnamesische Einheiten laotische und kambodschanische Grenzgebiete zunehmend als Rückzugsräume genutzt und die US-amerikanische Luftwaffe diese Regionen ab 1965 in ihre Bombardements einbezogen hatte.
Ab 1969 ließ
US-Präsident Richard Nixon (1913-1994, Amtszeit: 1969-1974) Ost-Kambodscha
systematisch bombardieren. Durch diese Ausweitung des Vietnamkrieges auf die Nachbarstaaten wurde die kambodschanische Regierung massiv geschwächt, während die
Roten Khmer zunehmend
Rückhalt bei der
Landbevölkerung fanden und nicht zuletzt mit anfänglicher Unterstützung Nordvietnams ihren Einfluss schnell vergrößern konnten. Weiteren
Zulauf erhielt die Guerilla ab Mitte der 1960er Jahre durch Aufstände der ländlichen Bevölkerung in Folge von
Landenteignungen ohne
adäquate Entschädigungen, denen die
Regierung mit
massiver Gewalt begegnete. Dörfer wurden bombardiert, Massaker verübt.[4]
Durch diese Entwicklung geschwächt, wurde
Staatschef Sihanouk 1970 durch einen
rechtskonservativen Militärputsch unter Führung des
Offiziers Lon Nol (1913-1985) entmachtet, der bereits während der Aufstandsbekämpfung in leitender Funktion hervorgetreten war, und ins chinesische Exil gezwungen.
Die neuen Militärmachthaber arbeiteten eng mit den
USA zusammen und erlaubten das Bombardement ostkambodschanischer Gebiete ausdrücklich, dem zwischen
200.000 und
700.000 Kambodschaner zum Opfer fielen.[5]
Sihanouk verbündete sich schließlich mit den
Roten Khmer, die 1975 in Folge der instabilen Situation durch Krieg und Putsch die Hauptstadt Phnom Penh einnehmen konnten.
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