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A. Pluschew: – Unser Publikum, mehrere Menschen, stellen uns ein- und die gleiche Frage: „Was ist der Sinn, diesen Flughafen so lange zu halten? Wozu braucht ihn wie die eine so die andere Seite?
S.Loiko: – In diesem Zusammenhang erinnere ich mich immer an einen Film, den Film aller Zeiten und Völker, den epischsten Film, den epischen Spaghetti-Western, den ich in meinem Leben gesehen habe, den Film vom Sergio Leone „The good, the bad and the ugly“. Da suchen ein paar Bösewichte nach einem Sack Gold auf dem Hintergrund des epischen amerikanischen Bürgerkrieges. Und da gibt es einen Moment, wo sich die zwei Bösewichte- Clint Eastwood und Eli Wallach – dem Fluss nähern, den sie nicht bezwingen können, und sie können es nicht, weil über dem Fluss eine echte Brücke ist und es ein schrecklicher Kampf um diese Brücke stattfindet: auf einer Seite die Nordstaatler und auf der anderen- die Konföderaten. Und die Südstaatler wollen dieses strategische Objekt einnehmen, und die Nordstaatler wollen es halten. Und die beiden Bösewichte sitzen am Ufer unter dem Beschuss- sie wissen nicht, was sie tun sollen. Und nachts sprengen sie die Brücke und legen sich da schlafen. Wachen morgens auf- keine Brücke, weder die eine Armee noch die andere da.
T. Olewski: – Ungefähr so, ja.
S.Loiko: - Und hier ist das Gleiche. Wenn man einfach nur die Startbahn sprengt, alles in die Luft sprengt, was noch von diesem Flughafen geblieben ist…. Ich wundere mich eh, wie das nicht zusammenstürzt, dieses ganze Gebäude, das zu 95% aus Löchern besteht. Da gibt es sehr viele Motive. Na, irgendein Oberst wird Ihnen sagen, dass es eine strategische Höhe ist, dass wenn wir aufgeben, sich der Weg nach Peski öffnet, und sie werden hin- und her laufen…. Für die Mehrheit derer, die dort sind, ist es eine symbolische Sache, das ist so ein ukrainischer Stalingrad. Und also „kein Schritt zurück, keinen Fußbreit Land geben wir hier auf“.
T.Olewski: – Das ist wirklich sehr verwunderlich. Scheint doch so, dass da Menschen sein sollten, die es verlassen wollen sollten. Habe ich aber keinen einzigen gesehen.
S.Loiko: – Ich erkläre das mal. Alle, die während meiner vier Tage da waren- sie alle waren Freiwillige. Nicht in dem Sinne, dass sie als Freiwillige zur Armee gekommen sind- da sind nur beim „Rechten Sektor“ Freiwillige, das ist eine Handvoll von der ganzen Besetzung. Und da waren ja alle: Aufklärer, SEK-Soldaten, Fallschirmspringer, Artilleristen- alle. Und jeder von ihnen, und da war auch jedes Alter: von 45 bis 18- jeder war ein Freiwilliger, also da hat man gefragt: „Wer will zum Flughafen?“ Sie waren alle nach vorne getreten und sind hingekommen. Mehr noch, in Peski, wo ich viel Zeit verbrachte habe, mehrmals, wo eine grosse Menge ukrainischer Streitkräfte stationiert ist- da träumt jeder Soldat davon, in den Flughafen zu kommen. Für einen echten ukrainischen Soldaten, für einen Patrioten der Ukraine ist es das wahre Geheimzimmer aus „Picknick am Wegesrand“ von Strugazki, aus „Stalker“ von Tarkowski, wo er in das Haus gelangt und erfährt, warum er, der ukrainische Mann, existiert. Und hier das Missverhältnis… Eigentlich ist dieser ganze Krieg keine hohle Nuss wert. Es gab keine Gründe, ihn anzufangen. Bei den Spitzseitigen und den Stumpfseitigen in „Gulliver“ von Swift- sogar bei denen gab es mehr Gründe sich zu töten als hier. Dieser ganze Krieg ist erfunden. Und hier, in dieser neuen Stalingradschlacht gibt es auch keinen Sinn, weder die eine noch die andere Seite braucht dieses Mägdebein, diese Überreste eines verbrannten, gesprengten Flughafens.