Zitat von
Coriolanus
Wenn ich Benedetti nicht ganz falsch verstanden habe, geht es ihm darum eine Verbindung zur *alten Zivilisation* herzustellen, wobei es aus meiner Sicht treffender wäre, vom alten Europa zu sprechen.
Damit ist das Zeitalter gemeint, das mit der Renaissance begann und mit der einsetzenden Veramerikanisierung endete. Der Schriftsteller Stefan Zweig hat das bereits in den 1920er Jahren hellsichtig vorausgesagt, dass Europa durch den amerikanischen Geist zermalmt wird.
Diese so wichtige Verbindung, die Benedetti anspricht, fehlt heutzutage den meisten Leuten. Ich erinnere mich an meine Zeit als Fabrikarbeiter, wo ich in den letzten Jahren häufig im Pausenraum einen Klassik-Sender auf dem Radio einstellte. Das haben die Kollegen nicht ausgehalten. Manche machten sich nur lustig, teilweise gab es sogar aggressive und glasklar abwehrende Reaktionen. Die gleichen Leute hatten aber nie ein Problem damit, rund um die Uhr mit dem üblichen angloamerikanischen Rock & Pop beschallt zu werden, obwohl sie vielfach nichtmal der englischen Sprache mächtig waren. Dennoch sind sie es von Kindesbeinen an gewohnt, sich von Musik aus den USA und GB sowie deutschen Variationen dazu unterhalten zu lassen. Fragte man sie dagegen nach Strauss' "Rosenkavalier", Wagners "Tannhäuser" oder Von Webers "Freischütz" , um nur ein paar Beispiele zu nennen, bekäme man nicht mehr als ein Grunzen zur Antwort. Anders und kurz gesagt: Sehr viele Deutsche heutzutage haben keinen blassen Dunst von ihren kulturellen Wurzeln. Und was noch schlimmer ist, sie interessieren sich auch nicht dafür, da sie sich mit der fremden Kultur des Amerikanismus begnügen.
Auf einem anderen Blatt Papier steht es, dass man in amerikanischen Filmen auch mal gute Sachen finden kann. Das ist aber nicht das Thema.
Auch glaube ich nicht, dass alle Musik schon auskomponiert ist, wofür meines Erachtens Arvo Pärt ein hervorragendes Beispiel ist. Der sagte einst, es sei sinnlos "Musik zu schreiben, wenn man fast nur mehr zitiert". Nach einigen Jahren der Abgeschiedenheit und intensiver Beschäftigung mit der Gregorianik - einer Verbindung mit der alten Zivilisation - kehrte er zurück mit einer sehr innovativen Musiksprache, dem "Tintinnabuli-Stil", der aus einem Dreiklang besteht.