Manager Magazin / 14.07.2004 von Marc Pitzke
New York
Die neue Dekadenz der Reichen
Der Börsencrash ist vergessen, alle
Mäßigung aus der Zeit nach dem 11. September passé:
Die Millionäre in Manhattan prassen wie in alten Zeiten. Sie werfen ihr Geld für Galas heraus, für 100.000-Dollar-Maseratis - und goldene Hundemarken.
New York - Über den Dächern Manhattans herrscht Krieg. Es ist ein Krieg um Swimmingpools. Leitfrage: Wer kann sich das größte, längste, teuerste, luxuriöseste Plantschbecken aufs Hausdach bauen?
Der bisherige Sieger: das "Soho House", ein Privatclub im früheren Schlachthofviertel. Wer in den siebten Stock dieses für 15 Millionen Dollar gelifteten Ex-Lagerhauses fährt, dem öffnet sich die Tür zur Penthouse-Terrasse mit Hängematten und geheizter Zehn-Meter-Wasserbahn.
900 Dollar pro Jahr kostet der Spaß - plus
200 Dollar Aufnahmegebühr. Die Mitgliederkartei strotzt vor Models, Filmstars und Bankern.
Kleines Problem für das Ego der Luxusklientel: Vis-à-vis hat das Schicki-Hotel Gansevoort eröffnet. Dessen Open-Air-Pool ist höher gelegen (im 15. Stock), länger (14 Meter), extravanganter (Unterwassermusik) und auch noch teurer. Die dazu gehörige, zweistöckige Präsidentensuite kostet
2000 Dollar pro Nacht. Die "Soho"-Manager fühlen sich in ihrer Ehre verletzt. "Sieht aus wie ein spanischer Touristenstrand", pöbelt einer über den Pool der Widersacher nebenan.
Manhattan im Luxusfieber:
Das Eiland zwischen Hudson und East River hat sich erholt vom Schock des Börsencrashs, von Rezession und Terrortrauma. Dass es in New York
40.000 Obdachlose gibt, bekümmert die Prasser wenig - und ebenso wenig, dass die Mittelklasse in die billigeren Vororte abwandern muss. Exzess ist wieder in - die Millionäre leisten sich die
600-Dollar-Coiffüre, den
1200-Dollar-Schampus, die
Ein-Millionen-Dollar-Junggesellenbude.
"Das Midas-Fieber steigt", diagnostiziert die "New York Times".
Es steigt mit
Profiten der großen
New Yorker Konzerne. Allein im ersten Quartal machte die Investmenthäuser der Wall Street fast
acht Milliarden Dollar Gewinn - 13,4 Prozent mehr als in den drei Vormonaten.
Kein Wunder, dass in Manhattan inzwischen
13.000 Millionäre residieren, die mit fabrikneuen
100.000-Dollar-Maseratis im
Feierabendstau stehen oder Fifi für
1095 Dollar pro Tag im Hundesalon des Ritz-Carlton aufpäppeln lassen, goldene
22-Karat-Hundemarken inklusive. "Wie der Wind in der Finanzwelt weht", sagt Ökonom Richard Yamarone, "weht der Wind in New York."
Das schlägt sich am Immobilienmarkt nieder. Mittlerweile müssen die New Yorker für eine normale Eigentumswohnung in Manhattan im Schnitt
998.905 Dollar hinblättern, ein historischer Rekord. Den Vogel schoss der geheimnisumwitterte Finanzier
David Martinez ab:
45 Millionen Dollar soll ihn seine neue
1170-Quadratmeter-Bleibe an der Spitze des
Time-Warner-Centers gekostet haben.
Die Eröffnungsgala des Doppelturms, der
1,7 Milliarden Dollar kostete, galt für die High Society als Startschuss der neuen Luxus-Saison.
Rund 6000 VIP-Gäste - darunter Bürgermeister Mike Bloomberg und Supermodel Cindy Crawford - drängelten sich in Frack und Abendkleid über Marmorfliesen, kosteten Reistörtchen des Starkochs Jean-Georges, bewunderten die 8500 Weinflaschen im Restaurant "Asiate" und verirrten sich in die Lobby des Hotels Mandarin Oriental, in dessen Suite man für
12.595 Dollar übernachten kann.
Mit Puderperücken zur Museumsgala
Rauschende Mega-Partys sind wieder an der Tagesordnung. "Unser Geschäft brummt", freut sich der Event-Planer David Adler, der Feste für die Elite organisiert. Also tummelten sie sich wieder beim Kostümfest im Metropolitan Museum, Eintrittspreis von
3500 Dollar. Das Motto ("Gefährliche Liebschaften - Mode im 18. Jahrhundert") provozierte die Gäste dazu, mit
Krinolinen, Schleppen und
Puderperücken zu erscheinen.
"Dekadenz kommt vor dem Fall", lästerte Herbert Muschamp, Chefkritiker der "New York Times".
Wer's lieber privater mag, kann sich in eines der neuen Superstar-Restaurants wagen. Im "Le Parker Meridien" kostet das
Kaviar-Omelett 1000 Dollar, beim
Japaner "Masa" das billigste Lunch
300 Dollar. Im "Per Se" kommt man mit
125 Dollar weg, doch der
Wodka-Drink schlägt mit
17 Dollar zu Buche. "Ich schätze, es gibt genug Gäste, die so was subventionieren", sagt Promi-Gastronom Drew Nieporent über die Flut an neuen Nobelläden.
Auch das teure Traditionshaus "21" in Midtown meldete im ersten Quartal 2004 wieder ein Umsatzwachstum von 14 Prozent. Um die
Gourmets angesichts der wachsenden Konkurrenz bei Laune zu halten, bietet es eine Vielesser-Prämie an:
Wer hier für mehr als
20.000 Dollar diniert, bekommt eine
zweitägige Reise im
Orient-Express geschenkt, dessen
Mutterkonzern das
"21" gehört.
"Sexy, leicht ungekämmt"
Da bietet sich vorweg ein Besuch im VIP-Salon von Sally Hershberger an. Die Star-Friseuse aus Hollywood hat sich hier im zweiten Stock einer alten Fleischfabrik einquartiert; auf dem Klo hängt ein vermutlich echter Warhol. 600 Dollar verlangt Hershberger für den Damenschnitt ("sexy, leicht ungekämmt, sehr feminin"), plus Trinkgeld. Dafür nehmen die Stammkunden zwölf Wochen Buchungsfrist in Kauf.
Wer dann noch eine von Hershberger persönlich umgestylte
Secondhand-Jeans mitnehmen will, muss 1000 Dollar drauflegen. Immerhin billiger als das, was die Stadtpostille "New York Magazine" als den neuen Look der Lady von Welt empfiehlt:
Kleid von Narcisco Rodriguez (3950 Dollar), Schuhe von Geraldine (495 Dollar), Ohrringe von
Harry Winston (185.000 Dollar),
Bambus-Täschchen von Gucci (1790 Dollar).
Die Krönung sind freilich die
Strandsandalen des
Juweliers H. Stern:
Die sind mit goldenen Federn und Diamanten besetzt und kosten 17.000 Dollar.
Überkandidelte Jesuslatschen und ein 600-Dollar-Wuschelkopf sind aber nicht unbedingt ein Zeichen von Zuversicht und Lebensbejahung.
"Die Leuten wollen damit dem allgemeinen Gefühl der Malaise entfliehen", behauptet die
Psychotherapeutin Gail Saltz, die auf der Upper East Side Millionäre betreut.
Sie hält die ganze Nobel-Renaissance im Grunde für verkappte Weltuntergangs-Panik. Denn schon ist zu hören, dass selbst Luxuslieferant LVMH nach neuen Ufern und Kunden sucht - auch dort, wo bisher die Armut regierte. Ganz oben auf der Expansionsliste: Indien und China.
Die
Seelenklempnerin aus Manhattan sagt dazu:
"Keiner will an die Zukunft denken." Denn die ist
ungewiss, vor allem in New York.
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