Griechenland
Griechenlands Arbeiterparadies hat vier Buchstaben: ELPE
Als sich im vergangenen Jahr herumsprach, dass manche Griechen pro Jahr 15 Monatsgehälter kassieren, zogen viele in Europa verwundert die Augenbrauen hoch. Jetzt darf man erneut staunen. Die 15 Monatsgehälter sind nämlich noch zu toppen: bei dem Unternehmen Hellenic Petroleum (ELPE), an dem der griechische Staat knapp 35,5 Prozent der Anteile hält, bekommen die Beschäftigten 17,5 Monatsgehälter im Jahr.
Die Zeitung „Kathimerini“ und mehrere Websites veröffentlichen heute Details über die erstaunlichen Privilegien der Beschäftigten des früheren Staatsunternehmens, das unter anderem drei Raffinerien, Betriebe zur Verarbeitung von Erdölprodukten und Tankstellennetze in Griechenland (“Eko”), Albanien, Mazedonien und Georgien betreibt.
Dass die ELPE-Mitarbeiter kostenlos in den Betriebskantinen essen können, zusätzlich aber einen Verpflegungszuschuss bekommen, gehört noch zu den harmlosesten Merkwürdigkeiten. Den ELPE-Beschäftigten und ihren Familienangehörigen steht jedes Jahr ein viertägiger Aufenthalt in einem Vier-Sterne-Hotel auf Kosten des Unternehmens zu. Für den Kindergarten kommt ebenfalls die Firma auf.
Insgesamt gibt es bei dem Unternehmen rund 100 Zulagen und Vergünstigungen, mit denen die Gehälter aufgebessert werden. Zu denen, die man sich am wenigsten erklären kann, gehört der „Ledigen-Zuschlag“: wer 35 Jahre alt ist und immer noch keinen Ehepartner gefunden hat, bekommt eine Zulage in Höhe von 15 Prozent des Grundgehalts.
Selbstverständlich liegen die Überstundenvergütungen deutlich über dem Branchendurchschnitt, die Arbeitszeiten hingegen deutlich darunter: während in der griechischen Wirtschaft die 40-Stunden-Woche gilt, wird bei ELPE nur 38 Stunden gearbeitet. Auch die Urlaubsregelungen sind großzügig: griechische Arbeitnehmer arbeiten im Schnitt 213 Tage pro Jahr, bei ELPE sind es nur 197.
Wer es unter diesen Umständen länger bei ELPE „aushält“, wird belohnt: neben den regulären Gehaltssteigerungen, die alle zwei Jahre fällig werden, bekommen anhängliche Mitarbeiter jeweils nach fünf Jahren eine zusätzliche Gehaltserhöhung als Treue-Bonus. Im Schnitt kostet jeder Beschäftigte das Unternehmen 86.000 Euro im Jahr. Da gibt es einen Boten, der 67.000 Euro verdient und eine Kellnerin, die mit 74.000 Euro entlohnt wird.
Kein Wunder, dass die Produktivität der ELPE-Beschäftigen um bis zu 60 Prozent niedriger liegt als in anderen vergleichbaren Unternehmen in Europa.
Dass der Konzern unter diesen Umständen überhaupt Gewinn macht, ist erstaunlich. Sehr viel ist blieb 2010 allerdings nicht übrig: der Nettogewinn belief sich gerade mal auf 180 Millionen Euro – bei einem Umsatz von 8,5 Milliarden.
Die Zustände bei ELPE sind umso wunderlicher, als das Unternehmen kein typischer Staatskonzern mehr ist: mit 41,25 Prozent liegt die Mehrheit inzwischen bei der Paneuropean Oil and Industrial Holdings S.A., hinter der die griechische Reederfamilie Latsis steht, die auch größter Aktionär der EFG Eurobank ist. Knapp 23,3 Prozent der ELPE-Aktien befinden sich im Streubesitz. Das Beispiel ELPE zeigt aber, wie lange und wie schwer auch teilprivatisierte Unternehmen in Griechenland an ihrem Erbe als ehemalige Staatsmonopole tragen.
Im Rahmen ihrer Privatisierungspolitik wird sich die Athener Regierung vermutlich dieses Jahr von weiteren ELPE-Anteilen trennen. Vielleicht kommen auch deshalb jetzt die Privilegien der Belegschaft auf den Prüfstand: die Unternehmensleitung will einen neuen Tarifvertrag aushandeln, der die Gehälter an die Produktivität koppeln soll. Eigentlich kein absurdes Ansinen. Man braucht aber nicht lange zu rätseln, wie die Gewerkschaften darauf reagierten: sie riefen die Beschäftigten auf, ab Sonntag in den Streik zu treten.
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