Gefälschte Impfpässe
Hat der Gesetzgeber die Strafbarkeitslücken geschlossen?
Strafbarkeitslücke selbst bei Urkundenfälschung?
Ist das Fälschen von Impfpässen strafbar? Christian Solmecke, Rechtsanwalt und Partner bei WBS, war zu diesem Thema bereits zweimal zu Gast bei sternTV. Unsere Recherche hat ergeben, dass es aktuell wohl fast nie strafbar ist, solche Pässe zu verkaufen, zu kaufen oder gegenüber Apotheken oder Restaurants vorzuzeigen. Auch das LG Osnabrück sieht das nun so. Warum das so ist und ob die Gesetzesänderung der Ampel-Parteien etwas nützen wird, erfahren Sie in diesem ausführlichen Beitrag:
Wer mit gefälschten Impfpässen handelt, sie kauft oder im täglichen Leben nutzt, handelt nach der bis zum 23.11.21 geltenden Rechtslage wohl aktuell fast nie strafbar. Die einzigen Ausnahmen:
Ein korrupter Arzt bietet Impfpässe an, ohne die Person tatsächlich geimpft zu haben.
Eine Privatperson nutzt den von einem Arzt gefälschten Impfpass im täglichen Leben.
Eine Privatperson nutzt einen von einer anderen Privatperson gefälschten Impfpass gegenüber Behörden oder Versicherungen.
Diese Auffassung ist unter Juristen und innerhalb der Politik zwar nicht unumstritten. Doch es heißt nicht umsonst: Wo kein Kläger, da kein Richter. Da aber auch die Staatsanwaltschaft Köln und nun auch das Landgericht (LG) Osnabrück unsere Auffassung explizit teilen, scheint es aktuell schwer, Fälscher auf Grundlage der bis zum 23.11.21 geltenden Gesetze zu verurteilen.
Doch Menschen, die ohne Impfung in volle Restaurants, Clubs oder Bars gehen, stellen ein viel höheres Ansteckungsrisiko dar als Ungeimpfte. Nicht umsonst gilt die 3G- oder sogar die 2G-Regelung. Diese Gefährdung von Menschenleben muss dringen unterbunden werden – und zwar mit den Mitteln des Strafrechts. Diese eklatante Strafbarkeitslücke muss die Politik dringend schließen!
Update 23.11.2021: Gesetze werden ab 24.11.2021 verschärft
Die Ampel-Parteien aus SPD, Grünen und FDP haben eine Strafverschärfung für das Fälschen von Impfpässen auf den Weg gebracht, um die Lücke zu schließen. Die Änderungen sind Teil des Gesetzentwurfs zum Infektionsschutzgesetz, welches inzwischen Bundestag und Bundesrat beschlossen haben (BT-Drs. 20/15). Es wird voraussichtlich am Mittwoch, den 24.11.21 in Kraft treten.
Der Gesetzgeber hat folgende Neuerungen im StGB beschlossen:
Die Vorlage eines gefälschten Impfausweises ist künftig
immer nach
§ 277 strafbar, egal, ob sie gegenüber einer Behörde, einer Versicherung, einem Restaurant oder am Eingang eines Weihnachtsmarktes erfolgt. Das kann dann eine Geldstrafe oder bis zu
ein Jahr Gefängnis nach sich ziehen.
In der Gesetzesbegründung steht außerdem, daneben könnte regelmäßig eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB vorliegen. Maximalstrafe: 5 Jahre. Das halte ich allerdings für zweifelhaft – dazu gleich mehr. Ebenfalls bis zu 1 Jahr Haft droht all jenen, die sich etwa als Arzt ausgeben, um einen Impfnachweis auszustellen. So steht es im neuen
§ 277 StGB.
Darüber hinaus steht nun mit dem neuen
§ 275 Abs. 1a StGB auch der Eintrag einer Impfung in einen Blanko-Ausweis sowie die Beschaffung eines entsprechenden Dokuments unter Strafe. Der Grund für diese Änderung: Mit dem Herstellen eines Blanko-Impfausweises ohne Namen liegt noch keine Urkunde vor. Die neue Norm unter der Überschrift „Vorbereitung der Herstellung von unrichtigen Impfausweisen“ soll auch
Verkäufern von gefälschten Impfpässen das Handwerk legen. Es drohen bis zu
2 Jahre Haft.
Ärzte oder andere
approbierte Medizinalpersonen wie
Apotheker müssen ebenfalls mit bis zu
zwei Jahre Haft rechnen, wenn sie ein gefälschtes Gesundheitszeugnis ausstellen,
§ 278 StGB (schriftliche Lüge, keine falsche Urkunde – daher braucht es hier eine gesonderte Norm).
Die neuen Vorschriften lauten konkret:
§ 275 Abs. 1a StGB, Vorbereitung der Herstellung von unrichtigen Impfausweisen: Wer die Herstellung eines unrichtigen Impfausweises vorbereitet, indem er in einem Blankett-Impfausweis eine nicht durchgeführte Schutzimpfung dokumentiert oder einen auf derartige Weise ergänzten Blankett-Impfausweis sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt, einem anderen überlässt oder einzuführen oder auszuführen unternimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
§ 277, Unbefugtes Ausstellen von Gesundheitszeugnissen: Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson ein Zeugnis über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 278, Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse: Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr als Arzt oder andere approbierte Medizinalperson ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 279, Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse: Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr von einem Gesundheitszeugnis der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Zwei Änderungen sind jetzt besonders bedeutsam: Zum einen kann jetzt das Vorzeigen eines gefälschten Impfpasses im Restaurant, bei einem Konzert oder auf einem Weihnachtsmarkt definitiv bestraft werden. Und auch Impfpassfälscher machen sich strafbar. Das ist in jedem Fall ein Fortschritt im Vergleich zur aktuellen Rechtslage.
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https://www.wbs-law.de/allgemein/gef...liessen-57123/