Handelsblatt / 23.10.2025 von Jakob Hanke Vela, Carsten Volkery
EU-Gipfel
Russisches Vermögen für die Ukraine? Belgien fürchtet Putins Rache
Die EU-Regierungschefs wollen die eingefrorenen Milliarden aus Russland für die Ukraine nutzen. Belgiens Regierungschef warnt vor Vergeltung – will aber unter drei Bedingungen zustimmen.
Belgiens Premier Bart de Wever: „Putin wird unser Geld wegnehmen.“
Brüssel. Der belgische Ministerpräsident
Bart de Wever warnt vor
„riesigen Risiken“, wenn die EU-Staaten wie geplant das eingefrorene russische Vermögen für die Ukraine-Finanzierung nutzen sollten.
„Wenn sie Putins Geld wegnehmen, wird er unser Geld wegnehmen“, sagte der flämische Politiker bei der Ankunft zum EU-Gipfel am Donnerstag.
Dennoch werde Belgien dem Plan
zustimmen, wenn
drei Bedingungen erfüllt seien, sagte der Regierungschef.
Erstens müssten die Risiken unter allen EU-Staaten
vergemeinschaftet werden.
Zweitens müsse sichergestellt sein, dass
alle Mitgliedstaaten Geld auf den Tisch
legen, wenn die
Rückzahlung an Russland ansteht.
Drittens sollten nicht nur die in Belgien eingefrorenen Vermögenswerte für den Plan herangezogen werden, sondern auch die in anderen Ländern.
„Sonst riskiert man, dass sich die russische Vergeltung auf Belgien konzentrieren wird“, sagte de Wever.
Belgiens Regierungschef spielt bei diesem EU-Gipfel die Hauptrolle, weil der
Großteil der eingefrorenen russischen Zentralbankreserven beim belgischen
Zentralverwahrer Euroclear liegt. Laut Halbjahresbericht des Unternehmens lagerten dort Ende Juni
194 Milliarden Euro. Das meiste ist in
Cash verfügbar, weil die
Anleihen, in die Russland
investiert hatte, inzwischen
fällig geworden sind.
De Wever spricht von „Konfiszierung“
Die EU-Kommission will ein „Reparationsdarlehen“ von bis zu 140 Milliarden Euro von
Euroclear, einem der weltweit größten
Clearingsysteme für
internationale Wertpapiere, erhalten. Das Geld soll dann in mehreren Tranchen an die Ukraine weitergereicht werden. Die Kommission argumentiert, dass es sich nicht um eine Konfiszierung des russischen Vermögens handele, weil Euroclear weiterhin einen
Rückzahlungsanspruch gegenüber der
Kommission hat.
Dennoch benutzte de Wever das Wort
„Konfiszierung“. Eine
solche Enteignung von
ausländischem Staatsvermögen habe es
nicht einmal im
Zweiten Weltkrieg gegeben, sagte er. Deshalb müsse man die Risiken
klar benennen – und
gemeinsam tragen.
„Firmen europäischer Herkunft werden in Russland enteignet werden“, sagte er. Auch
westliches Vermögen in Russland werde
konfisziert. Vielleicht würden
andere, mit Russland befreundete Staaten
das Gleiche tun.
Deshalb müssten die anderen EU-Regierungschefs seine „
ziemlich vernünftigen Forderungen“ akzeptieren, sagte de Wever. Sonst werde er alles in seiner Macht Stehende tun, um die
Entscheidung zu
stoppen.
Bundeskanzler Friedrich Merz zeigte sich zuversichtlich, dass man Belgien
zufriedenstellen könne. Man werde bei dem Gipfel „einen Schritt weiterkommen“, sagte er. Die dänische Ratspräsidentschaft fügte in den Entwurf der Abschlusserklärung einige Sätze ein, die de Wever die Zustimmung ermöglichen sollen. Demnach fordern die Regierungschefs die Kommission auf, in ihrem Gesetzesentwurf
angemessene Lösungen für die
„EU-Solidarität und Risikoteilung“ zu liefern.
Dabei sollten die
„Besonderheiten und legitimen Bedenken der betroffenen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden.“
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