Ein Geschenk für den „Reichsschmied“
Auf Postkarten, als Bebilderung von Notgeld oder als Nippes:
Otto von Bismarck wurde von seinen Anhängern gerne als
„Reichsschmied“ verklärt. Damit wurde aus dem gebildeten Adligen, studierten Juristen und Politiker, der öffentlich bevorzugt in Uniform auftrat, ein volksnaher Handwerker gemacht, der mit feuerfester Schürze am Amboss steht, den Hammer fest in der Hand.
Bismarck selbst dürfte für diese Zuschreibung weniger verantwortlich sein, obwohl er als Diplomat 1857 in einem Brief an seinen politischen Mentor, den konservativen Politiker Leopold von Gerlach, schrieb:
„Wir werden Ambos, wenn wir nichts thun, um Hammer zu werden.“ Diese – in einer Korrespondenz über die Zukunft Preußens genutzte – Metapher erinnert an ein Zitat, das dem römischen Staatsmann
Appius Claudius Caecus (350 – ca. 280 v. Chr.) zugeschrieben wird:
„fabrum esse suae quemque fortunae“ – jeder sei der Schmied seines Glücks.
Die metaphorische Verwandlung Bismarcks Jahrzehnte später in den „Reichsschmied“ dürfte bei seinen Zeitgenossen einen kleinen Fundus an Assoziationen hervorgerufen haben, angefangen mit dem Wort „Schmied“ selbst: Es leitet sich vom altnordischen
smiðr und damit von jemanden ab, der
etwas (Wertvolles) erschuf – im Deutschen wurden nun nicht nur Hufeisen und Verse geschmiedet, sondern auch
ganze Reiche.
In nordischen und germanischen Sagen ist der Schmied – wie in vielen anderen Kulturen rund um den Globus – zudem in der Rolle des
mutigen Helden zu finden. Diese Erzählungen wurden im 19. Jahrhundert aktualisiert, zunächst in der Erstausgabe der „Haus- und Kindermärchen“ der Brüder Grimm. Dort erschien 1812 mit der Nummerierung 81 das Märchen
„Der Schmied und der Teufel“, in dem ersterer letzteren
überlistet.
Größere Bekanntheit erlangten dann die Schmiedearbeit eines Helden und wenige Jahre später außerdem ein mutiger Schmied: Der Dichter und Philologe Karl Joseph Simrock (1802–1876) übersetzte aus dem Mittelhochdeutschen 1827 zunächst
„Das Nibelungenlied“, in dem Siegfried ein Schwert zum Drachentöten zusammenschmiedet. 1843 legte Simrock außerdem eine Übersetzung von „Das „Amelungenlied“ vor, mit dem Schmied Wieland als wichtigem Protagonisten. Auf diesen Textgrundlagen entwarf Richard Wagner ein – unvollendet gebliebenes – Drama über Wieland und komponierte
„Der Ring der Nibelungen“, der 1876 in Bayreuth uraufgeführt wurde.
Vor diesem sagenhaften Kosmos erlebte Bismarck eine Überhöhung zum Mythos, der mit dem „Reichsschmied“ eine allgemein verständliche
(Helden-)Gestalt annahm. Die Bergischen Schmiede in Remscheid nahmen diese Zuschreibung wörtlich und schenkten dem
ersten Reichskanzler zum 80. Geburtstag am 1. April 1895 einen üppig ausgeschmückten Amboss als Symbol für seinen Beitrag zur Reichsgründung.
https://www.bismarck-stiftung.de/202...reichsschmied/