Wenn das Trio aufgebaut und 1998 in den Untergrund geschickt/gedrängt wurde, endete die Überwachung jedenfalls nicht vor dem ersten Nürnberger Mord, September 2000. Es ist davon auszugehen, daß das Trio auch später mehr oder weniger intensiv überwacht wurde, durch V-Leute im Umfeld, durch technische Überwachung, durch Bewegungsprofile. Zumindest die ersten Morde bzw. Vorbereitungen, Bewaffnung, Logistik, fallen in die Zeit der Geheimdienstoperationen Drilling und Terzett (mindestens ab Mai 2000). Wenn auch nur geringste Hinweise auf eine Verwicklung des Trios in Kapitalverbrechen vorlagen, ist es praktisch ausgeschlossen, daß die Überwachung in der Folgezeit eingestellt wurde. Dem eigentlichen Zweck der mutmaßlich installierten V-Zelle würde eine vorzeitige Einstellung der Überwachung erst recht widersprechen.
Anzunehmen, daß staatliche Behörden Kenntnis einer Mordserie hatten und eine Enttarnung und Verhaftung der mutmaßlichen Mörder aktiv be- und verhinderten, ist mindestens ein ebenso ungeheuerlicher, aber letztlich sowohl naheliegender als auch unbewiesener Verdacht, wie die Möglichkeit, daß die Mordserie, der Kölner Bombenanschlag oder der Heilbronner Polizistenmord dem Zwickauer Trio nachträglich angehängt wurden oder – eben als offizielle Version – daß trotz Überwachung die Täterschaft der vorgeworfenen Kapitalverbrechen unbemerkt blieb.
Die begründeten Zweifel an der Echtheit der NSU-Beweismittel (“Bekennervideo”, Ceska, Dienstwaffen) sind gerade kein Ausdruck rechter oder rechtsextremer Gesinnung, sondern Ergebnis zusammengetragener, vielfältiger Hinweise, Ungereimtheiten, Widersprüche einer Gegenöffentlichkeit und einiger weniger kritischer Medien. Daß auch im bürgerlichen bis rechten Lager die Schwächen der NSU-Beweismittel thematisiert werden, sollte für eine schonungslose und ungefärbte Wahrheitsfindung – wie immer sie ausfallen möge – eigentlich irrelevant sein.
Es erstaunt deshalb, daß Zweifel am Aufklärungswillen staatlicher Behörden, die erwiesermaßen zumindest in die Entstehung des behaupteten “Terror-Trios” verwickelt waren, einem Rechts-Links-Schema zugeordnet werden und damit die Blockade einer möglichst breiten Kontrolle der Aufklärung aus der Zivilgesellschaft heraus begründet wird. Das erstaunt umso mehr, als eben auch die politischen Parteien über Untersuchungsausschüsse auf eine Wahrheitsfindung in letzter Konsequenz verzichten und damit eine juristische Klärung staatlicher Verstrickung erschweren.